Ich lief. 
Immer weiter.
Zunächst bemerkte ich es nicht, doch der Boden unter meinen Füßen wurde immer nasser.
Erst als ich bereits mittendrin stand, fiel es mir auf. Ein Sumpf. Ich befand mich mitten in einem Sumpf.
Wie konnte ich nur so unaufmerksam gewesen sein?
Ich sah mich um.
Der Tag war bereits angebrochen und einzelne Sonnenstrahlen spiegelten sich in dem schlammigen Wasser.
Ich lief schnell in die Nähe von Gestrüpp und kleineren Bäumen; vermutlich war der Boden dort fester.
Kurz warf ich einen Blick zurück.
Nein.
Nie im Leben.
Der Sumpf würde auch irgendwann enden.
„Odin. Wieso? Was habe ich falsch gemacht?“, murmelte ich.
Doch was erwartete ich schon?
Etwa eine Antwort?
Ich lachte bitter auf und lief dann weiter.
Hatte Odin mich verlassen?
Vielleicht, weil ich jemanden heilen wollte, der nicht an ihn glaubte?
War es das?
Eine dunkle Nebelwolke in der Ferne riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt starrte ich zum Himmel. Nebel?
Würde es sich nun abkühlen?
Ich verstand den Süden nicht.
Wollte ich nicht eigentlich wieder in Richtung Norden ziehen.
Ich hatte die Orientierung verloren.
Als ich mich dem Nebel näherte, fiel es mir auf. Ich erstarrte.
Das war kein Nebel.
Ich steuerte auf einen riesigen Mückenschwarm zu.
Ich drehte mich um, lief zurück. Doch auch hier. Mücken. Überall. Es schienen immer mehr zu werden.
Ich rannte los.
Versuchte, mich so schnell wie möglich durch die Mückenschwärme zu bewegen. Ich wollte nicht gestochen werden.
Doch bald fing es an zu Jucken. Es hörte nicht mehr auf, wurde mit jedem Schritt schlimmer. Zuerst konnte ich es noch ignorieren, doch bald war es nicht mehr möglich.
Ich fing an, zu kratzen. Am Schlimmsten war es an den Armen, die aufgrund der Hitze nicht komplett von Stoff bedeckt waren.
Ein Fehler, offensichtlich.
Doch es hatte keinen Zweck, sich zu ärgern.
Ich musste aus diesem Sumpf heraus.
Umzudrehen kam nicht in Frage, immerhin glaubte ich, schon so weit gekommen zu sein.
Wieder beschleunigte ich meine Schritte.
Die Gamaschen über meinen Beinen waren bereits durchnässt, die Hose blieb noch verschont. Zum Glück.

Ich traute meinen Augen kaum.
Befestigter Weg. Ohne Schlamm. Ohne Wasser. Und vor allem: Ohne Mücken.
Ich lief auf diesen Weg zu, blieb kurz stehen, sah mich um.
Ich stand mitten in einem Wald.
Ein Glück, dachte ich.
Der Wald war mir viel lieber. Der Wald war weniger gefährlich. Im Wald kannte ich mich aus.
Ich beschloss, ein paar Fallen aufzustellen. Ich hatte Hunger.
Das verbleibende Trockenfleisch wollte ich aufbewahren.
So sammelte ich alles, was ich für die Fallen brauchte und stellte auch meine bereits gebaute Falle erneut auf.
Ein paar Fallen versteckte ich direkt im Wald.
Die Falle, die ich schon zweimal eingesetzt hatte, stellte ich auf den Weg.
Dann versteckte ich mich hinter einigen großen Bäumen im Wald. Ich versuchte, mich möglichst leise zu bewegen, um die Tiere nicht zu verschrecken.
Zwischendurch näherte ich mich den einzelnen Fallen wieder, um nachzusehen, ob bereits ein Tier gefangen wurde.
Als ich wieder zu dem befestigten Weg kam, sah ich von Weitem eine Gestalt.
War da nicht meine Falle?
Ich duckte mich etwas ins hohe Gras, näherte mich vorsichtig.
Ein Mensch.
Es war ein Mensch.
Je näher ich kam, desto klarer wurde es.
Er war in meine Falle getreten. Schon wieder.
Wieso passierte das immer?
Seufzend näherte ich mich.
Passte etwa niemand auf, wo er hin trat?
Ich habe mich in einem Sumpf verlaufen, fiel mir dann ein und ich schüttelte den Kopf.
Nein, ich passte scheinbar ab und zu auch nicht auf, wo ich hin trat. In jedem Sinne.

„Hallo.“, begrüßte ich den Mann. Irgendwie kam er mir bekannt vor.
Was ich mir von der Begrüßung versprach, wusste ich nicht. Immerhin hatte er sicherlich Schmerzen.
„Was habt Ihr gemacht?“, fragte ich weiter.
„Ich bin durch den Sumpf gelaufen und dann… bin ich in diese Falle getreten. Ich meine, wer stellt denn eine Falle mitten auf den Weg?“
Ich zuckte zusammen. Ja. Wer tat denn sowas?
„Ist meine Falle…“, murmelte ich kleinlaut. „Aber warum trittst du auch in Falle? Tut doch weh!“
Ich gewann meine Fassung wieder. Gut für mich.
„Warte.“, forderte ich ihn auf.
Was sollte er auch sonst tun?
Ich kniete mich hin und entschärfte vorsichtig die Falle.
Sah ganz so aus, als hätte ich anstelle einer Bärenfalle eine Menschenfalle gebaut. Schade.
„Muss ich die Wunde reinigen. Kann weh tun.“, erklärte ich kurz und griff nach der Flasche Metka.
Schnell kippte ich etwas von der goldenen Flüssigkeit in die Wunde, rieb es vorsichtig ein und verband sie dann.
Einen kurzen Gedanken verschwand ich daran, ob ich ihn heilen sollte.
Bloß nicht.
Das durfte mir nicht noch einmal passieren.
„Darfst du jetzt nicht rennen. Nicht zu viel bewegen.“, erklärte ich. „Sonst reißt wieder auf.“
Er nickte.
Ich stützte ihn etwas und wir gingen ein Stück.
Sein Name war Breeg.
Wir erblickten ein Gebäude. Eine Taverne? Ich hoffte es. Ich fühlte mich nicht gut. Und dieses Jucken…
Mit der freien Hand kratzte ich weiter meine Arme auf.
Aber auch Breeg schien es erwischt zu haben, denn er kratzte ebenfalls.
„Verfluchter Sumpf.“, murmelte ich. „Überall diese Viecher…“
Er stimmte mir zu.
Wir steuerten auf die Taverne zu. Es war tatsächlich eine Taverne.
Der Geruch von gebratenem Fleisch und Alkohol war Zeichen genug.

Ich setzte Breeg auf einer der hölzernen Bänke im überdachten Bereich der Taverne ab.
Scheinbar hatte es hier stark geregnet, der Boden wirkte schlammig. Ähnlich schlammig wie der Sumpf.
Beim Gedanken daran schauderte es mich.
Die Taverne war nicht so voll wie andere Tavernen, doch das Gelände war groß.
Viel Wiese. Ein großes Waldstück.
Gab es einen anderen Weg, um weiter zu ziehen?
Ich hoffte es. Ich wollte nicht wieder durch den Sumpf.
Das Jucken hielt weiter an.
Es zu ignorieren war unmöglich.

„Wollen wir uns umsehen? Also. Langsam?“, fragte ich Breeg.
Er nickte und erhob sich.
Glücklicherweise war sein Bein noch dran.
Es hätte auch anders kommen können.

Wir liefen über das Gelände. Ein paar Zelte waren auf der Wiese aufgebaut.
Ein beliebter Ort für Reisende?
Es sah ganz so aus.
Wir liefen zu dem Waldstück und erblickten ein paar Pilze, die dort wuchsen.
Sie sahen seltsam aus.
Ich hatte noch nie zuvor einen solchen Pilz gesehen.
Also liefen wir mit genügend Abstand zu dem Pilz weiter.
Etwas Leuchtendes zog unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Wir folgten dem Licht.
Ich erinnerte mich an ein Rätsel, das mir vor einigen Monden einmal gestellt wurde. Die Antwort darauf war Irrlicht. Ich hoffte, dass dieses Licht uns nicht in die Irre führen würde.

Wir kamen zu einer kleinen Lichtung im Wald.
Dort stand etwas. Ich kannte es nur aus fremden Tempeln, die ich auf meiner Reise schon gesehen hatte.
Es war ein Schrein. Etwas dort leuchtete. Der Schrein war umgeben von kleineren Säulen.
„Sollten wir nicht zu nahe gehen.“, überlegte ich.
Breeg stimmte mir zu.
Auf dem Schrein waren Zeichen.
Ich ging einen Schritt näher, versuchte, die Zeichen zu erkennen.
Aber es waren keine Runen. Sie kamen mir auch nicht bekannt vor.
Waren sie vielleicht trotzdem im Buch von Thoralf?
Wusste jemand anderes etwas darüber?
„Kann ich Zeichen nicht lesen.“, murrte ich.
Vor dem Schrein lagen zwei Körbe. Ob dort etwas drin war, konnte ich nicht sehen.
„Was ist das für ein Wesen, rechts vom Schrein?“, fragte Breeg und deutete in die Richtung.
Ich sah das Wesen jetzt auch. Eine kleine steinerne Statue. Doch das Wesen sah seltsam aus. Es kam mir nicht bekannt vor.

Bald gesellte sich eine andere Gruppe zu uns.
Zwei Frauen und drei Männer.
Sie grüßten uns und sahen sich auch den Schrein an.
„Ist das der Schrein von… Wie hieß der nochmal?“
„Der Schrein von. Ich schaue nach.“
Eine der Frauen hielt einen Zettel in der Hand und überreichte ihn einem der Männer.
„Was habt Ihr da?“, mischte ich mich ein.
„Einen Brief.“, erwiderte der Mann mit dem Brief.
„Da, das sehe ich. Was für einen Brief?“, hakte ich weiter nach.
„Ich soll einen Schrein abmalen.“, erwiderte die Frau, die den Brief zuvor gehalten hatte.
Ich blickte verständnislos zwischen den Personen hin und her, doch niemand wollte meine Verwirrung aufklären.
„Solltet Ihr nicht zu nahe zu Schrein gehen.“, murmelte ich und sah wieder zum Schrein.
Die anderen nickten.
Sie erzählten etwas von Dunkelelfen, die mit diesen Schreinen zu tun hatten. Ich erinnerte mich daran, diese Wesen auch schon einmal gesehen zu haben.
Schwarze Haut, weißes Haar.
Doch ich hatte es nicht gewagt, ein Wort mit ihnen zu wechseln. Sie wirkten etwas furchteinflössend auf mich.

Auf einmal schrie einer der Gruppe auf. Ich wand mich um und sah, dass ein Dolch oberhalb seiner Brust steckte.
„Was ist passiert?“, fragte ich und sah mich alarmiert nach Angreifern um. Ich sah keine.
„Der Dolch ist zurückgekommen.“, antwortete ein anderer.
„Wieso werft Ihr Dolch nach Schrein?!“, fragte ich vorwurfsvoll. Wie war er auf die Idee gekommen?
„Na ja, also…“, begann einer von ihnen, doch er wusste auch nicht, wie er das erklären sollte.
Einer von ihnen war in weiß gekleidet. Er lief zu dem Verwundeten hin. Ein anderer zog den Dolch heraus. Die Wunde begann, stark zu bluten.
„Heee, was soll das?“, schrie er. „Siehst du das Blut? Das war vorhin noch nicht da!“
Ich schüttelte den Kopf.
Wo war ich hier nur gelandet?
War es nicht klar, dass Blut schnell aus einer Wunde schießt, wenn man einen Fremdkörper entfernt. Immerhin hat der Dolch vorher die Wunde verschlossen.
Ich wollte gerade einen meiner Verbände aus der Tasche holen, als der weiß gekleidete Mann eine Hand auf die Verletzung legte und etwas murmelte.
Die Wunde schloss sich.
Ich starrte vom Verletzten zum Heiler und zurück.
Er schien nicht erschöpft zu sein.
Keiner hatte Schmerzen.
Wie war das möglich?
Hatte dieser Mann eine noch stärkere Bindung zu Odin?
Es sah ganz danach aus.

Ich blickte zu Breeg und wir beschlossen, uns noch etwas um zu sehen.
Immerhin waren diese Männer gefährlich für sich selbst und wohl auch für alle Umstehenden. Und ich wollte keinen Dolch in meiner Brust stecken haben.
Die Gruppe hatte noch einen weiteren Tempel erwähnt. Hinter der Taverne. Den wollten wir uns ebenfalls ansehen. Natürlich von weitem.
Also trennten wir uns von der Gruppe und liefen rechts an der Taverne vorbei.
Es waren schon ein paar mehr Menschen eingetroffen, die auf den hölzernen Bänken der Taverne saßen.
Also doch ein gut besuchter Ort.
Dann musste es auch einen Weg geben, der nicht durch die Sümpfe führte.

Hinter der Taverne kamen wir zu einem weiteren Waldstück.
Weitere Pilze fielen uns auf, doch einen Schrein konnten wir nicht sehen.
Der Wald wurde immer dichter.
„Hat er uns verarscht?“, fragte ich sauer und sah mich noch einmal um. „Sehe ich keine Schrein.“
Auch bei näherer Betrachtung der Umgebung fanden wir nichts, was einem Schrein ähnelte.
Also liefen wir wieder zurück.
Doch als wir gerade wieder genau vor der Taverne auf der Wiese waren, lief dort etwas her.
Etwas, was ich eigentlich nicht wieder sehen wollte.
Orks.
Ich knurrte, starrte ihnen nach.
Es waren drei.
Drei Orks.
Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Bjorn.
Nicht alle Orks sind böse., hatte er gesagt.
Hatte er Recht?
Sollte ich sie einfach in Ruhe lassen?
Meine Hand ging automatisch zu meiner Axt.
Orks töten., ging es mir durch den Kopf.
Doch Breeg sah kurz zu den Orks und ging dann aber weiter in Richtung des Schreins, bei dem die anderen Personen noch standen.
Interessierte es ihn gar nicht?
Das machte mich neugierig und ich folgte ihm.
„Hasse ich Orks.“, knurrte ich, während wir uns dem Schrein wieder näherten.
Die Orks hatten scheinbar auch ein Lager aufgebaut.
Es war also keine gute Taverne.
War es klug, hier zu bleiben?

In der Zwischenzeit hatte eine der Frauen irgendwie den Schrein betreten, denn sie kniete davor und begann, den Schrein abzuzeichnen.
Ich hatte nicht mitbekommen, wie sie das geschafft hatte.
Weiterhin kratzte ich meine Arme und hatte das Gefühl, dass sie bald zu bluten beginnen würden.
Doch es hörte auch einfach nicht auf zu jucken.
„Wie ist sie zu Schrein gekommen?“, fragte ich die Gruppe.
Sie schienen sich selbst nicht ganz sicher zu sein.
„Hm, sie ist eine Kenderin. Vielleicht können Menschen nicht rein.“
Er blickte zu Breeg und mir.
„Ihr seid doch auch Menschen?“
Wir nickten.
Natürlich waren wir Menschen, was sollten wir sonst sein?
Eine Kenderin?, überlegte ich.
Der Begriff kam mir bekannt vor.
Doch was das war wusste ich nicht mehr genau.

„Sie trägt keine Waffen.“, überlegte einer der anderen Männer.
Das klang vernünftig.
„Also Waffen ablegen?“, fragte ich und sah an mir herunter. „Dauert zu lange für mich.“
Breeg und ein anderer Mann legten die Waffen ab und gingen zum Schrein.
Sie konnten passieren, ohne verletzt zu werden.
Es lag also wirklich an den Waffen.
Als sie wieder heraus kamen, seufzte ich und legte ebenfalls die Waffen ab.
Ich wollte mir diese Schriften genauer anschauen.
Also gab ich Bogen, Köcher, Axt, Dolch und Schwert an Breeg weiter und ging langsam zum Schrein.
Ich spürte nichts. Ich konnte einfach weiter gehen.

Eine Weile betrachtete ich die Zeichen am Schrein, blickte auch in die Körbe hinein.
Steine oder so etwas lagen darin.
Ich wollte nichts anfassen. Konnte gefährlich sein.
Doch leider kam mir die Schrift nicht bekannt vor.
Ich fragte die Kenderin, die vor dem Schrein kniete, ob sie auch die Zeichen abmalen würde. Sie bejahte und so entschied ich, mir die Zeichen in Ruhe anzuschauen sobald sie fertig war. Vielleicht waren sie mir noch von Nutzen.

Ich verließ die Lichtung des Schreins und nahm die Waffen wieder an mich.
„Zeigt uns andere Schrein.“, forderte ich die Gruppe auf. Sie schienen den Schrein ja zu kennen.

Gemeinsam machten wir uns zu dem anderen Schrein auf. Leider befand er sich ganz in der Nähe des Orklagers.
Die Kenderin blieb bei dem Schrein.

Wir liefen an dem Orklager vorbei, mit gebührendem Abstand. Ich hasste Orks einfach.
Der Schrein befand sich tatsächlich in der Nähe der Taverne, aber nicht dahinter, sondern daneben. Was hatten die sich nur gedacht, uns hinter die Taverne zu locken?

Doch ich kannte die Schrift des Schreins. Es waren Runen. Gewöhnliche Runen. Ich konnte sie lesen!
Aber ich traute mich nicht, nahe zum Schrein zu gehen und so kniete ich mich hin, um zwischen den Bäumen hindurch zu schauen.
Auf dem Schrein stand etwas von einem Kraftpunkt der Magie. Doch es half uns nicht viel.
Breeg legte seine Waffen ab. Er wollte sich den Schrein genauer anschauen.
Also lief er los.
Ich beobachtete das. Ich wusste nicht, ob es eine kluge Idee war, doch aufhalten konnte ich ihn jetzt auch nicht mehr.

Er schrie auf, humpelte vom Schrein aus herunter und sackte zusammen.
„Priester!“, rief ich und sah mich um. „Priester, wir brauchen dich.“
Breeg hatte offensichtlich Schmerzen.
Es war nicht die beste Idee gewesen, zum Schrein zu gehen.
Und es wurde schlimmer.
Orks.
Sie kamen zu uns.
„Ey! Was macht ihr da?“, polterten sie und stampften zu uns.
Sie näherten sich den beiden Männern. Kamen nah. Viel zu nah.
Ich hatte Mühe, mir nicht die Nase zu zu halten oder das Tuch vor meinen Mund zu ziehen.
Orks stanken einfach widerlich.
Einer der Männer drückte einen Ork zurück.
„WARUM FASST DU MICH AN, MENSCH?“, drohte er ihm lautstark.
Ich zuckte zusammen.
„Ihr seid mir zu nahe gekommen. Das mag ich nicht.“, erwiderte der Angesprochene kleinlaut.
Erstaunlicherweise gab sich der Ork damit zufrieden.

Schnell liefen wir an den Orks vorbei. Ich knurrte unzufrieden. Am liebsten hätte ich ihnen sofort die Eier abgeschnitten.
Doch es waren drei Orks und ein Mensch, der zu ihnen gehörte.
Sie waren also in der Überzahl.
Und vermutlich waren Orks stark.

Als wir wieder an dem ersten Schrein standen, wurde das Jucken noch unterträglicher. Ich kratzte und bald fiel es auch den anderen auf.
Sie wichen ein paar Schritte zurück.
„Was habt ihr?“, fragten sie uns.
„Juckt. So. Schlimm.“, gab ich zurück ohne mit dem Kratzen aufzuhören.
Es hatten sich bereits große rote Stellen auf meiner Haut gebildet.
„Kennt ihr etwas, das gegen Kratzen hilft?“, fragte ich dann.
Sie fragten ihren Priester.
Er schüttelte den Kopf.
„Könnt ihr große Wunden heilen, aber kein Jucken?“, fragte ich ungläubig.
„Er ist nur ein Akolyth. Er lernt noch.“
Ich grummelte unzufrieden.
Breeg wickelte den Verband ab und gab ihn mir zurück. Der Priester hatte ihn von den Schmerzen vom Schrein geheilt und gleichzeitig diese Verletzung kuriert. Beeindruckend.
„Danke.“, murmelte ich und packte den blutigen Verband in eine meiner Taschen.
Ich würde ihn auswaschen müssen.

Breeg und ich beschlossen, zurück zur Taverne zu gehen. Es musste doch jemanden geben, der dieses Jucken heilen konnte. Sonst würde ich mir noch den Arm abhacken müssen. Reizvoll erschien es mir in jedem Fall.

Draußen in der Taverne saß ein Mann. Er sah fremdländisch aus und war komplett in rot gekleidet.
„Hallo.“, begrüßte ich den Mann. „Habt ihr ein Heilmittel für Jucken?“
Der Mann sah mich an.
„Ah, Ihr habt Glück.“, erwiderte er grinsend.
Er stellte sich vor. Sein Name war unfassbar lang, deswegen konnte ich mir ihn nicht merken. Bereits in dem Augenblick, in dem er ihn ausgesprochen hatte, hatte ich den Anfang bereits vergessen.
Doch er sagte, dass er ein Medikus sei.
Er sah sich die Wunde an.
„Habt Ihr auch Kurzform für Name?“, fragte ich. Ich wollte ihn irgendwie ansprechen, doch seinen Namen würde ich mir wohl nicht merken können.
„Ihr könnt Alvares zu mir sagen. Aves steht für Freiheit.“,
Ich nickte.
Alvares also.
Er hatte eine sehr seltsame Art zu sprechen.
Nachdenklich sah er sich unsere Arme an und kramte dann in seiner Tasche.
Er holte einen Tiegel mit Salbe heraus.
„Machen wir etwas Salbe auf die Stellen. Sollte helfen.“, erklärte er und tat es auch direkt.
Die Salbe war kühl und rot, doch ich spürte noch keine Verbesserung.
Zusätzlich begann ich auf einmal zu niesen.
Meine Nase lief.
Was war nur los?
Breeg erging es ähnlich.
„Oh, oh, oh. Das ist nicht gut.“, murmelte Alvares und lief zur Taverne. „Ich hole kurz etwas…“
Die anderen Menschen hatten nun auch mitbekommen, was los war.
Sie hielten sich fern von uns.

Bald kam Alvares wieder und hielt eine kleine Phiole in der Hand. Darin befanden sich drei gelbliche Kugeln.
„Versuchen wir das. Ist eine Art Antidot. Kann helfen.“, erklärte er und nahm eines der kleinen Kugeln in die Hand.
„Ist nicht giftig?“, fragte ich direkt.
Er schüttelte grinsend den Kopf.
„Nein. Ist nur Gegengift.“, gab er zurück und drückte mir die Kugel in die Hand.
Ich nahm sie und blickte sie an. Das sollte ich essen? Das sollte helfen?
„Musst du gut kauen.“, erklärte Alvares und grinste.
Ich tat wie mir geheißen.
Allerdings ließ Alvares Breeg noch warten.
Er wollte erst sichergehen, dass es auch funktionieren würde.

Nach ein paar Augenblicken fühlte ich mich tatsächlich besser.
Das Jucken klang ab.
Also gab Alvares auch Breeg das Heilmittel.
Auch bei ihm wirkte es.

Ein anderer Mann kam auf uns zu.
Er erzählte, dass diese Krankheit „Sumpffieber“ genannt wurde. Es gab eine Pflanze in der Umgebung der Taverne, mit der er auch einen Heiltrank machen konnte.
War er wohl Alchemist?
Wir fragten ihn, ob wir die Blätter vorsorglich suchen sollten.
Die Pflanze sollte rote Blätter haben.

Breeg und ich liefen also los. Wir fanden bald eine Pflanze, die auf die Beschreibung zutraf. Ausschließlich rote Blätter.
Doch wir wollten sie nicht mit bloßen Händen anfassen, wenn wir nicht sicher waren, ob es wirklich die richtige Pflanze war.

Also liefen wir noch einmal zurück zu Alvares.
„Wir glauben Pflanze gefunden zu haben. Kennst du Pflanze?“, fragte ich ihn. Er nickte und erhob sich.
„Ich komme einfach mit, dann schaue ich, ob es die richtige ist.“
„Habt Dank.“
Dann liefen wir gemeinsam noch einmal zu der Pflanze.
Er bestätigte, dass es die richtige war.
Also machten wir ein paar der Blätter ab und überreichten sie dem Alchemisten in der Taverne.
Er bedankte sich.

Wir liefen wieder zum Schrein. Die Kenderin war noch am Abschreiben.
Der Priester begab sich zu ihr.
Auf einmal kamen die Orks zu uns.
„Was macht ihr da?!“, polterten sie los und stampften wieder in unsere Richtung.
Ich wollte schon einen Pfeil ziehen, als mich die anderen aufhielten.
„Nicht angreifen!“, zischten sie mir zu.
„Wieso nicht? Sind Orks! Sind wir in Überzahl, eh?“
Sie schüttelten den Kopf.
Irgendwie schienen sie anderer Meinung zu sein.
Die Orks liefen allerdings zuerst durch den Wald zur Rückseite des Schreins.
„Was macht ihr da drin?“, fragten sie lautstark. „Ey, Bodo. Lass uns auch mal dahin!“
Der Mensch, der zu den Orks gehörte, lief zum Schrein.
Wir grinsten.
Er war bewaffnet, er würde es nicht schaffen.
Der Mensch-Ork schrie vor Schmerzen auf und wurde zurückgestoßen.
Ja. Es lag auf jeden Fall an den Waffen.
Doch er versuchte es erneut.
Fehlschlag.
Wir mussten uns das Lachen verkneifen.
„Dreimal!“, feuerten die anderen Orks ihn weiter an.
Er war so dumm und versuchte es wirklich noch einmal.
Wieder einmal erlitt er Schmerzen.
Es war schön anzusehen.

Bald liefen die Orks um den Wald herum, kamen dann direkt zu uns.
Wir wichen ein paar Schritte zurück.
„Ah. Ihr. Was macht ihr?“, polterten sie erneut.
„Ist das nicht dein Rasen?“, fragte der andere Ork.
Es war eine eher weibliche Stimme. Es gab also tatsächlich weibliche Orks.
Oder klangen sie einfach nur so?
Ich war mir nicht sicher.
„Nein. Das ist nicht mehr mein Rasen.“, gab er dann zurück.
Sie ließen uns hier also erst einmal in Ruhe.

Doch die Gruppe machte sich Sorgen um den Priester und die Kenderin.
„Kommt da raus!“, riefen sie ihnen zu, doch sie ignorierten es.
Sie schienen sich gar nicht stören zu lassen.
Und dadurch, dass die Orks den Schrein nicht betreten konnten, waren Kenderin und Priester dort sicher.
Wieso also die Sorge um sie?

Ein anderer Mann näherte sich. Er war in eine braune Robe gekleidet und stützte sich auf einen Wanderstab.
Dummerweise befand er sich auf „dem Rasen der Orks“ und nicht auf dem sicheren Stück, auf dem wir standen.
Die Orks drehten sich sofort zu ihm um und wollten ihn angreifen.
„Euer Lager wird bestohlen!“, rief er sofort und die Orks rannten los zu ihrem Lager. Sofern man ihre Bewegungsart als „Rennen“ bezeichnen konnte.

Ich grinste als der Mann näher kam.
„War gute Idee. Hast du gut gemacht.“
Er grinste ebenfalls.
Doch zu früh. Die Orks bemerkten, dass er gelogen hatte.
„Ist gar keiner im Lager!“, riefen sie.
Der Mann sah zu, dass er schnell weg lief.
Und er war verdammt schnell.
Die Orks liefen ihm nach.
Also hatten wir erst einmal Ruhe.
Ich dachte immer, dass Orks dümmer seien.

Mich beschäftigte eine Zeichnung am Rand des Schreins.
Es waren Menschen abgebildet und etwas, dass aussah wie Pilze.
Und wenn es die Pilze waren, die überall wuchsen?
Sollten wir die Pilze nicht vielleicht zum Schrein bringen?
Ich teilte meine Idee den anderen mit.
„Kann sein, aber warum sollten wir einem fremden Schrein bringen, was er möchte?“, gab einer der Männer zu Bedenken.
Da hatte er natürlich auch recht.
Wir kannten diese Gottheit nicht, die hier verehrt wurde, obwohl es natürlich Odin sein musste.
Es war immer Odin, nur unter anderem Namen.

Bald war die Kenderin mit dem Abzeichnen des Schreins fertig. Doch dadurch, dass die Wiese nass gewesen war, wollte sie alles in Ruhe noch einmal abschreiben.
Dazu setzte sie sich in den Innenraum der Taverne.
Ich folgte ihr.
Eine ganze Weile beobachtete ich sie nur.
„Darf ich mich setzen?“, fragte ich dann.
„Natürlich.“, erwiderte sie lächelnd.
Sie wirkte sehr nett zu sein.
Ich setzte mich zu ihr und holte mein Buch heraus.
Ich wollte herausfinden, ob die Schrift des Schreins zu einer aus meinem Buch passte.
So blätterte ich die Seiten durch und unterhielt mich mit der Frau.
Ihr Name war Ida Schrecklich.
Ich fand den Namen seltsam, doch er schien ihr zu gefallen.
Wir redeten über verschiedene Gottheiten und über die Reise und auch über Schriften.
Ich bot ihr an, beim Abschreiben zu helfen.
Sie hatte nichts dagegen und so half ich ihr.
Bald hatten wir es geschafft.
„Ich habe leider nichts Wertvolles als Ausgleich dabei. Ich kann Euch ein Rätsel anbieten.“
Ich starrte sie einen Moment an.
Ein Rätsel?
„Ich glaube ich kenne Euch.“, erwiderte ich. „Ihr habt mir Rätsel gestellt, eh?“
Sie schien einen Augenblick zu überlegen, dann grinste sie.
„Ja. Hatte irgendwas mit einer Axt zu tun, kann das sein?“
Ich lachte.
„Da. Ist immer Antwort von Bjorn.“, gab ich zurück. „Dann kennen wir uns doch.“
„Die Welt ist klein.“
Ich nickte.

Von draußen drangen Schreie an unsere Ohren.
Die Orks. Sie schrien etwas.
Heiler.
Brauchten sie einen Heiler?
Wie hatte sich einer von ihnen verletzt? Oder hatten sie sich gegenseitig die Köpfe eingeschlagen? Zuzutrauen war es ihnen.
Aber wer würde schon einen Ork heilen?
Ich hoffte, dass niemand von den anderen auf die Idee kam, das zu tun. So würden wir nur noch mehr kampffähige Feinde haben. War doch gut, dass einer von ihnen jetzt verletzt war.

„Anastasya!“, hörte ich auf einmal meinen Namen und drehte mich um.
Breeg war herein gekommen.
„Was ist los?“, fragte ich sofort.
„Der Menschenfreund der Orks ist verletzt. Habt Ihr ein Tau, wir wollen ihn fesseln.“
Ich nickte. „Da, natürlich habe ich Tau.“
Schnell kramte ich aus der hintersten Tasche meines Gürtels ein Tau heraus und gab es ihm.
„Danke!“, erwiderte er und lief schnell wieder raus.
Wie viele Personen schon mit meinen Tauen gefesselt wurden…

In der Taverne saß auch der Alchemist, der das Heilmittel für das Sumpffieber herstellen wollte. Vielleicht kannte er sich ja mit Pilzen aus.
Ich lief zu ihm und fragte ihn.
Leider stellte sich heraus, dass er kein wirklicher Alchemist war.
Er kannte sich nur mit dem Sumpffieber aus, weil es hier schon öfter aufgetreten war.
„Habt Danke.“, bedankte ich mich dennoch freundlich und lief dann nach draußen.
Hoffentlich saß Alvares noch in der Taverne.
Die Orks machten immer noch ordentlich Lärm, doch ich ignorierte das.
Solange sie mich nicht angriffen, war es mir egal.
„Alvares, kennt Ihr Euch mit Pilzen aus?“
Er grinste.
„Kommt darauf an, was für Pilze Ihr meint.“, gab er zurück.
„Pilze. Die Pilze, die an diesem Ort wachsen. Wollen wir sie uns gemeinsam anschauen?“, fragte ich.
„Ja. Können wir machen.“
„Warten wir aber, bis Orks wieder weg sind.“, überlegte ich.
Breeg und Alvares waren einverstanden.

Die Orks hatten sich bald ihren gefesselten Freund wiedergeholt.
Doch sie ließen uns keine Ruhe, sondern stritten weiter mit den anderen Menschen, die bei der Taverne standen.
Auf einmal schrie einer der Orks Breeg an. Er hielt ein Schwert in der Hand. Das Schwert von Breeg! Was war passiert?
„Wolltest du mich mit deinem Schwert treffen, hm?“, polterte der Ork und kam Breeg gefährlich nah.
„Nein. Ich hab nicht geworfen. Es ist einfach durch die Luft geflogen!“, erklärte Breeg. Er war erstaunlich gefasst, obwohl dieser Ork ihn so bedrängte.
Sie nahmen sein Schwert mit, ließen Breeg aber zum Glück in Ruhe.
Es flogen noch weitere Gegenstände. Dolche. Kapuzen. Mäntel.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Auch einer meiner Pfeile machte sich selbstständig.
Er flog direkt aus dem Köcher zu Boden.
Dummerweise stand in direkter Nähe der Ork, der sich als „Bürgermeister“ ausgab.
„Ey! Wolltest du mich abschießen oder was?“
„Njet. Denkst du bin ich so schlechte Bogenschützin, eh? Wenn ich schießen wollte, hätte ich getroffen.“, erwiderte ich nur darauf. Ich hatte keine Angst vor ihm. Zur Not würde ich ihn töten.
Doch er gab sich mit der Erklärung zufrieden.

Bald wurde der erste von einem seiner Dolche sogar getroffen. Er stach durch das Fleisch und blieb stecken.
„Passt auf eure Dolche auf!“, rief ein anderer. Solche Vorfälle mussten wir natürlich vermeiden.

Alvares, Breeg und ich liefen trotzdem zu dem Pilz, um ihn uns anzuschauen.
Und wenn wir den Pilz doch nahmen und ihn zum Schrein brachten?
Vielleicht würde das dieses Wesen beruhigen, was uns die ganze Zeit zu terrorisieren schien.
Doch auch Alvares konnte uns nicht viel zu dem Pilz sagen.
Bald kam ein anderer Mann zu uns. Er war ebenfalls rot gekleidet, wirkte aber, als käme er aus dem Norden.
Auf den zweiten Blick kam er mir sogar bekannt vor.
Ich hatte ihn auf Burg Grenzstein schon gesehen. Wir hatten gemeinsam gekämpft.
„Nicht den Pilz anfassen!“, rief er und nieste.
„Hast du Jucken und Niesen?“, fragte Breeg ihn direkt.
Der Angesprochene nickte.
„Geh zu Alchemist.“, erwiderte ich. „Mann in Taverne. Sitzt direkt vorne. Kannst du fragen. Hat Gegenmittel.“
Er lief sofort los.
Gut, dass wir die roten Blätter besorgt hatten.

Wir überlegten uns, wie wir den Pilz anfassen sollten.
Konnten uns die Blätter der roten Pflanze nicht dabei helfen?
Eine andere Gruppe gesellte sich zu uns.
Ich kannte keinen von ihnen.
„Kann ich Euren Bogen einmal sehen?“, fragte mich die Frau der Gruppe.
Etwas verwirrt stimmte ich zu und überreichte ihr den Bogen, beobachtete sie aber wachsam. Wenn sie damit wegrennen wollte, würde sie schneller eine Axt im Körper haben, als sie rennen konnte.
Sie gab mir den Bogen zurück.
„Kann jemand von euch versuchen, Pilz anzufassen?“, fragten wir die Gruppe.
Sie blickten uns verständnislos an.
Dann erklärten wir unseren Plan.
Breeg und ich wollten es nicht noch einmal versuchen, da diese Pilze womöglich das Sumpffieber erneut auslösten. Das wollten wir nicht riskieren, immerhin konnte es schlimmer werden.

Einer der Männer von der fremden Gruppe wollte es schließlich tun, wir hatten ihn überzeugt.
Also überreichten wir ihm zwei rote Blätter dieser Heilpflanze.
Er packte die Blätter an seinen Mantel und schützte so seine Hand mit Mantel und Blatt.
Wir baten ihn, den Pilz abzuschneiden, damit wir ihn zum Schrein bringen konnten.
Er versuchte es.
Es schlug fehl.
Er konnte den Pilz nicht abschneiden.
Und er begann zu niesen, nieste direkt die Frau an, die zu seiner Gruppe gehörte.
War sie jetzt auch infiziert?
Doch während er seine Arme kratzte und weiter nieste, hatte sie gar nichts.
Wir wiesen ihm den Weg zum Alchemisten.
Das hatte leider nicht funktioniert.

Der Akolyth wusste, wie wir die Geister bannen konnten.
Er hatte zumindest eine Idee.
In direkter Nähe des Schreins gab es einen Friedhof mit nur zwei Gräbern.
Die Orks hatten eine Laterne bei sich, die in bunten Farben leuchtete.
Der Akolyth behauptete, dass wir die beiden Geister der Gräber mit der Laterne besänftigen konnten.
Doch wie sollten wir an die Laterne kommen?

Der Nordmann von Burg Grenzstein kam zu uns. Er war ein Händler.
Und mit den Orks hatte er auch einen Handel vereinbart:
Sie wollten zwei bestimmte Frauen und einen Heiler haben, dann würden sie uns in Ruhe lassen und uns die Laterne überlassen.
Der Händler versuchte, uns möglichst unauffällig die Frauen zu zeigen, die die Orks haben wollten.
Was mit den Frauen passieren würde?
Darüber wollte ich lieber gar nicht nachdenken.
Doch ich kannte keine der beiden Frauen und bevor die Orks oder die Geister uns töteten, würde ich lieber die Frauen ausliefern.
Wir mussten es nur so unauffällig tun, dass die Begleiter der Frauen nichts mitbekommen würden.
Sonst würden sie uns wahrscheinlich töten, darauf konnte ich verzichten.

Breeg und ich beschlossen, uns erst einmal die beiden Gräber anzuschauen.
Eine Elfin kniete vor den Gräbern, doch die Geister der Verstorbenen schienen ihr nicht zu antworten.
Die Namen der Verstorbenen waren in den Grabstein geschlagen worden.
Erik und Edmund hießen sie.
Breeg hatte die Idee, mit den Geistern schriftlich zu kommunizieren. Wieso auch nicht?
Ich nahm Stift und Papier aus meiner Tasche und kniete mich neben die Elfin.
Vorsichtig legte ich beides vor eines der Gräber.
Auf einmal vernahmen wir Geräusche.
„Flieht!“, kam es aus dem Nichts.
Immer wieder.
Immer lauter.
Schnell packte ich Stift und Papier wieder ein.
„Flieht!“, war ein eindeutiges Zeichen.
Wir entfernten uns einige Schritte von den Gräbern.
„Blut für mein Blut!“, kam es dann aus dem Nichts.
Die Elfin konnte nicht aufstehen.
Wir versuchten, sie von den Gräbern zu heben, damit sie in Sicherheit war.
Es gelang keinem von uns.
„Jemand muss etwas von seinem Blut geben.“
„Wie viel denn? Alles? Einen Tropfen?“
„Und wer muss es geben?“
Es wurde stark diskutiert.
Sie kamen bald zu dem Ergebnis, dass die Elfin selbst ihr Blut geben musste.
Da sie es nicht selbst konnte, schnitt ihr jemand mit dem Dolch in die Hand.

Breeg und ich verschwanden schnell.
Blut und Geister waren nie eine gute Kombination.
Ich wollte gar nicht in der Nähe sein. Wer wusste schon, was passieren würde?

Wieder trafen wir auf den Händler und überlegten, wie wir die Frauen zu dem Orklager schaffen konnten.
Der Händler hatte eine Flüssigkeit, mit der er die Frauen gefügig machen wollte. Er musste es nur irgendwie schaffen, es ihnen einzuflößen.
Außerdem brauchte er noch einen Heiler. Doch ich würde es nicht machen. Niemals.
Der Händler lief also wieder zur Taverne, um einen Heiler für sein Vorhaben zu finden.
Breeg und ich waren nicht sicher, ob wir ihm trauen konnten.

Auf einmal kam ein anderer Mann angelaufen. Er hatte zwei kurze Waffen bei sich.
Und dann… rannte er auf die Orks zu.
Auf die Orks!
Es interessierte ihn gar nicht, dass es vier waren und er alleine kämpfte.
Ich wollte ihn am Liebsten unterstützen, doch er war so schnell.
Vom einen auf den nächsten Moment lag der erste Ork. Dann sprintete er zum nächsten.
Er war ein guter Kämpfer, doch würde er sie alle besiegen können?
Wie schnell starben Orks überhaupt?

Doch die Orks standen schnell wieder auf. Sie starben also nicht ganz so schnell. Und ich hatte es verpasst, zu helfen. Ich hätte ihm so gerne geholfen. Gegen Orks.

Der Händler kam wieder zu uns und erzählte von seinen Fortschritten.
„Ich denke wir haben andere Problem.“, erwiderte ich und zeigte auf die Orks, die gerade dabei waren, ihren Angreifer mit ins Lager zu nehmen. Sein Schicksal war besiegelt.
„Oh, ich denke den Handel können wir jetzt vergessen…“, schloss der Händler aus dem, was er sah. Wir nickten.
Doch die Orks hatten scheinbar etwas ganz anderes vor.
Es war mittlerweile dunkel geworden und die Orks hatten einen Kreis aus Feuer gebildet. Wollten sie ein Ritual durchführen?
Das verhieß nichts Gutes.

Bald kam ein Bogenschütze auf uns zu. Er hatte einen Langbogen und fing an zu lachen, als er zu mir kam.
„Das ist aber ein kleiner Bogen.“, lachte er und zeigte zu mir.
Machte er sich etwa über meinen Bogen lustig?
„Reicht aber. Treffe ich jedes Ziel.“, erwiderte ich kalt. Ich ließ mir doch von einem Fremden nichts sagen.
Da kam Breeg eine Idee.
„Wir sind vier Bogenschützen…“, überlegte er. „Und vier Orks.“
„Hast du gut erkannt.“, gab der Bogenschütze mit dem Langbogen grinsend zurück und rief zwei seiner Begleiter. Sie waren ebenfalls Bogenschützen.
Wir wollten also wirklich auf diese Orks schießen?
Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, ob es eine kluge Idee war.

Wir machten uns bereit, stellten uns in einer Reihe auf.
Der Bogenschütze mit dem Langbogen wollte anfangen. Er spannte den Pfeil und… ließ ihn los. Er fiel direkt zu Boden.
Ich schüttelte den Kopf.
Nein, das waren keine Bogenschützen.
Ich steckte meinen Pfeil zurück in den Köcher und ging von der Gruppe weg. Nicht, dass sie mich noch mit einem ihrer Pfeile trafen.

Der Name dieses unfähigen Bogenschützen war Wilhelm. Und er schoss dem Händler direkt ins Knie.
War das Absicht oder Versehen?
Der Händler wurde von Alvares versorgt, doch er war sehr wütend.
„Kopfgeld auf den Bogenschützen! Bringt ihn mir gefesselt!“, rief er zornig.
Offensichtlich hatte er noch Schmerzen.

Ich ging zu Wilhelm, dem Bogenschützen.
„Warum hast du das gemacht?“, fragte ich ihn.
„Er hat gesagt ich schieße nicht gut.“, gab er zurück.
„Und dann schießt du ihm ins Bein?!“
Ich war fassungslos.
„Na Ja. Ja. Ich hab ihn getroffen…“
„Man schießt keinem Kampfgefährten ins Bein! Du solltest die Orks treffen!“, rief ich und schüttelte den Kopf. Wie konnte man nur so sein?
„Hm“
„Entschuldige dich bei ihm!“, forderte ich ihn auf.
„Aber.“
„Sei nicht so stolz. Kannst stolz sein, wenn du dich entschuldigt hast. Dann sage ich ‚Wilhelm. Hast du gut gemacht‘, da? Machen wir so?“, schlug ich ihm vor.
Er zögerte einen Moment, dann stimmte er zu.
Wilhelm verhielt sich eher wie ein Junge, nicht wie ein erwachsener Mann.

Wenig später kam der Händler aus der Taverne heraus. Er hatte noch immer Schmerzen und humpelte.
„Hat er sich entschuldigt?“, fragte ich den Händler direkt.
„Ja. Aber das reicht mir nicht.“, knurrte er.
Ich könnte ihm helfen., schoss es mir durch den Kopf.
Doch ich musste wieder an Kirren denken.
Was, wenn die Kraft Odins mich wirklich verlassen hatte?
Ich musste es ausprobieren.
„Ich… Ich könnte versuchen, zu heilen…“, schlug ich leise vor.
Wollte ich das wirklich?
„Versuchen?“, fragte er direkt nach.
Ich zögerte.
„Es… Es kann sein, dass es wehtut.“, gab ich kleinlaut zurück.
Sehr weh tut., dachte ich.
Der Händler zögerte kurz, zuckte dann mit den Schultern.
„Wenn ich danach wieder kämpfen kann. Ich glaube, das was die Orks da machen geht böse aus.“ Er deutete auf das Ritual, das in vollem Gange zu sein schien.
Ich nickte.
„Ich versuche, mich zu beeilen. Setzt Euch.“, forderte ich ihn auf und kramte die Runen aus meiner Tasche.
„Glaubt Ihr an Odin?“, fragte ich dann.
Er schüttelte den Kopf.
Ich atmete tief ein.
Würde es trotzdem funktionieren?
Ich gab dem Mann zwei meiner Runen in die Hand.
Nachher würde ich sie reinigen müssen, doch wenn es funktionierte, war es das wert.
Alvares gab uns etwas zum Betäuben der Wunde. Das würde die möglichen Schmerzen hoffentlich gering halten.
Also fing ich an.
Isa.
Algiz.
Laguz.
Er schrie nicht.
Ich blieb bei Bewusstsein.
Hatte es funktioniert?
Ich fühlte mich nur etwas schwach, mehr nicht.
„Das ist gut.“, erwiderte der Händler. „Runenmagie scheint wirklich gut zu sein. Habt Dank.“
„Habt Ihr Schmerzen?“, fragte er sofort.
„Nein. Es juckt nur etwas.“, gab er zurück.
„Nicht kratzen!“
Keine Schmerzen?
Lag es etwa doch nicht an mir?
Konnte das sein?

Ich fühlte mich etwas erschöpft, also half Breeg mir, mich zu entfernen.
Wir vernahmen lautes Knallen.
Die Orks.
Das Ritual.
Zwei Gestalten kamen zu uns.
Sie sahen furchterregend aus.
Schnell legte ich Köcher und Bogen an die Seite und nahm Axt und Schwert.
Die beiden Gestalten hatten lange Waffen.
Konnte ich es überhaupt schaffen?
Die anderen Kämpfer fingen an, anzugreifen.
Doch die Gestalten schien es nicht zu interessieren.
Im Gegenteil.
Sie lachten alle Angreifer aus.
Einer der Gestalten fing an zu schreien.
Ein markerschütterndes, fürchterliches Schreien.
Es war schrecklich.
Einige Kämpfer ergriffen die Flucht.
Ich rannte quer über die Wiese, wollte etwas Abstand gewinnen.
So würden wir sie nicht besiegen können.
Doch auch die Orks waren mit den Gestalten beschäftigt.
Waren es etwa Edmund und Erik?
Die Geister?
„Die Laterne! Wir brauchen die Laterne!“
Breeg lief los, rannte zum Orklager.
Er schaffte es.
Er nahm die Laterne mit.

Schnell rannten wir zu den Gräbern. Mussten wir hier die Laterne hinbringen? Würden die Geister verschwinden?
Wir standen an den Gräbern, sahen uns um.
„Passiert etwas?“, riefen wir den anderen Kämpfern zu, die die Geister auf Abstand halten wollten.
Es passierte nichts.
Wir hatten es also nicht richtig gemacht.

Mit der Laterne in der Hand liefen wir zu einem der Geister. Es war der große Geist, der nicht so laut schrie. Dafür war er stark.
Es brachte etwas.
Ein Schlag.
Der Geist schrie auf.
Ein weiterer Schlag.
Noch ein Schlag.
Er wehrte sich, doch bald ging er zu Boden… und verschwand.
Breeg wurde verletzt.
Schnell übergaben wir die Laterne einem anderen Kämpfer.
Ich half Breeg auf und brachte ihn schnell zu Alvares. Dann stürzte ich mich wieder in den Kampf.

Die Kämpfer liefen gerade zu dem kleineren Geist. Auch er schien durch die Laterne verletzlich zu sein.
Wir besiegten ihn, doch dann kam der große Geist wieder.

Also rannten wir wieder rüber zu ihm, griffen ihn wieder an.
Gerade, als wir ihn zu Boden geschlagen hatten, zog er sein Schwert über die rechte Seite meiner Hüfte. Ich schrie auf.
Ich musste das Schlachtfeld schnell verlassen, um nicht noch mehr Verletzungen zu riskieren. Also humpelte ich schnell in Richtung Taverne.
Ich setzte mich hin und schüttete rücksichtslos Metka in die Wunde und schrie auf. Es brannte so furchtbar.
Dann nahm ich einen Verband aus meiner Tasche und versuchte, die Verletzung zu verbinden. Es war schwierig, doch als ich meine Zähne zur Hilfe nahm, gelang es mir. Die Blutung war so erst einmal gestoppt.

Die Begleitung von Alvares half mir in die Taverne. Dort versorgte Alvares gerade die Wunde von Breeg. Er war fast fertig.
Ich setzte mich dazu.

Alvares sah sich die Wunde an und nähte sie kurzerhand mit fünf Stichen. Jeder einzelne war schmerzhafter als der vorherige. Ich hasste es einfach.
Als er endlich fertig war, gab er mir etwas, das die Wunde betäubte. So würde ich weiter kämpfen können. Zumindest so lange, bis die Schmerzen zurück kommen würden.

Breeg und ich liefen also wieder raus.
Ein Mann stand mit der Laterne direkt vor dem großen Geist.
Der Geist wollte die Laterne haben, doch der Mann wollte nicht nachgeben.
Daraufhin lachte der Geist nur und verletzte den Mann schwer. Was genau er tat, sah ich nicht, doch der Mann ging keuchend zu Boden.
Niemand half ihm.
Wieso half ihm niemand?
„Gebt ihm Laterne!“, rief ich.
Die anderen wollten sich zuerst beraten.
Doch dafür war keine Zeit, wenn dieser Mann dort überleben sollte.
Immerhin hatte er sich für uns alle eingesetzt.
Schließlich gaben sie dem Geist die Laterne.
Ich rannte zu dem am Boden liegenden Mann.
Er musste erst einmal weg von hier.
Ich wollte ihn heben, doch er war zu schwer.
Breeg kam zu mir, gemeinsam schafften wir es.
Wir brachten ihn in Richtung Taverne, kurz vorher brach der Mann wieder zusammen.
Es ging ihm sehr schlecht.
Ich musste handeln. Sofort.
Ich erkannte eine Wunde am Bauch, eine am linken und eine am rechten Oberschenkel. War das alles? Ich war nicht sicher. Doch um diese musste ich mich erst einmal kümmern.
Ich nahm meinen Alkohol und schüttete ihn auf die Wunde am Bauch. Er schrie auf.
„Der gute Alkohol verschwendet für einen wie mich.“, murrte der Verletzte schwach.
„Ihr müsst wach bleiben. Wie ist Euer Name?“
„Conner.“
Ich verband die Wunde. Dafür musste ich ihn hochheben.
Er schrie etwas auf.
„Tut mir Leid, muss sein.“, murmelte ich und verband seinen Bauch. Es war mühselig, doch es funktionierte.
Eine Frau saß an der rechten Seite des Mannes, Breeg auf der anderen. Ich überreichte der Frau Alkohol und einen Verband. „Einmal auswaschen und verbinden.“, bat ich. Dann nahm ich meine Runen und fing an.

Ich erwachte in einem Waldstück.
Es kam mir bekannt vor.
Ich blickte mich um.
Die Kopfschmerzen waren unerträglich und mir war schwindelig.
Wie war ich hierher gekommen?
Von Weitem sah ich die Taverne.
Sie feierten.
Was war nur passiert?
Langsam erhob ich mich. Es war anstrengend.
Ich wankte in Richtung Taverne.
Der Händler kam mir entgegen.
„Geht es Euch gut?“, fragte er.
Ich nickte leicht.
„Was ist passiert?“, fragte ich sofort.
„Hm, wir sind die Geister wohl losgeworden.“, erklärte er. „Was möchtet Ihr wissen?“
Breeg kam zu uns.
„Anastasya.“
Ich nickte.
„Was ist passiert?“, fragte ich auch ihn.
„Du hast Conner geheilt.“, antwortete er mir. „Dann bist du zusammen gebrochen. Wir haben dich zu der Taverne gebracht und auf eine Bank gelegt. Auf einmal warst du weg.“
„Weg?“
Ich sah mich verwirrt um.
„Die Körper dieser Gestalten haben wir bestattet. Dann haben sie aufgehört, anzugreifen.“, setzte Breeg seine Erklärung fort.
Ich musste irgendwie zu dieser Wiese gekommen sein.
Es hatte keinen Zweck, darüber nachzudenken.
„Ist schon einmal passiert…“, murmelte ich.
Mein Kopf schmerzte immer noch sehr. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Kann man hier schlafen?“, fragte ich.
Ich wollte nichts außer schlafen. Einfach nur schlafen…
Wir gingen zur Taverne.
Sie hatten tatsächlich noch ein paar Betten frei.
Ich legte mich hin.
Am nächsten Tag konnte ich immer noch über den befestigten Weg weiterreisen. Den Sumpf würde ich nicht mehr betreten.
Ich fiel in einen tiefen Schlaf.

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2 Kommentare

Bodo · 04.07.2018 um 13:15

Sehr schön geschrieben Bodo gefällts ;D

    anastasya · 04.07.2018 um 13:55

    Danke, Herr Ork-Freund! 😀

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