Ich konnte nicht einschlafen.
Was, wenn ich verschlafen würde?
Was, wenn ich aufwachte und Tahn war längst vom Hauptmann mitgenommen worden?
Meine Sorgen ließen mich nicht ruhen…
Und so blieb ich wach.

An Tahns regelmäßigen Atemzügen konnte ich erkennen, dass er eingeschlafen war.
Das war gut.
Ich war mir nicht sicher, aber glaubte, dass er nach dem Schlafen ziemlich viel vergaß. Vor allem Personen.
Und so bestand die Hoffnung, dass er auch den Hauptmann vergessen würde.
Ich würde Tahn sicherlich nicht von ihm erzählen…
Nur würden wir diese Taverne nie wieder aufsuchen können.
Der Hauptmann würde schließlich auch mich erkennen…
Und das würde vermutlich großen Ärger bedeuten.

Noch bevor es zu dämmern beginnen sollte, kroch ich zu Tahn herüber, der ebenfalls am Boden lag.
Ich rüttelte etwas an seiner Schulter.
„Tahn.“, flüsterte ich.
Die anderen Schlafenden wollte ich nicht wecken.
Zum Glück schlief aber der Hauptmann nicht in dieser Taverne.
Also waren wir einigermaßen sicher.
Wir mussten nur schnell genug verschwinden.

Als Tahn langsam erwachte, blinzelte er zu mir.
„Ah! Ana- Anastasya.“, sprach er und ich nickte.
„Tahn. Wir müssen doch Frau finden, eh?“, fragte ich.
Er nickte.
„Ja. Genau. Meine Frau!“, stimmte er zu.
„Und dein Kind.“
„Genau, mein Kind, ja.“
„Dann müssen wir weiter!“, forderte ich ihn auf.
Er sah mich an.
„Jetzt? Es ist doch dunkel…“, murrte er.
Ich nickte.
„Da. Müssen wir jetzt los.“
„Aber… aber wir schlafen nicht wieder im Wald, oder?“
„Njet, keine Sorge.“, erwiderte ich.
Wir würden früher oder später schon eine Taverne finden.
Wobei ich mir wirklich nicht sicher war, wohin uns der Weg diesmal führte.
Wir mussten irgendwie herausfinden, wo sich der Ort befand, an dem Anka und Peter sich mit Tahn treffen wollten.
Glücklicherweise hatte Tahn die Kupfermünze noch…
Vielleicht würden wir in einer Taverne Jemanden finden, der uns weiterhelfen konnte.

Wir packten unsere Sachen zusammen und verließen Moordorf über die Landseite aus.
Glücklicherweise war es nur eine Halbinsel…
Paddeln lag mir nicht besonders und Lynx hatte ich schon länger nicht getroffen…
Ich fragte mich, wie es ihr ergangen war und hoffte, sie bald wiederzusehen.
Genau wie Breeg, Rhea und Ares.
Hoffentlich war ihnen nichts passiert.

Wir liefen durch ein paar Wälder und offene Felder.
Tahn erinnerte sich immer wieder daran, ein paar Äpfel zu essen.
„Und was sollst du nicht essen?“, fragte ich ihn.
„Birnen!“, erwiderte er. „Hab ich doch aufgeschrieben.“
„Genau. Gut!“
Er erinnerte sich tatsächlich daran.
Das freute mich.
Schreiben schien ihm wirklich zu helfen.
Und ich wusste schon, was er als nächstes schreiben musste.
„Ich gehe nicht nach Moordorf.“

Erneut liefen wir einen Feldweg entlang.
Die Erde war kalt und fest, beinahe gefroren.
Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, bis auch hier im Süden Schnee fallen würde.
Ich sah zu Tahn.
Er wirkte nicht sonderlich warm angezogen.
Würde er die Kälte überhaupt vertragen?
Schließlich sprach er stets von der Wüste und der dort herrschenden Hitze.

Und so kam es uns gelegen, dass wir am Wegesrand  den leblosen Körper eines Mannes fanden.
Er trug einen schwarzen Mantel und hatte viele Taschen bei sich.
Ich kniete mich nieder und überprüfte seinen Puls.
Eindeutig tot.
Seine Haut war sehr kalt.
Erfroren?
Krank?
Ich konnte keine äußeren Verletzungen erkennen.
Kurz warf ich einen Blick in den Himmel.
Wir waren schon wieder lange unterwegs.
Die Dämmerung hatte schon zweimal eingesetzt und nun war es schon zum dritten Mal seit unserer Abreise soweit.
Es wurde Zeit, bald einen Schlafplatz zu finden.
Ich fühlte mich sehr müde und schwach.
Und irgendwie… hungrig.

In den Taschen der Leiche fanden wir zwei Brötchen, Fleisch und einen Brief.
Dazu noch viele leere Blätter.
War es ein Schreiberling?
Oder gar ein Kurier?
Ich war mir nicht sicher, doch das Siegel des Briefes war noch unbeschädigt.

Wir nahmen auch den Mantel.
Der Tote würde ihn nicht mehr brauchen.
Tahn hingegen schon.
Er leistete keinen Widerstand dagegen. Wahrscheinlich war ihm bereits kalt.
Sein Gambeson schien zwar warm zu halten, aber gegen Wind und Wetter half ein dicker Mantel einfach besser. Immerhin bedeckte er den gesamten Körper.

Ich beschloss, den Brief erst zu lesen, wenn wir einen Ort zum Schlafen gefunden hatten.
Sonst würden wir noch längere Zeit in der Finsternis und der Kälte verbringen.
Mein Mantel war leider noch nicht vollständig getrocknet und so war mir auch etwas kalt.
Schnee war mir wirklich lieber als dieser elendige Regen.

Als die Sonne nun endgültig hinter dem Horizont verschwand, liefen wir noch etwas schneller.
In der Ferne sahen wir die mit Fackeln beleuchteten Mauern einer Stadt.
Es kam mir bekannt vor.
Ich wusste, wo wir waren.
Und deswegen liefen wir an der Stadt vorbei… Denn dort befand sich eine Taverne.
Die Taverne hinter den Sümpfen.
Ich war froh, dass wir nicht zufällig den Weg durch die Sümpfe eingeschlagen hatten.
Das Sumpffieber wollte ich nicht noch einmal haben.
Auch, wenn ich nun das Gegenmittel kannte.

„Apfel?“
Tahn biss in einen seiner Äpfel und hielt ihn mir hin.
„Da.“
Ich nahm den Apfel, biss ebenfalls hinein und gab ihn ihm dann wieder.
Irgendwie schmeckte der Apfel seltsam.
Das lag vermutlich daran, dass es schon so kalt war.
Die verbliebenen Äpfel, die noch nicht verfault waren, hatten wahrscheinlich durch den Mangel an Sonne kaum Geschmack.
Doch Tahn schien sie trotzdem zu mögen.
Also startete ich noch einen Versuch.
„Was sollst du nicht essen?“
„Birnen.“, erwiderte er. „Aber Äpfel sind gut. Äpfel sind wichtig!“
Ich nickte langsam.
„Gut. Was hast du noch aufgeschrieben?“
„Ich bin Kreuzritter.“, erwiderte er.
„Und du hast Kind.“
Er nickte.
„Ja… Glaube ich.“
„Frau war schwanger, eh?“
„Das hat Einarr zumindest gesagt.“, antwortete Tahn.
Ich nickte.
„Und du bist länger weg. Länger als neun Monde?“, fragte ich.
Er streckte seine Hand aus.
„Ja. Länger.“
Da er zehn Finger zeigte, war er wohl auch schon länger als zehn Monde fort.
„Da. Dann hast du Kind.“, schloss ich daraus.

Ich lief mit Tahn auf das Tavernengebäude zu.
„Ist hier meine Frau?“, fragte er.
„Njet. Glaube ich nicht.“, erwiderte ich.
„Was machen wir dann hier?“
„Vielleicht finden wir hier Jemanden, der weiß wo Ort ist, zu dem du musst.“, erklärte ich ihm.
„Genau… Der Ort… Aber warum nochmal?“
„Da sind Anka und Peter. Die wissen, wo du nach Frau suchen musst.“
Er nickte zustimmend.
„Und wir können hier schlafen.“, fügte ich hinzu. „Dann müssen wir nicht in Wald schlafen.“
„Das ist gut.“, antwortete er.

Wir betraten die Taverne.
Hier war es angenehm warm.
Ich sah mich um, erkannte ein paar flüchtig bekannte Gesichter.
Und ich sah, dass am hintersten Tisch Dunkelelfen saßen.
Sie hatten den Tisch mit einem schwarzen Tuch bedeckt und im Allgemeinen sah es in der Ecke äußerst düster aus.

Tahn und ich suchten uns einen freien Tisch weiter vorne aus und setzten uns.
Das tat gut.
Ich war wirklich erschöpft.
Und hungrig.

Ich kramte den Brief aus meiner Tasche, brach das Siegel und öffnete ihn.
Es machte mich wirklich neugierig.
Was war das für ein Brief?
An wen war er gerichtet?
Was stand darin?

Werte Gyda,

ich habe Dir doch bereits von meiner Reise nach Nørskal erzählt.
Der Drache hat meine Reisegefährten und mich in die Flucht geschlagen.
Doch nun, nachdem ein Jahr vergangen ist, machen wir uns noch einmal auf den Weg.
Diesmal werden wir stärker sein!
Heretia und ihr Drache jagen uns diesmal keine Angst ein!
Für deinen Bruder Jerker hänge ich eine kleine gezeichnete Karte an.
Wenn er mit uns reist, wird er als wahrer Held nach Hause zurückkehren.

Bis bald, Kjer.

Ein Drache…
Über diese Wesen hörte man so viel…
Doch gesehen hatte ich noch keinen…
Wobei Eldarion ja behauptet hatte, dass das Wesen auf seiner Schulter ein Drache sei.
Irgendwie wusste ich nicht Recht, ob das stimmte.
Immerhin wurde ein Drache immer als extrem mächtiges, riesiges und gefährliches Wesen beschrieben…
Oder gab es verschiedene?

Der Drache, der in dem Brief erwähnt wurde, klang auf jeden Fall gefährlich.

Unter dem Text befand sich eine kleine gezeichnete Karte.
Ich warf einen Blick darauf.
Sie kam mir bekannt vor…
Viel zu bekannt.

Ich erinnerte mich an diese seltsame Burg voller Vampire.
Castell Lazar.
Ja. Das musste dieses Land sein.
Ich betrachtete zwei der eingezeichneten Markierungen.
Eine lag an der Grenze zu diesem seltsamen Land.
Die andere befand sich weit im Norden des Landes.
Nørskal hieß der Ort.
Darum ging es also in dem Brief.
Der Drache sollte sich dort befinden…
War es eine Reise wert?

„Tahn. Weißt du noch als wir auf Burg waren? Castell Lazar?“, fragte ich ihn.
„Ja, klar… Ich weiß gar nicht mehr, warum ich da war… Aber da hab ich dich kennengelernt.“, erwiderte er.
Ich seufzte.
Seine Erinnerungen wollten wohl einfach nicht wiederkehren.
Aber immerhin wusste er noch, dass er beim Castell Lazar gewesen war.
Und das war alles, was in diesem Moment zählte.
Also nickte ich einfach.
Vielleicht würde er sich ja irgendwann wieder an die Geschehnisse vor der Burg erinnern.
Vielleicht.

„Da. Weißt du noch wie Land aussah? Ödes Land. Trocken. Nicht viel Menschen oder Tiere, eh?“
Tahn nickte zögerlich.
„Geht in Brief wieder um dieses Land. Geht er wohl hin…“, überlegte ich laut.
„Wer?“
Ich sah zum Ende des Briefes.
„Kjer.“, murmelte ich.
„Wer?“, fragte Tahn erneut.
„Mann, der Brief geschrieben hat. Kjer.“
„Kier?“
„Njet. Kjer.“
„Kier?“
Wieder schüttelte ich den Kopf.
Er sprach es falsch aus.
K-J-E-R.“, wiederholte ich langsam.
„Kjer.“, gab Tahn zurück.
Es klang besser.
„Da.“, nickte ich zustimmend.
Zugegeben – es war ein seltsamer Name.
Aber er schien irgendwo aus dem Norden zu kommen.

„Ist auch egal wie Mann heißt. Er will gegen Drachen kämpfen… Weißt du was Drache ist?“, fragte ich ihn.
„Hm. Ja… Das sind so große… Äh. Mit Feuer.“, erwiderte er – schien sich aber auch nicht sicher zu sein.
Ich selbst hatte auch noch nie einen Drachen gesehen… Zumindest soweit ich wusste.
Ich war neugierig.

„Wollen wir hin gehen?“, fragte ich Tahn dann.
Vielleicht würde er mich ja tatsächlich begleiten.
„Warum? Ist da meine Frau?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Njet. Denke nicht. Aber ist Drache. Können wir Drache jagen!“
„Kann man gut verkaufen?“, fragte Tahn.
„Da. Bestimmt!“
Ich war mir eigentlich ziemlich sicher.
„Hm… Kupfer ist gut.“, überlegte Tahn.
Ich nickte.
„Können wir dann Kupfer verdienen! Kann auch sein, dass wir dort erfahren, wo Personen sind, die dir sagen wollten, wo Frau ist!“

Es war also eine beschlossene Sache.
Wir würden uns auf den Weg nach Nørskal machen, dort etwas Kupfer verdienen und einen Drachen sehen und dann Anka und Peter treffen, um herauszufinden, was mit Tahns Frau ist. Oder besser: Wo Tahns Frau ist. Und sein Kind.

Tahn legte ebenfalls ein paar Zettel auf den Tisch – darunter die letzte Ausgabe der „blauen Feder“ und die Zettel, die er selbst beschrieben hatte.
Er legte die Brötchen auf den Tisch, die wir von dem leblosen Körper am Wegesrand mitgenommen hatten.
Eins nahm er in die Hand.
Ich sah ihn an.
„Äh. Darf ich?“, fragte er.
Ich nickte.
„Gut.“, lobte ich ihn.
Das hatte er also auch nicht vergessen.

Da kam mir eine Idee.
„Tahn. Willst du noch etwas schreiben?“, fragte ich ihn.
„Hm. Ja. Gut?“
Er legte den Zettel vor sich, auf dem bereits „Ich soll keine Birne essen.“, „Ich bin ein Kreuzritter.“ und „Meine Frau war schwanger.“ stand.
Aus seiner Tasche suchte er sich einen Stift und sah mich erwartungsvoll an.
„Was denn?“, fragte er.
„Ich gehe nicht mehr nach Moordorf.“, diktierte ich.
Er sah mich verwirrt an.
„Fang an mit ‚Ich‘.“

Während er schrieb, kamen zwei Personen zu unserem Tisch, die mir bekannt vorkamen.
In der Taverne bei Anrea hatte ich sie schon öfter gesehen.
Und auch hier, bei der Taverne hinter den Sümpfen.
Doch ihre Namen wollten mir nicht einfallen.
„Ich sehe, ihr habt eine Ausgabe der blauen Feder.“, sagte die Frau und blickte auf den Zettel.
„Da. Haben wir von Roland gekauft.“, erwiderte ich.
„Wir haben hier die neue Ausgabe der blauen Feder!“, verkündeten sie und zeigten einen Stapel Blätter.
Es sah nach mehr zu lesen aus.
Ich blickte zu Tahn herüber.
Mehr zum Lesen und Schreiben üben für ihn.
Keine schlechte Idee.
„Wie viel?“
„Vier Kupfer.“, erwiderten sie.
„Da. Nehme ich eine.“, sprach ich und kramte vier Kupfermünzen aus meinem Beutel.
Bei den letzten Würfelspielen hatte ich immerhin genügend Kupfer verdient.
Warum sollte ich es dann nicht ausgeben?

Sie bedankten sich, überreichten mir die Zeitung und gingen wieder.

Tahn schrieb an dem Satz weiter.
Es dauerte eine Weile, doch er schaffte es.
Zwischendurch aßen wir die Brötchen, doch irgendwie schmeckten sie mir nicht.
Ich sah Tahn verwirrt an.
Wieso aß er sie so viel begeisterter als ich?
„Mh. Schmeckt dir das?“, fragte ich ihn.
„Ja. Ist gut.“, gab er zurück.
„Mh…“
Er sah mich an und betrachtete dann das Stück Brötchen in seiner Hand.
„Sind die schlecht?!“, fragte er schockiert.
Ich schüttelte den Kopf.
„Njet… Denke nicht. Finde ich nur, schmecken sie nach nichts.“
Er sah mich an.
Jetzt war es an ihm, den Kopf zu schütteln.
„Schmeckt nach Mehl.“, erwiderte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nicht?“, fragte er.
„Njet…“
Ich verstand das wirklich nicht.
Bei den Äpfeln war es genauso…
Sie schmeckten mir einfach nicht.
Und doch verspürte ich so großen Hunger.

Tahn sprach ein paar Personen an, die an unserem Tisch vorbeiliefen.
„Hey. Wonach schmeckt das?!“, fragte er.
Doch sie lehnten ab, in die bereits angebissenen Brötchen zu beißen.
Ich verstand das zwar nicht wirklich, aber ich wusste, dass manche Personen einfach ein wenig seltsam waren.

„Mh. Wollen wir uns etwas umsehen? Ich war schon mal hier…“
Tahn sah mich fragend an.
„Warum umsehen?“
„Will ich wissen, was hier los ist.“, erwiderte ich.
„Was ist denn hier los?“
„Deswegen will ich raus und schauen.“

Wir erhoben uns vom Tisch und verließen die Taverne.
Die Luft draußen war angenehm kühl, aber es war sehr windig.
Eine riesengroße Wiese lag vor uns.
Einzelne Bäume wuchsen aus der Erde empor.
Der Mond wurde von den Wolken am Himmel verdeckt.
Man konnte ihn nur erahnen. Sterne waren ebenfalls keine zu sehen.
Keine besonders schöne Nacht, aber immerhin wurde es hier im Süden auch langsam Winter.

Während wir ein wenig herumliefen, um uns umzusehen, wanderten meine Gedanken nach Falkenhain.
Wie es dort wohl gerade aussah?
Wie hoch der Schnee momentan lag?
Ob meine Eltern bereits genügend Tiere für den Winter erlegt hatten?
Ob sie genügend Holz gefällt hatten, um in den kalten Tagen ein Feuer zu machen?
Ich musste sie unbedingt mal wieder besuchen.
Vielleicht konnte ich ihnen ja für ein paar Tage bei der Arbeit helfen.

„Oh, was ist das?“, fragte Tahn.
Ich schreckte aus den Gedanken an meine Heimat.
Tahn war bei einer blühenden Pflanze stehen geblieben.
Sie kam mir nicht bekannt vor.
Und erst jetzt wunderte ich mich darüber, wie sie im Winter blühen konnte.
War es nicht schon längst zu kalt für blühende Pflanzen?
Genau das war Tahn auch aufgefallen.
Doch ich riet ihm, die Pflanze besser nicht zu berühren.
Eine Pflanze, die bei einer solchen Kälte noch blühte, war mit Sicherheit hochgiftig.

Wir liefen weiter und uns begegneten noch mehr Pflanzen.
Es war zwar bereits dunkel, doch die bunten Blüten leuchteten förmlich.
Sie bildeten einen starken Kontrast zur sonstigen Finsternis.

Bei einer Pflanze blieb Tahn wieder stehen.
„Was ist das?“, fragte ich.
So eine Pflanze war mir noch nie begegnet.
Sie hatte keine erkennbaren Stängel, Blüten, Knospen oder sonstiges. Auch keine Blätter.
Es war lediglich ein großes… Etwas.
Ich konnte es nicht wirklich beschreiben…
Ich verstand nicht, was ich da sah.
War das überhaupt eine Pflanze?
Es erinnerte mich eher an einen seltsam geformten Stein.

„Das habe ich in der Wüste schon gesehen! Das wächst eigentlich im Sand!“, erklärte Tahn.
„Im Sand?“, fragte ich. „Wie das? Ist aber Pflanze?“
Tahn nickte.
„Nicht anfassen, das tut weh.“
Ich näherte mich dieser seltsamen Pflanze.
Und jetzt sah ich auch, warum das Anfassen wehtat.
Diese Pflanze hatte ganz viele Stacheln.
„Das wächst in Wüste?“, fragte ich verwirrt. Ich konnte es kaum glauben. War es dort nicht immer extrem trocken?
„Ja, genau. In der Wüste. Im Sand.“
Tahn schien sich hieran erinnern zu können.
Nur wieso?

Er war sehr verwirrt und überlegte, wie die Pflanzen hierher gekommen sein könnten, doch ich konnte es ihm auch nicht beantworten.
Ich selbst war ja schon von den ganzen Laubbäumen verwirrt…
Und dann noch seltsam blühende Pflanzen.
Der Süden war schon speziell…

Wir setzten unseren Weg über die Wiese fort.
Eine Pflanze mit roten Blättern fiel uns auf.
Und ich erinnerte mich an sie.
Sumpffieber.

„Ahh. Die kenne ich noch.“, überlegte ich laut.
Ich erzählte Tahn von dem Sumpffieber und davon, wie der Alchemist uns mit Hilfe dieser Pflanze geheilt hatte.
Wir liefen wieder ein bisschen zu den Bäumen.
Ich lehnte mich an.
Ich war müde.
Ich hatte Hunger.
Irgendwie fühlte ich mich einfach seltsam.

„Was ist?“, fragte Tahn. „Wir schlafen doch nicht wieder im Wald, oder?“
„Njet.“, gab ich schwach zurück. „Mh. Geht mir nicht gut… Irgendwie.“
„Warum?“. Er musterte mich.
„Weiß ich nicht.“.
Ich wusste es wirklich nicht.
Doch irgendetwas in mir schrie nach Nahrung.
Hunger.
Und das, obwohl ich ja gegessen hatte.
Hunger.
Ich blickte in Richtung Himmel. Was war nur los mit mir? Das Gefühl kam mir irgendwie bekannt vor.
Hunger.
„Hast du dieses Sumpffieber?“, fragte Tahn.
Hunger.
Ich sah zu ihm.
„Ich hoffe nicht.“
Du weißt doch, wie das schmeckt.
„Aber… Bin ich nicht sicher.“, fügte ich hinzu.
Es schmeckt köstlich. Das weißt du doch. Du hast doch Hunger.
„Wie findet man heraus?“
Du bist hungrig, oder nicht?
Tahn zog seinen Handschuh aus und legte seine Hand auf meine Stirn.
Ich tat es ihm gleich.
Meine Stirn fühlte sich kalt an.
Genauso kalt wie meine Hand. Und wie seine Hand.
Du weißt doch, wie du deinen Hunger stillen kannst.
Ich nahm seine Hand.
Ein Zittern fuhr durch meinen Körper.
Dann biss ich zu.
Blut.
Warmes, leckeres Blut.
Aber ich wollte doch das Fleisch.

Er schubste mich. Ich landete am Boden.
Lass es nicht zu! Er schmeckt doch so lecker! Du tust ihm nicht weh!
„Tahn!“, rief ich empört und rappelte mich wieder auf.
Ich nahm noch einmal seine Hand, biss herein.
Fester.
Es war lecker.
Wieder schlug er mich zu Boden.
Und haute ab.

Ich sah, wie er in Richtung Taverne lief.
Nachdenklich setzte ich mich zwischen die Bäume.
Aufgrund der Kälte und des starken Windes wickelte ich mich in den Mantel ein.
Ich blieb starr dort sitzen.
Ich musste nachdenken.

So etwas Leckeres kann man doch nicht gehen lassen.
Ich verstand das alles nicht.
Wieso schmeckt das so gut?
Was ist falsch daran?
Es ist ein Mensch… Ist es normal, Menschen zu essen?
Menschen sind doch auch nur Tiere.
Aber… Aber warum lässt er mich dann nicht?
Er versteht es nicht. Aber du darfst nicht aufgeben. Er versteht nicht, wie gut das schmeckt.

Ein Mann lief zu mir.
Die Kapuze seines Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen und die Dunkelheit trug ihren Teil dazu bei, dass ich ihn nicht erkennen konnte.
Seine Stimme kam mir auch nicht bekannt vor.
„Was macht Ihr hier alleine im Wald?“, fragte er mich.
Ich sah zu ihm auf.
„Ihr seid doch auch alleine im Wald.“, erwiderte ich.
„Das stimmt. Aber ich sitze nicht bei einer solchen Kälte am Boden.“
„Da.“, erwiderte ich. Da hatte er Recht. „Ach. In Heimat ist kälter.“
„Ich habe gesehen, dass Ihr vorhin Streit mit Jemandem hattet.“, sprach der Mann.
Ich nickte.
„Warum?“
„Er hat mich gehauen. Verstehe ich nicht ganz, warum.“, erklärte ich.
Das verwirrte den Mann.
„Dabei ist er doch so lecker…“, murmelte ich nachdenklich.
Hatte ich das laut gesagt?
„Was?“, fragte der Mann.
Was sollte ich darauf antworten.
Ich erhob mich.
„Hatte ich Hunger.“, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
„Und Ihr habt ihn… gebissen?“, fragte der Mann.
„Da.“, gab ich zurück.
„Man kann doch andere Sachen essen… Keine… Menschen.“
Der Mann wirkte verunsichert.
Als ich aufstand, lief er ein paar Schritte zurück.
Schwaches Mondlicht blitzte durch die Wolken.
Ich erkannte, dass er seine Hand an der Waffe hatte.
„Ich tue doch keinem was.“, versuchte ich mich zu rechtfertigen.
„Aber Ihr tut ihnen weh.“
„Aber das hilft mir doch… Wenn Ihr großen Hunger hättet…“
„… Dann würde ich irgendwas anderes essen.“, ergänzte er.
„Aber alles andere stillt Hunger nicht. Alles andere schmeckt nach nichts.“
Der Mann ging weiter rückwärts.
„Müsst Ihr nicht Angst haben vor mir.“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
Der schmeckt bestimmt auch köstlich.
„Ich will nicht gebissen werden.“
„Aber passiert doch nichts Schlimmes. Ihr würdet mir damit helfen!“
„Ich will Euch nicht helfen… Nicht so.“
Ich seufzte.

Etwas Anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Oder besser: Jemand Anderes.
Es war Tahn.
Er kam wieder in meine Richtung.
Seine Hand war verbunden.
Ich lief auf ihn zu und vergaß den Mann, der sich von mir entfernt hatte.
Das war nicht mehr wichtig.

Ich erwartete schon, dass Tahn wieder vor mir weglief. Doch er tat es nicht.
„Warum hast du mich gebissen?“, fragte er vorwurfsvoll. Er hatte es nicht vergessen.
Ich sah auf seine Hand.
Blut.
Ein Verband.
Siehst du? Es ist schon wieder gut. Wieder heile. Du tust niemandem etwas.
Ich streckte meine Hand nach seiner aus, doch er zog sie zurück.
„Nein! Lass das!“
„Du hast mich doch auch gebissen.“, erklärte ich.
Er zögerte.
Er schien sich zu erinnern.
Ich nutzte den Moment, nahm die andere Hand und biss in seinen Arm.
Er schubste mich zurück und wieder landete ich auf dem Boden.
„Heeeey. Aua! Lass das!“, murrte er.
Die umstehenden Personen waren verwirrt.
Sie verstanden nicht, was da passierte.
Als ich mich wieder erhob, hatten sich ein paar Leute zu mir gestellt.

Ein etwas beleibterer Mann sah mich direkt an.
Er kam mir bekannt vor.
Und ich ihm.
Er gehörte zu dieser seltsamen Miliz.
Er war einer dieser Männer, die mich festgehalten hatten…
Aber warum?
Irgendwas… Irgendwas war doch hier passiert?
Ich sah zu Tahn, dann wieder zu dem Mann der Miliz.
„Ah. Die Dame kennen wir doch noch.“, sprach der Mann und sah die anderen Männer an.
Gehörten sie etwa alle dazu?
Und wovon hatten sie mich abgehalten?
Warum hatte ich so schlechte Erinnerungen an sie?

Doch sie schienen sich nicht weiter darum zu kümmern.
„Hey. Anastasya!“, rief eine andere Stimme.
Ich sah mich um.
Marder.
Er wies mit der Hand und hielt mich dazu an, zu ihm zu kommen.
Ich folgte der Anweisung und stellte mich zu ihm an den Tisch.
„Anastasya. Es gibt bald Arbeit.“, sprach er zu mir.
Ich sah ihn fragend an.
Er erklärte mir, was los war.
Ich nickte.
Bald.
Bald würde es wohl wieder Kupfer geben.
Das gefiel mir.
Aber noch nicht jetzt…

Als alles besprochen war, entfernte ich mich wieder von ihm.
Tahn lief gerade an mir vorbei und ich blickte ihm nach.
„Anastasya. Wie lange willst du noch mit diesem Idioten rumlaufen?“, fragte Marder mich.
Ich sah ihn an.
„Weiß nicht. Schmeckt er gut…“, erwiderte ich.
Marder sah mich verwirrt an.
„Was?! Anastasya. Du bist komisch.“

Als ich den Kopf etwas zur Seite drehte, sah ich auf einmal Jemanden…
Es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Ein eiskalter Schauer – dabei war es doch schon kalt draußen.
Ich atmete tief ein.
Mein Körper begann zu zittern.
Es gab nur einen Weg.
Eine Richtung: Fort.

Ich lief.
Ich bemerkte kaum, wohin, aber ich lief.
Zuerst langsam.
Vielleicht hatte er mich noch nicht gesehen.
Ich drängte mich an ein paar Personen vorbei.
Ich lief an der Taverne vorbei.
Dort war es dunkel.
Vielleicht sah man mich hier nicht.
Ich lief weiter.
Vorbei an ein paar Büschen.
An irgendetwas erinnerte es mich.
Es erinnerte mich… Und schmerzte.
Warum?
Warum wusste ich nicht, was es war?
Was war es, das mir solche Schmerzen zufügte?

Ich blieb stehen.
Ein Meer von Gefühlen drohte mich zu ertränken.
Doch das war ein Fehler.
Er stand bald hinter mir.
„Njet!“, rief ich verzweifelt. „Was möchtest du?“
„Anastasya! Was ist denn?“
Ich lief weiter.
Angst.
Pure, nackte Angst.
Ich hörte, dass er mir hinter her lief.
Doch ich blieb nicht stehen.
Meine Schritte wurden schneller.
Ich durfte keine Zeit verlieren.

Bald kam ich zu der Baumreihe, bei der ich vor wenigen Augenblicken noch mit Tahn gestanden hatte.
Ich sah mich um.
Er kam auf mich zu.
Eine Gestalt im Schatten.
Er musste es sein.
Wer sonst sollte mir gefolgt sein?

„Bleib stehen!“, rief ich ihm entgegen.
Meine Stimme zitterte.
Er wird es wieder zu mir lassen.
„Was hast du gemacht?!“. Es klang eher verzweifelt als vorwurfsvoll.
„Ich habe nichts gemacht, Anastasya.“, erwiderte er.
Die Stimme war so vertraut…
Und doch jagte sie mir große Angst ein.
Aber er blieb stehen.
Er hörte auf meine Bitte…
Nur wieso?
Warum tat er das?
Was hatte er denn vor?

„Warum hast du es zu mir gelassen?“, fragte ich weiter.
„Was zu dir gelassen?“
Er wirkte wirklich verwirrt.
Das spielt er nur. Er weiß genau, was er gemacht hat.
„Das… Ding.“
Mir war schwindelig.
Der Boden war so einladend… So sicher.
Ich ging in die Knie.
Der Boden war kühl.
Der Boden stützte mich.
Die Welt schien es nicht mehr zu tun.

„Ich verstehe das nicht!“, rief ich laut.
Tränen stiegen in meine Augen.
Erinnere dich! Das Ding. Es war doch furchteinflößend, oder nicht?
„Warum hast du dieses… dieses stinkende, fürchterliche Wesen zu mir gelassen…? Ich… Ich verstehe nicht. Warum? Was möchtest du?“
„Ich habe gar nichts zu dir gelassen, Anastasya.“, erwiderte er ruhig.
Ich drückte meinen Kopf auf den kühlen Boden.
Mir tat alles weh.
„Ich verstehe nicht…“, wiederholte ich leiser.
„Das, was du meinst hat dir geholfen…“, erklärte er. Seine Stimme klang sanft. „Schon zweimal.“
Ich hob langsam den Kopf, sah ihn aber nicht an.
Ich fürchtete mich davor.
„Aber… Aber es war so… Fürchterlich.“, widersprach ich. Ich war mir selbst nicht mehr sicher.
„Was spürst du, wenn du daran denkst?“, fragte er mich.
„Angst.“, erwiderte ich sofort.
Dann erst dachte ich über die Frage nach.
Was fühlte ich?
Es war seltsam.
Und ich war so hungrig…

Ich sah wieder zu Boden.
Plötzlich rollte etwas zu mir.
Ich erschrak.
Was war das?
Ich blinzelte.
„Er kann es dir erklären. Vielleicht willst du lieber mit ihm sprechen.“
Es war der Schädel.
Unsicher drehte ich den Kopf zu ihm.
„Njet… Das… Das meine ich nicht.“, murmelte ich leise. „Ich… Ich verstehe einfach nicht. Und… Ich habe Hunger.“
Akri nickte.
„Ich weiß.“
Er verstand mich… Irgendwie.
Wusste er, warum ich hungrig war?
Natürlich… Er musst es wissen…

„Ist hier noch ein Kannibale?“, hörte ich auf einmal Jemanden fragen.
Ich sah mich um.
Zwei Personen waren an uns herangetreten.
Akri stellte sich zwischen mich und die beiden Leute.
Ich blieb am Boden sitzen.
„Nein, hier ist kein Kannibale. Seid ihr also Kannibalen, weil ihr gefragt habt, ob hier auch einer ist?“
Die beiden schüttelten den Kopf.
„Nein, uns wurde nur gesagt, dass hier bei den Bäumen eine Kannibalin sitzen soll.“
Ich spürte, wie ihre Blicke auf mir ruhten.
Ich fühlte mich unwohl.
„Wer hat das gesagt?“, fragte Akri sofort.
„Ein Mann mit langen Haaren und blonder Kleidung.“
Akri nickte.
„Holt den her, bitte.“
Damit verschwanden die beiden.
Akri drehte sich wieder zu mir um.
„Anastasya. Du erregst Aufmerksamkeit.“, sprach er. Ich wusste nicht, ob sein Ton vorwurfsvoll, besorgt oder drohend klang. Vielleicht eine Mischung aus allem.
Ich schwieg. Was sollte ich darauf auch antworten?

Bald näherte sich Tahn uns.
Ich wand mich zu ihm um.
Warum?
Warum kam er zurück?
Da… Da ist er wieder. Er schmeckt so lecker… Und der Hunger ist so groß!
Zwei andere Personen liefen hinter ihm her.
Sie stellten sich vor mich.
Einer von ihnen trug einen knöchernen Schädel als Maske.
Das konnte ich trotz der Dunkelheit erkennen.
Das Gesicht des anderen allerdings blieb für mich unsichtbar.
Dafür war es zu dunkel… Und auch er trug die Kapuze seines Mantels tief im Gesicht.

Der Hunger ist noch da, oder?
Sie sprachen über mich.
Siehst du das nicht? Da sind noch drei. Von einem weißt du, dass er schmeckt.
Ich hörte, wie sie über das sprachen, was nicht mit mir zu stimmen schien.
Was glaubst du, wie die anderen beiden schmecken? Bestimmt auch gut.
Ich starrte zu den beiden herüber.
Du musst doch Essen, um zu überleben.
Die Worte „Seelenstein“, „Ghul“, „Nurgle“ und „Untote“ fielen.
Höre nicht auf sie.
Sie redeten auf jeden Fall über mich.
Du weißt, dass du Essen brauchst, um zu überleben.
Ich konnte die Stimme nicht abschalten.
Ich hörte sie…
Es war… Irgendwie meine eigene Stimme.
Hunger.
Ich konnte nichts dagegen tun.
Beiß sie doch einfach. Oder Tahn. Er schmeckt gut.
Und es stimmte sogar.
Die Stimme log nicht.
Ich log nicht.
Ich hatte Hunger.
Was konnte mir helfen?
Essen.
Jeder Mensch brauchte Essen, um zu überleben.
Du machst nichts Falsches. Du isst sie ja nicht auf. Sie sterben davon nicht.
„Haltet Ihr sie fest, wenn wir etwas machen?“
Ich schreckte auf.
Festhalten?
Etwas machen?
Was machen?
Worüber hatten sie geredet?
Warum hatte ich nicht zugehört?
„Ich werde sie nicht festhalten.“, erwiderte Akri. „Sie muss selbst entscheiden, ob sie das will.“
„Könnt Ihr sie fragen?“
„Sie kann selbst reden.“, gab Akri zurück.
Ich sah zu dem Mann, der die Frage gestellt hatte.
„Musst nicht in dritte Person reden.“, sprach ich ruhig.
Ich hasste es, wenn Menschen das taten.
Was sollte das?
Ich saß doch direkt vor ihnen.
„Wir können nachschauen, was das ist.“, erklärte der Mann.
„Das wissen wir.“, sprach Akri dann.
Was wusste er?
Worum ging es?
Nachschauen, was was ist?
Warum hörst du denen überhaupt zu? Die wollen Böses. Die lassen dich nicht deinen Hunger stillen.
„Ich habe Hunger…“, murmelte ich gedankenverloren.
Genau. Hunger…

Einer der Männer nahm eine Flasche in die Hand.
Die Flüssigkeit darin war rot.
„Trink das.“
Er hielt mir die Flasche hin.
„Njet! Ich habe Hunger und nicht Durst!“, protestierte ich.
Was war das überhaupt?
„Blut wird deinen Hunger stillen.“
Blut?
Warum hatte er Blut in dieser Flasche?
Warum sollte mir das helfen?
Doch als er es mir hinhielt, sah ich seine Hand. Den Arm. Das Fleisch.
Ob er genauso gut schmeckt?
Ich biss hinein.
Er zog die Hand zurück.
Ich spürte etwas hinter mir.
Langsam drehte ich den Kopf.
Marder.
Er hatte seine Schusswaffe auf mich gerichtet.

„Nimm die Waffe da weg.“, sprach Akri drohend. Wirklich drohend.
Marder zögerte.
„Wenn du auf sie schießt, dann hast du ein ganz großes Problem.“, setzte Akri fort.
Warum half er mir?
Wieso schützte er mich?
Hatte ich das mit diesem… seltsamen Wesen nun doch nur geträumt?

Marder nahm die Waffe weg.
Der Mann hielt mir die Flasche erneut hin.
„Trinken.“, forderte er mich auf.
Ich seufzte und setzte die Flasche an die Lippen.
Warum machst du das?
„Das ist Lykanthropen-Blut.“, sprach der Mann. Ich gab ihm die Flasche zurück.
Es schmeckte seltsam.
Was für ein Blut?
Was sollten denn Lykanthropen sein?
Ich senkte den Kopf wieder in Richtung Boden.
„Schmeckt komisch.“, murmelte ich verwirrt.
„Das ist hilfreich für lange Reisen.“, erwiderte der Mann.
Er sprach so, als sei es etwas vollkommen Normales.
Trank er also öfter Blut?
War es also auch normal, Menschenfleisch essen zu wollen?
Es wirkte ganz so.
Siehst du, du machst nichts Falsches.

Doch der Hunger schwand.
Es schien zu helfen.
Irgendwie.
Auch, wenn es wirklich komisch geschmeckt hatte.

Wir beschlossen, uns an eins der Feuer zu setzen.
Der Wind war wirklich kalt.

Akri ging voran und führte uns zu einer Feuerstelle, an der bereits einige bekannte Gesichter saßen.
Ein paar Personen der Söhne Hraggstalls.
Ich erkannte Ari. Die Namen der anderen wusste ich nicht.
Dann sah ich noch Galador.
Die übrigen Personen waren mir nicht bekannt.

Tahn und ich stellten uns ans Feuer, wobei Tahn etwas Abstand von mir nahm.
Wahrscheinlich traute er mir nicht wirklich…
Und ich verstand gar nicht, warum.
Immerhin war ich ehrlich zu ihm gewesen.
Er schmeckte gut und warum sollte er das nicht erfahren?
Er hatte doch selbst gefragt, warum ich ihn gebissen hatte.

Galador schien sich auf Akri zu konzentrieren, denn er sah mich nicht.
„Und? Hast du es entfernt bekommen?“, fragte er Akri.
„Nein, nicht wirklich.“, erwiderte dieser.
„Hm. Dann hilft wohl nur noch umbringen.“
Ich war nicht sicher, ob das als Scherz gemeint war.
Ich hoffte es.
„Njet! Nicht töten.“, protestierte ich.
Galador drehte sich zu mir um und grinste.
Ich war mir nicht mehr sicher, ob er mich vorher gesehen hatte.
Wenn dem so war, dann wollte er mich wahrscheinlich nur ärgern.

Ich wärmte mich etwas am Feuer.
Wir kamen mit einem Mann ins Gespräch, der links neben mir auf einem Holzstamm saß.
Er trug einen Hut auf dem Kopf und wirkte ziemlich groß.
Kam er aus dem Süden?
Ich konnte es schlecht einschätzen.
„Und du hast Jemanden gebissen?“, fragte er.
Ich erkannte, dass er genau wie Tahn einen Verband an der Hand trug.
„Aber wer hat dich gebissen? War ich nicht!“
Er schüttelte den Kopf.
„Das war ein Vampir.“, erklärte er.
Vampir?
Castell Lazar…
„Aber… beißen Vampire nicht in Hals?“, fragte ich verwirrt.
„Ja, eigentlich schon…“, entgegnete er.
„Mh. Vielleicht wusste Vampir noch nicht, wie das geht.“, überlegte ich. „Vielleicht ist noch nicht lange Vampir.“
„Ah ja. Habt Mitleid, der Vampir lernt noch!“. Edward lachte.
Ich mochte ihn.
Er war nicht so ernst.

„Ich war einmal auf einem Feldzug und-„
„Kreuzzug?“, unterbrach Tahn ihn.
Der Mann hielt inne und musterte Tahn kurz.
Dann wies er auf das kleine Kreuz, das Tahn an der ersten Schnalle seines Gambesons trug.
„Ah!“, machte er und zeigte dann auf das etwas größere Kreuz, das er um den Hals trug.
Tahn beobachtete ihn aufmerksam.
Sie begannen, sich zu unterhalten.
Sie sprachen über Kreuzzüge, Kreuzritter und Gott.
Ich hatte Tahn schon öfter darüber reden hören, doch nun hatte er scheinbar endlich Jemanden gefunden, der etwas Ähnliches gemacht hatte.
War dieser Mann etwa auch einer von diesen Kreuzrittern?

Ich lauschte ihrem Gespräch, auch, wenn ich nicht alles verstand, was sie sagten.
Dann kramte Tahn die Münze heraus, die von dem Ort stammte, an dem er Anka und Peter treffen sollte.
Allem Anschein nach hatte dieser Mann ein Schiff.
Wenn der Mann viel durch die Gegend segelte, dann kannte er vermutlich viele Orte.
„Vielleicht weiß Polly etwas darüber.“, überlegte der Mann.
Polly.
Sie kam mir doch bekannt vor?!
War sie hier?
Ich sah mich um.
Der Mann erhob sich und führte Tahn zu der Frau.
Es war tatsächlich die Polly, die ich kannte.
Die, die beim Castell Lazar eine brennende Kugel abbekommen hatte.
Ich begrüßte sie.
Es freute mich, dass sie da war.

Tahn sprach nun auch mit ihr über den Ort und zeigte ihr die Münze.
Ich setzte mich wieder ans Feuer, um mich zu wärmen.
Und ich starrte in die Flammen.
Was würde nun passieren?
Würden wir dennoch nach Nørskal reisen?

Der Mann setzte sich wieder hin.
Ich fragte ihn nach seinem Namen.
„Edward Diegen.“, sprach er.
Ich nickte und versuchte, mir den Namen zu merken.

Die anderen Personen verhielten sich mir gegenüber etwas zurückhaltend.
Sie wirkten besorgt… Nein, eher ängstlich.
Vermutlich befürchteten sie, dass ich sie essen wollen würde.
Doch dieses seltsame Blut hatte meinen Hunger tatsächlich irgendwie gestillt.

Ein paar dunkle Gestalten liefen an uns vorbei zu einem leuchtenden Stein, der sich direkt am Eingang zu dieser Taverne befand.
Blut.
Was passierte da?
Wir beobachteten die Gestalten.
Einer der Männer schnitt sich in die Hand – zumindest soweit ich das aus der Ferne beurteilen konnte.
„Ist keine gute Idee…“, murmelte ich.
So etwas endete doch immer in Katastrophen…
Und warum tat er das überhaupt?
Warum sollte man sein Blut freiwillig auf einem leuchtenden Stein verteilen?

Auf einmal begann der Stein zu qualmen.
Dicke Rauchschwaden stiegen nach oben.
Edward, Tahn und ich beschlossen, etwas Abstand zu nehmen.

„Ahhh, ich finde, dieser Baum hier ist auch viel schöner als das Feuer.“, murmelte ich und musste mir ein Lachen verkneifen.
Das war seltsam…
Die anderen beiden lachten ebenfalls etwas.
Wahrscheinlich eher ein nervöses Lachen.
Wahrscheinlich, weil wir nicht wussten, was passieren würde.
Also beobachteten wir das Ganze aus der Ferne.
Und kamen wieder ins Gespräch über Christen, Kreuzzüge und Schiffe.
Schiffe, weil Edward allem Anschein nach ein Schiff besaß.
Er war wohl so etwas wie ein Kapitän… Aber nicht ganz.
Ich wusste nicht, wie man das nannte, was er tat.
Aber er hatte ein Schiff.
Und das war sicher nützlich.

Tahn versuchte ihn zu überreden.
Er wollte etwas über den Ort herausfinden, an dem Anka und Peter ihn treffen wollten.
Wir beschlossen, uns in die Taverne zu setzen.
Dort war es immerhin warm und sicherer als hier draußen.
Wer wusste schon, was mit diesem seltsamen Stein geschah?
Und mit dem Mann, der sein Blut darauf verteilt hatte.

Wir setzten uns an einen Tisch. Eine Frau, die Edward kannte, gesellte sich zu uns.
Tahn reichte ihr die Münze.
Sie kannte den Ort.
Man erreichte ihn wohl am besten über das Wasser.
Also brauchten wir doch ein Schiff.

Edward war aufgestanden, um sich etwas zu essen zu holen.
„Wie ist Name?“, fragten wir sie.
„Carmen.“, erwiderte sie. „Und eure?“
„Ich bin Tahn.“, sprach Tahn.
„Anastasya.“, gab ich zurück.
Sie nickte.
Dann nahm sie einen Zettel heraus.
Edward kam mit einer Holzplatte voller Essen zurück zum Tisch.
„Diegen, kann ich bei dir mitfahren? Dann können wir die beiden nach Trumm bringen.“
„Ja, das sollte kein Problem sein.“, erwiderte Edward.
Ich verstand nicht ganz, warum diese Frau ihn mit seinem Nachnamen ansprach.

„Müssen wir aber erst woanders hin.“, warf ich ein.
Nørskal.
Ich wollte diesen Drachen unbedingt sehen.
Und Tahn wollte Kupfer verdienen.
Warum also nicht?
„Können wir auch später mit Schiff reisen?“
Carmen schien darüber nachzudenken.
„Anastasya und Tahn, richtig?“
Wir nickten.

Sie schrieb unsere Namen auf einen Zettel.
Darunter noch etwas anderes.
Dann überreichte sie den Zettel Tahn.
„Das hier ist der Name des Schiffes.“, erklärte sie und deutete auf den Namen, der unter unseren stand.
„Wenn ihr nach Trumm reisen wollt, dann müsst ihr den Zettel einfach vorzeigen. Dann könnt ihr mitfahren.“
Wir nickten.
„Habt Dank!“
Ich verstand nicht, warum sie so nett zu uns war.
Aber das war sehr wertvoll.
Wir hatten nun also eine Möglichkeit, nach Trumm zu kommen.
Dorthin, wo Anka und Peter Tahn treffen wollten.
Dorthin, wo wir endlich herausfinden würden, wo Tahns Frau war.

Edward bot uns etwas von seinem Essen an.
Ich lehnte ab.
Ich wusste ja leider, dass es mir nicht besonders schmecken würde.
Doch Tahn nahm die Weintraube an, die ihm angeboten wurde.
Er steckte sie sich in den Mund.
Ich sah ihn böse an.
„Tahn?!“
Er sah mich an.
Seine Augen wurden ganz groß.
Schockiert und traurig zugleich.
„Oh! Hätte ich das nicht essen dürfen?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf und seufzte.
Sonst hatte er mich doch immer gefragt.
Warum jetzt nicht?

Ich sah ihn an.
Hatte er schon einmal eine Weintraube gegessen?
Ich wusste es nicht.
Ich hoffte nur, dass nichts Schlimmes passieren würde.
Eigentlich hoffte ich, dass rein gar nichts passieren würde.
Das war mir nämlich am Liebsten.

Er sah mich an.
Sein Blick veränderte sich… Ganz so, als könnte er nicht mehr scharf sehen.
Und er lachte seltsam.
„Tahn, alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Jaaaa…“, erwiderte er.
Er wirkte… Seltsam. Aber nicht sonderlich schlimm.
Und solange er mich noch erkannte, war es ja in Ordnung.

Je länger ich darüber nachdachte, desto eher wirkte es so, als sei Tahn betrunken.
War die Weintraube vergoren?
Hatte er zu viel Metka getrunken.
Ich warf einen Blick zu der Flasche, die ich auf den Tisch gestellt hatte.
Zwei oder Dreimal hatte ich sie schon rumgehen lassen.
Vielleicht setzte die Wirkung erst jetzt ein?

Nichtsdestotrotz begannen wir, Würfelspiele zu spielen.
Pferd und Kutsche.
Beim letzten Abend in Moordorf hatte ich das Spiel wirklich lieben gelernt.
Ich hatte so viel Kupfer gewonnen.
Das gefiel mir.
Das konnte gerne wieder genauso passieren.

Wir spielten und spielten.
Tahn ging es bald wieder besser.
Runde um Runde würfelten wir und ich gewann recht häufig.
Tahn dagegen schien kein Glück zu haben.
Er verlor wirklich oft und ärgerte sich.
Doch Edward und er schienen sich gut zu verstehen, denn sie wetteten oft ein zusätzliches Kupfer gegeneinander und lachten viel.
Bald begannen wir, das Spiel vollkommen absurd zu spielen.
Wir wollten das Spiel immer mit fünf gleichen Würfelaugen gewinnen.
Und so lachten und lachten wir immer mehr, auch, wenn wir nun öfter verloren.

Als ich einmal einen Sechserpasch gewürfelt hatte, gab Edward mir eine Silbermünze.
Er hatte es nicht glauben können und bezeichnete mich fortan als Hexe.
Ich ließ mich davon nicht beeindrucken.

Zwischendurch ließ ich meinen Blick durch die Taverne streifen.
Am Tisch gegenüber saßen zwei Personen. Eine davon kam mir irgendwie bekannt vor. Die andere schien noch sehr jung zu sein. Ein Kind.
Ich sah die Frau an. Sie hatte kurzes, dunkles Haar und spitze Ohren.
Wieso kam sie mir so bekannt vor?
Ein Name schwirrte in meinem Kopf.
Ida.
War das die Kenderin?
Ich war ihr doch schon öfter begegnet.
„Hallo.“, sagte ich als die Frau zu mir sah.
„Hallo.“, erwiderte sie höflich.
Doch sie schien etwas verwirrt zu sein.
Vermutlich erkannte sie mich nicht.
Tahn sah sich um. Er wollte wissen, wen ich angesprochen hatte.
„Wer ist das?“, fragte er.
„Ida?“, sprach ich, war mir aber nicht sicher.
Die Frau schüttelte den Kopf. „Lilith.“, gab sie zurück.
„Kenderin?“, fragte ich.
„Nein.“, gab sie zurück. Sie wirkte fast schon empört.
„Elfe?“, warf Edward ein.
Sie nickte.
„Ah. Verzeiht. Glaube habe ich verwechselt Euch.“
Es war mir wirklich peinlich.
Wie konnte ich eine Kenderin mit einer Elfe verwechseln?
Ich hoffte, dass sie es mir nicht übel nahm.
Doch sie lächelte.
Lilith also.
Ein hübscher Name.

Wir würfelten weiter.

„Alle fähigen Kämpfer müssen nach draußen. Wir brauchen jede kampffähige Frau und jeden kampffähigen Mann.“
Wir drehten uns in Richtung der Stimme.
Ich konnte nicht erkennen, welcher der herumstehenden Männer gesprochen hatte.
Was war da draußen nur los?
Wieso brauchten sie Kämpfer?
Was hatten sie dort draußen angestellt?
Oder fürchteten sie sich einfach vor etwas?
Oder vor Jemandem?

Wir spielten die Rune zu Ende und beschlossen dann, uns draußen umsehen zu gehen.
An einer Ecke der Wiese standen unglaublich viele Personen.
Ein paar kamen mir bekannt vor, ein paar gar nicht.
Doch es passierte nichts.
Wir blieben in einigem Abstand stehen.
Wir wussten nicht, was dort vor sich ging und vermutlich wollten wir es besser auch nicht wissen.
Vielleicht hing es ja noch mit dem Blut auf dem Stein zusammen?

Nach einigen Augenblicken des Abwartens beschlossen wir, wieder hinein zu gehen.
Kupfer gewinnen klang irgendwie besser als hier draußen auf irgendwas Schreckliches zu warten.
Und es waren ja allem Anschein nach genügend Krieger und Kämpfer hier.
Was sollte das also?

Wir setzten uns wieder und würfelten weiter.
Mehr und mehr Personen gesellten sich zu uns – darunter auch Azuna.
Azuna setzte sich und beäugte Tahn kritisch.
Sie schien ihn nicht sonderlich zu mögen.
„Was ist?“, fragte ich sie.
Sie war etwas empfindlicher, das hatte ich schon mitbekommen.
Aber an sich… keine unangenehme Person.
Außerdem mochte ich Galador und Sophia ja auch.
Azuna war einfach nur ein wenig strenger.

„Er war nicht besonders höflich zu mir.“, erwiderte Azuna.
Ich blickte zu Tahn.
„Ich will sie ja auch nicht ins Bett bekommen.“, gab er ehrlich zurück.
Ich starrte ihn fassungslos an.
Mir persönlich war es ja egal, aber in Anwesenheit einer adligen Frau so etwas zu sagen…
Das war vermutlich nicht die beste Idee.
Unangenehme Stille breitete sich aus.
Azuna war wütend.
Das konnte man sehen.
Ich versuchte, sie zu beschwichtigen.
„Das meint er nicht so. Hat er auch Frau und Kind Zuhause!“
„Das ist mir egal.“, erwiderte Azuna.
Sie war wirklich sauer.
Dann sah ich zu Tahn herüber.
„Sag am Besten nichts mehr zu ihr.“, murmelte ich.
Edward klinkte sich in das Gespräch ein.
„Einfach nur ‚Hallo‘ sagen.“, schlug er vor.
Er sah zu Azuna.
„Hallo.“, sprach er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Bring ihm Manieren bei, Anastasya.“
Ich nickte.
„Werde ich versuchen.“
Damit verschwand sie wieder.

Galador kam auch bald dazu und spielte mit uns.
Auch Azuna kehre zu dem Tisch zurück und spielte mit.
Zwischendurch kamen noch ein paar Fremde dazu und fanden ebenfalls Gefallen am Spiel.

Doch in der Hütte wurde es langsam wirklich warm und so beschlossen wir, mal wieder nach draußen zu gehen.
Tahn hatte nun fast alle seiner Kupfermünzen verloren und so hatten wir noch einen weiteren Grund, nach Nørskal zu reisen, um mehr Kupfer zu verdienen.
Ich hoffte, dass die Reise problemlos verlaufen würde.
Ein paar Äpfel hatte Tahn ja noch.
Er hatte auch Edward einen gegeben.
Sobald wir am nächsten Tag die Reise nach Nørskal antreten würden, konnte ich ihn ja nach Edward fragen.
Vielleicht erinnerte er sich an ihn.
Vielleicht stimmte das mit den Äpfeln ja.

Draußen war nun wesentlich weniger los.
Wir hatten vermutlich schon wirklich lange gespielt.
Wir liefen ein wenig über die Wiese.
Da kam uns ein kleiner Elf mit schwarzem Haar entgegen.
Er war tatsächlich kleiner als ich. Das beeindruckte mich.
„Wisst ihr, was hier passiert ist?“, fragte er.
Wir schüttelten den Kopf.
„Wissen wir nicht genau.“, erwiderte ich.
Ein paar dunkel gekleidete Personen liefen an uns vorbei.
Ich blinzelte in die Dunkelheit.
Es sah ganz so aus, als seien sie von Blut und anderer, schleimiger Masse bedeckt.
Was war geschehen?
Und gehörte das Blut zu einem Menschen oder zu einem Tier?

Wir folgten ihnen.
Der Elf schloss sich uns an.
Mit gebührendem Abstand zu diesen Personen blieben wir stehen.
Ich sprach mit dem Elf über seine Heimat.
Er erzählte mir etwas über das Land, aus dem er stammte.
Und er sprach ein paar Worte in der Sprache seiner Heimat.
Es klang interessant und sehr fremdländisch.
Vermutlich war seine Heimat fern.

„Warum folgt ihr uns?“, fragten die Gestalten auf einmal.
Ich blickte sie an.
Sie kamen auf uns zu.
„Waren wir nur neugierig, was passiert ist.“, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
Je näher sie kamen, desto schlimmer wurde der Gestank.
Es wirkte ganz so, als wäre ein Lebewesen in Stücke zersprungen… Und die Überreste waren auf der Kleidung dieser Personen gelandet.
Ich zog das Mundtuch in mein Gesicht.
Der Gestank war fast nicht zu ertragen.
„Habt ihr nichts mitbekommen?“, fragte einer der Männer.
„Njet. Haben wir nicht.“
„Dann könnt ihr auch das wissen, was alle anderen hier längst erfahren haben: Der Altar wurde gereinigt.“
Sie machten eine wedelnde Geste mit den Händen.
Offensichtlich schätzten sie unsere Anwesenheit nicht besonders.
Ich wusste nicht einmal, von welchem Altar sie sprachen.
„Wenn ihr mehr wissen wollt, dann fragt die Dunkelelfen.“
Ich schüttelte den Kopf.
Die würde ich sicherlich nicht fragen.
Sie mochten es bestimmt auch nicht, wenn man sie einfach ansprach.

Also drehten wir uns um und liefen wieder in Richtung Taverne.
Edward stand im Gang und wir kamen erneut ins Gespräch.
Wir sprachen über Tahns Schwert.
„Das ist wichtig.“, sprach er.
„Mh. Warum ist wichtig?“, fragte ich.
„Das hab ich bekommen… Glaube ich.“, erwiderte er.
„Hmmm…“, überlegte ich.
Ich fragte mich, warum er sich an solche Kleinigkeiten erinnerte… Und warum das nur manchmal der Fall war.
„Ja, sie hat mir das geschenkt.“, sprach er weiter.
Das war wieder einer dieser Momente, an denen sich Tahn gut erinnerte.
„Sie?“, fragte ich nach.
Tahn nickte.
„Ist das Schwert von Frau?“
„Ja, das war eine Frau.“, gab er zurück.
„Njet. Ich meine deine Frau.“
Er schien sich nicht sicher zu sein.
„Ich hab mit ihr trainiert…“, sprach er weiter.
„Ah! Hat Frau dir Kämpfen beigebracht?“
„Wir mussten viel üben…“
„Und zum Abschluss hast du das Schwert bekommen?“, überlegte Edward.
Doch Tahn war sich nicht ganz sicher.
„Wenn wir deine Frau finden, können wir ja fragen, ob sie Schwert geschenkt hat.“
Tahn nickte.
Das musste ich mir merken.
Vielleicht würden wir ja auch vorher auf die Schwertmeisterin von Tahn treffen.
Vielleicht wusste sie ja, wo sich Tahns Frau befand.

„Ich habe kein Kupfer mehr.“, murrte Tahn.
Er hielt uns seine letzte Kupfermünze hin.
„Da hinten spielen noch welche.“, sprach Edward und zeigte zu einem Tisch.
Dort saßen einige Personen.
Drei davon spielten tatsächlich ein Würfelspiel.
Edward ermutigte Tahn, sich dazu zu setzen.
Ich hingegen setzte mich an einen anderen Tisch.
Denn der Tisch, an den sich Tahn setzte, war voll.
Und ich wollte etwas aufschreiben.

Also setzte ich mich an den Tisch, an dem Galador, Azuna und eine weitere, mir unbekannte Person saßen.
Sie ließen mich durch und ich holte ein paar Zettel und einen Stift aus meiner Tasche.
Ich begann zu schreiben und versank förmlich darin.
„Anastasya?!“, sprach mich eine bekannte Stimme an. Es war Azuna. „Wir verabschieden uns jetzt.“
Ich erhob mich und umarmte sie und Galador.
Damit verließen sie die Taverne.
Der fremde Mann sah mich an.
„Ist es in Ordnung, wenn ich Euch hier alleine sitzen lasse?“, fragte er.
Ich nickte.
Damit hatte ich kein Problem.

Er erhob sich vom Tisch und ich schrieb weiter.
Als ich fertig war, sah ich zu Tahn herüber.
Sie sprachen über mich, denn auf einmal blickten seine beiden Mitspieler ebenfalls zu mir.
„Gewinnst du?“, fragte ich.
„Leider ja.“, erwiderten die anderen beiden.
Ich grinste, erhob mich und gesellte mich dazu.
„Darf ich mitspielen?“, fragte ich.
Sie nickten.
„Klar.“

Ich nahm neben einer edel gekleideten Elfe Platz.
Vom Sehen her kannte ich sie.
Sie war sicherlich adlig.
Und offensichtlich eine Magierin.

Wir spielten.
Die beiden Männer, die mit uns spielten, waren wirklich gut.
Ich verlor die ersten Runden, doch es wurde irgendwann besser.
Tahn spielte wirklich gut.
Er gewann viel Kupfer und hatte nachher wieder einige Münzen vor sich liegen.
Das war immerhin besser als nur eine Kupfermünze zu haben.

Beim Spielen unterhielten wir uns auch über einiges.
„Also. Ihr seid offensichtlich ein Mensch.“, sprach der Mann und sah zu Tahn.
„Und was ist mit Euch?“
Er sah zu mir.
„Hm? Bin ich auch Mensch.“, erwiderte ich.
Sah ich so seltsam aus?
War es wegen der schwarzen Streifen in meinem Gesicht?
Sie dienten doch lediglich zur Tarnung.
„Aber Eure Augen…“
„Schon wieder Augen…“, seufzte ich.  „Was habt Ihr immer mit meinen Augen. Sie sind blau mit schwarzem Rand.“
Die beiden Männer sahen mich verwirrt an.
„Nein… Nicht wirklich.“, sprachen sie.
„Doch… Habt Ihr zu viel getrunken, eh?“
„Die sind eher…. Schwarz. Mit Rot.“
„Warum sagen das alle?“
Ich war wirklich verwirrt.
Sie mussten falsch liegen.
Meine Augen waren doch schon immer blau gewesen.
Augen veränderten sich nicht einfach so!

„Seid Ihr sicher, dass Ihr ein Mensch seid?“, fragte der Mann vorsichtig.
Ich nickte.
„Da! Natürlich bin ich Mensch! Was soll ich sonst sein?“
„Hm. Vielleicht ist das das Licht…“, überlegte der andere Mann.
Wir spielten weiter.

Doch das verwirrte mich wirklich.
In letzter Zeit war ich oft auf meine Augen angesprochen worden.
Was sahen sie denn darin?
Warum waren meine Augen scheinbar anders, als ich es in Erinnerung hatte?
Oder spielte meine Erinnerung mir einfach einen Streich?

Bald beendeten wir das Spiel.
Es war schon wirklich spät und Tahn und ich wurden langsam müde.
Die beiden Männer verabschiedeten sich von uns.
Wir liefen noch ein paar Augenblicke draußen herum, beschlossen dann aber, uns in der Hütte schlafen zu legen.

Ich rollte mich in den Mantel ein und legte mich auf den Boden.
Glücklicherweise war es in der Hütte noch schön warm.
Das Feuer im Kamin hatte wahre Wunder gewirkt.
Und so schlief ich bald ein.

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