Ich erwachte recht früh am nächsten Morgen.
Breeg hatte auch in der Taverne geschlafen, immerhin hatten wir die Geister ja besänftigen können.
Länger wollten wir allerdings nicht hier bleiben.
Doch durch den Sumpf zurück? – Niemals.
Es sollte doch einen anderen Weg über einen Weg durch den Wald geben.

Wir verließen also den Ort und fanden auf der anderen Seite vom Sumpf tatsächlich besagten Weg. Wohin würde er uns wohl führen?
Wir würden es bald herausfinden.
Meine Fallen nahm ich jedoch nicht mit.
Wo auch immer wir ankommen würden, würde ich mir eine neue bauen.
Und auch Breeg wollte sich etwas bauen: Einen Bogen.
Eine gute Idee für einen Jäger.
Während wir den Wald durchquerten, hielt ich immer wieder Ausschau nach einem bestimmten Baum… Und bald fanden wir ihn. Gewaltig und mit gezackten Blättern:
Eine Ulme.
Seine Äste eigneten sich besonders für die Bogenarme.
Breeg trennte mit einem seiner Messer verschiedene Äste ab und entschied sich dann für eine bestimmte Form. Dann begann er, den Ast zurecht zu schnitzen.
In der Zwischenzeit nahm ich meinen eigenen Bogen.
Immerhin brauchten wir eine Sehne.
Ein Tier zu erlegen würde wohl am Schnellsten zum Ergebnis führen.
„Hirsch?“, fragte ich zur Sicherheit noch einmal nach.
Breeg nickte, während er weiter schnitzte.
Mir fiel Jagen einfacher. Zum Schnitzen brauchte man mehr Geduld, als ich dafür aufbringen konnte und wollte.
Also legte ich mich auf die Lauer.
Im Wald auf ein Tier zu warten war angenehmer für mich. Weshalb auch immer.
„Skadi. Ich jage in deinem Namen und im Namen Odins. Leite meinen Pfeil.“, murmelte ich leise, nahezu lautlos.
Ich schlich mich weiter an, entfernte mich immer mehr von der Ulme, unter der Breeg saß.
Doch bald näherte sich ein Kahlwildrudel.
Zum Glück war es Frühling, denn nur während der Brunft mischten sich auch die Hirsche unter die Weibchen.
In diesem Fall war es nur ein Hirsch. Ich musste ihn also treffen, bevor er mich mit dem Geweih erwischen konnte.
Schuss – Treffer.
Das Rudel schreckte auf.
Sie rannten.
Was sollten sie auch sonst unternehmen?
Doch ich schoss bereits den nächsten Pfeil ab, traf den Hirsch im Lauf.
Er ging zu Boden – ich rannte hin.

Mit den beiden Hinterläufen in der Hand kehrte ich zu der Ulme zurück, bei der sich Breeg befand.
Etwas von dem Fleisch hatte ich auch mitgenommen, nur für die Knochen war leider kein Platz mehr.
Der ehemalige Ast hatte bereits eine schöne Bogenform angenommen.
Ich entnahm die Sehne aus einem der Hinterläufe. Keine schöne Arbeit – musste aber gemacht werden.
Inzwischen hatte Breeg auch die Kerben im Holz vorbereitet.
Wir spannten die Sehne probeweise, kürzten sie noch etwas. Dann war sein Bogen bereit.
„Können unterwegs noch Pfeile schnitzen.“, schlug ich vor. „Doch erst weitergehen, da?“
„Ja, machen wir.“

Breeg schaffte es, sogar im Laufen ein Ende der Äste anzuspitzen, um so ein paar erste Pfeile herzustellen. Für den Anfang würde es reichen. Federn konnte er immer noch hinzufügen, wenn der Pfeil besser fliegen sollte.

Bald kamen wir zu einem Waldstück, das mir erschreckend bekannt vorkam.
Die Zusammenstellung der Bäume…
„Ich denke, kenne ich diesen Ort.“, murmelte ich. Ich wusste aber nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Von der Seite stolperte etwas aus einem dichter bewachsenen Waldstück mit viel Unterholz… oder besser: Jemand.
„Lynx!“, begrüßte ich sie.
„Anastasya!“
Sie wirkte froh, mich zu sehen. Hatte sie sich wieder im Wald verirrt?
Ich überlegte kurz, wo ich sie zuletzt gesehen hatte… Es musste auf dem Phönixnest gewesen sein.
Dann hörten wir Schreie, Rufe. Sie hallten von der anderen Seite des Waldes direkt zu uns.
Ein Kampf?
Ich nahm sicherheitshalber einen Pfeil aus dem Köcher. Wir liefen aus dem Waldstück heraus. Die Schreie waren noch immer zu hören.
Ich erstarrte. Es kam mir bekannt vor. Ich kannte die Stimme.
„Bjorn!“, rief ich. Ich konnte ihn nicht sehen.
Die anderen folgten mir.
Das musste Bjorns Stimme sein.
Je näher kamen, desto mehr bestätigte sich der Verdacht.
Ich erkannte Bjorn.
Und hinter ihm drei Gestalten, die vor ihm zu fliehen schienen.
Bjorn sah ihnen kurz nach, richtete dann den Blick auf uns.
Was war dort los?
„Bjorn! Was ist?“, fragte ich ihn, als ich nahe bei ihm war.
„Waren Banditen. Wollten Kupfer von mir haben.“, erwiderte er.
„Aber hast du nicht gegeben Kupfer?“
„Njet! Natürlich nicht! Haben sie Angst vor Axt bekommen und sind geflohen.“
„Sollten wir Bescheid sagen zu Gräfin und Graf, eh?“, schlug ich vor.
Die anderen blickten mich etwas fragend an.
„Sind wir in Moordorf ich denke.“, fügte ich als Erklärung zu.
Lynx und Bjorn waren schon einmal hier gewesen.
„Kennst du Ort?“, fragte ich Breeg. Ihn hatte ich hier noch nicht gesehen.
Er schüttelte den Kopf.
„Haben sie Graf und Gräfin hier. Ist gute Taverne, darf man aber nicht ohne Genehmigung jagen.“, erklärte ich. Dann warf ich kurz einen Blick auf Breegs Bogen.
Haben wir nicht hier gejagt…, überlegte ich leise und grinste etwas.
War nicht das erste Mal, dass ich die Gesetze des Landes gebrochen hatte.

Gemeinsam liefen wir den Waldweg entlang bis zu dem großen Teich, der ebenfalls von Bäumen umgeben war. Die Enten darin durfte man auch nicht jagen. Dabei hatte ich es letztes Mal beinahe geschafft, eine mit bloßen Händen zu erwischen.
Und ich schien nicht die Einzige zu sein, die das vorhatte.
Von Weitem sah ich, wie sich Jemand den Enten ganz langsam näherte. In der Hocke, um sie nicht zu sehr zu erschrecken.
Und bald erkannte ich die Person.
Rhea.
Die Freundin von Lynx.
Ich hatte sie beim letzten Mal in Moordorf kennengelernt.
„Rhea!“, rief Lynx und lief auf ihre Freundin zu.
Die Enten erschraken und liefe weg, doch Rhea schien das auch nicht mehr wichtig zu sein. Auch sie rannte Lynx entgegen. Sie umarmten sich.
War Rhea etwa den ganzen Mond in Moordorf geblieben?
Hatten sie sich nicht irgendwo im Wald verloren?
Dann stellten sich Rhea, Lynx und Bjorn auch Breeg vor, der diese ganzen Menschen ja noch gar nicht kannte.
Ich erklärte ihnen kurz, dass er ebenfalls ein Jäger war und ich ihn in den Sümpfen kennengelernt hatte.

Wir wollten gemeinsam hinunter zur Taverne gehen, um der Gräfin und dem Graf von den Banditen zu berichten, als ich auf einmal ein bekanntes Gesicht war.
Eines, das ich nicht sehen wollte.
Es starrte mich direkt an.
Und ich drehte mich um und rannte.
Ich rannte zurück, den Waldweg entlang, durch das Unterholz.
Hörte Schritte hinter mir, hörte Rufe.
Rannte schneller. Weiter. Weg.
Ich keuchte irgendwann.
Der See befand sich direkt an der Seite.
Ich lief hinunter, setzte mich ans Ufer. Atmete schnell.
Mein ganzer Körper zitterte.
Wieder hörte ich Stimmen.
Eine Stimme.
Sie rief meinen Namen.
Erst da erkannte ich, dass es nicht Kirrens Stimme war.
Erleichtert keuchte ich auf.
Nicht der, der mich töten wollte also.
Nein.
Es war Bjorn. Er suchte mich.
Ich sah ihn, wenn ich zwischen den Bäumen hindurch sah.
Wollte ich, dass er mich fand?
Ich war mir nicht sicher.
Ich wollte doch nicht, dass er mich für schwach hielt.
Doch vermutlich war es dafür schon zu spät.

Ich seufzte und starrte ins Wasser.
„Anastasya.“. Das Rufen wurde leiser – er hatte mich entdeckt. Er kam zu mir.
„Anastasya, was ist?“, fragte er direkt.
„Hast du nicht gesehen?“. Meine Stimme klang verzweifelter als sie sollte. Ich verachtete mich dafür.
„Was habe ich nicht gesehen?“
„Kirren.“, erwiderte ich leise.
„Kirren. Doch, habe ich gesehen. Und?“. Bjorn schien es nicht zu verstehen. Wie sollte er auch.
„Ich denke will er mich töten.“, murmelte ich, ohne Bjorn anzusehen.
„Warum?“
„Weißt du nicht mehr, wie er mich angeschaut hat an Phönixnest?
Bjorn überlegte kurz.
„Aber warum?“
„Ich weiß nicht.“, erwiderte ich. Und ich wusste es wirklich nicht. „Dachte er, will ich ihn quälen.“
Die Erinnerungen an das Gespräch in der Taverne kamen zurück. Wie er aufgestanden war und mich an den Schultern gepackt hatte. Sein Blick. Voller Hass. Voller Verachtung. Der Wunsch, mich zu töten. Ich hatte alles in seinen Augen gesehen.

Mein Körper zitterte weiter.
„Wenn er dich töten will, hat er Axt im Kopf.“, erwiderte Bjorn kühl.
„Aber… aber will ich ihm doch nichts tun.“, gab ich verzweifelt zurück. Jetzt war es ohnehin zu spät, so zu tun, als lasse es mich kalt.
„Anastasya, was ist denn los? Hast du wirklich Angst vor diese Mann? Hast du vor gar nichts Angst!“. Bjorn wirkte tatsächlich überrascht. So, als könnte er es gar nicht fassen.
Ich nickte kurz.
Er hatte Recht. Ich hatte keine Angst. Hatte.
„Da. Hast du nicht gesehen, wie er mich angeschaut hat… Blick war vorhin gleicher.“, überlegte ich laut.
„Anastasya. Wollen wir nicht zu Graf und Gräfin gehen? Können wir Kupfer machen. Willst du nicht Kupfer haben? Komm jetzt mit!“, forderte Bjorn mich auf und trat ein paar Schritte zurück.
„Da. Kannst du ruhig gehen. Will ich nicht…“, erwiderte ich.
„Willst du ganze Tag hier sitzen bleiben?“. Darauf wusste ich keine Antwort. Wollte ich?
„Warum macht Odin das mit mir?“, fragte ich nach einem Augenblick der Stille.
„Kann niemand Götter verstehen.“, erwiderte Bjorn.
Ich zuckte zusammen.
„Da.“, gab ich traurig zurück. „Kann niemand.“
Sollte ich es auch nicht mehr versuchen?, fragte ich mich.
Doch ich dachte an die Sümpfe zurück.
An Conner.
Ihm konnte ich das Leben retten.
Wieso konnte das nicht immer funktionieren?

„Anastasya, komm jetzt mit! Wir gehen jetzt und reden mit Kirren. Ist er sowieso schwach. Dann machen wir Kupfer mit Banditen. Wenn Kirren Böses will, hat er Axt in Kopf, da?“. Bjorn wirkte schon fast genervt.
Ich seufzte.
„Da.“, gab ich etwas widerwillig zurück.
Ich erhob mich und wir liefen zurück, den Waldweg entlang, vorbei am Teich bis zur Taverne.
Doch ich war noch immer nicht ganz bei mir. Mir was schwindelig. Ich zitterte. Ich hatte Angst.
Ich wollte doch nur, dass er mich in Ruhe ließ. Ich hatte Kirren doch nichts getan. Wieso spielte er sich so auf? Ich wollte ihn doch nicht foltern… Ich hatte ihn doch auch gar nicht gefoltert? Oder doch? Ich verstand überhaupt nichts mehr.

Rhea und Lynx standen noch immer an der anderen Seite des Teichs. Ich blieb bei ihnen stehen, während Bjorn schon weiter herunter lief.
Er hatte wahrscheinlich keine Lust mehr, sich mit mir herum zu schlagen. Ich konnte das verstehen.

Ich sprach Rhea und Lynx auf Kirren an und sie erzählten, dass er sehr mitgenommen aussah. Er blutete aus den Augen und war allgemein in einem schlechten Zustand.
Wieder erstarrte ich und blickte sie fragend an.
„Blut aus… den Augen?“, wiederholte ich mechanisch. Meine Stimme begann wieder zu zittern.
Meine Schuld.
Er leidet wegen mir.
Alles meine Schuld.
Wieso?
Was habe ich getan?
Ich starrte zum Himmel.
„Ja, er sieht furchtbar aus.“
Nein… Das durfte nicht sein.
„Njet…“, murmelte ich und schüttelte den Kopf. „Njet… Wieso?“

Eine bekannte Gestalt näherte sich uns bald.
Es war Eldarion, der Elf.
Er war schon das letzte Mal hier in Moordorf gewesen.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich.
Man sah mir also an, was los war.
Ich zögerte.
„Da…“, erwiderte ich – wenig glaubwürdig.
Eldarion sah mich weiter an.
„Was ist denn?“, fragte er erneut nach.
„Hier ist dieser Mann, der mich töten möchte.“, erwiderte ich leise.
„Warum möchte er dich töten?“
„Habe ich versucht, ihn zu heilen…“, erklärte ich.
„Und wieso möchte er dich deswegen töten?“
Erst jetzt verstand ich, wie absurd das Ganze klang.
„Ich weiß nicht… hatte er Schmerzen bei Heilung ich denke.“, gab ich nachdenklich zurück.
Mein Körper zitterte noch immer.
„Wenn du mir sagst, wie er aussieht, kann ich mal mit ihm reden.“, schlug er vor. „Außerdem… hier kann er dich gar nicht töten. Der McAlister Clan steht hinter dir. Wenn er es versuchen sollte, hat er ein großes Problem.“
Ich lächelte dankbar.
„Hab Dank, Eldarion.“
„Du kannst auch mit nach oben zur Taverne kommen, ich feiere meinen Geburtstag nach.“, schlug er dann vor.
„Oh, Geburtstag? Alles Gute!“ Ich umarmte ihn. „Wenn Kirren mich dort nicht tötet, komme ich gerne mit.“
Eldarion grinste. „Die Gräfin ist auch dort. Er wird also nicht einmal seine Waffe ziehen können.“
Das klang vielversprechend.
Ich blickte zu Rhea, Lynx und Breeg.
„Könnt ihr versuchen, neben mir zu laufen, damit Kirren mich nicht sieht?“, fragte ich sie. Es erinnerte mich ans Phönixnest, bei dem ich versucht hatte, nicht von Cato gesehen zu werden. Nur, dass es diesmal viel ernster war.
Sie nickten. Wir würden es versuchen.
Gemeinsam gingen wir also den Weg hinab. Bald erblickten die drei Kirren. Er saß am steinernen Tisch. Also liefen sie an meiner rechten Seite, um mich von ihm abzuschirmen. Es schien zu funktionieren, denn er kam nicht zu uns.
Schnell betraten wir die Taverne und stiegen die Treppen hoch. Bjorn kam mit uns. Wir wollten ja ohnehin die Gräfin bezüglich der Banditen sprechen.

Oben angekommen bat mich der Leibwächter wieder, meinen Bogen zu entspannen. Es war der gleiche Leibwächter wie beim letzten Mal.
Ich fragte ihn, ob auch alle anderen ihren Bogen entspannen müssen. Er verstand nicht. Er dachte zuerst, ich hinterfrage seinen Befehl.
„Ich frage wegen meiner Sicherheit.“, erklärte ich.
Endlich schien er zu verstehen.
Breeg wurde ebenfalls aufgefordert, seinen Bogen zu entspannen.
Bjorn gab seine Axt in die Obhut von Lynx und Rhea, die die Waffe zwar nicht heben, aber sich dagegen lehnen konnten, damit sie nicht umfallen würde. Also lehnte Bjorn sie einfach an die zwei.
Dann ging er direkt zur Gräfin.
Er schien das Kupfer unbedingt haben zu wollen.
Keine schlechte Einstellung, doch mir war es egal.
Was sollte ich mit Kupfer, wenn mir jemand das Leben nehmen wollte, ohne, dass ich ihm etwas angetan hatte?

Bald kam Bjorn wieder und wir verließen zunächst die Taverne.
Er erzählte, dass wir die Banditen töten sollen. Alle, außer den Kopf – den Anführer – der Banditen. Diesen wollten sie lebend.
„Bekommen wir Kupfer?“, fragte ich Bjorn sofort.
„Hm. Njet.“. Ich starrte ihn überrascht an.
Kein Kupfer?
„Werden wir Essen, Trinken und Schlafplatz bekommen.“, gab er zurück.
Ich zögerte.
Wollte ich hier überhaupt schlafen?
Seufzend nickte ich.
„Da. Werden wir finden Räuber.“, erwiderte ich.
Wir sprachen ein paar Personen auf die Räuber an.
Manche hatten ebenfalls welche gesehen, andere wussten nicht, wovon wir sprachen. Immerhin wussten sie jetzt Bescheid.

Gin kam zu mir.
„Halt dich von Kirren fern. Er ist nicht gut auf dich zu sprechen.“
Das waren seine Worte.
Keine Begrüßung. Nur das.
Ich nickte.
„Da. Weiß ich.“
Nur wieso wusste ich nicht.

Kirren trat auf uns zu. Rhea, Lynx und Breeg warnten mich. Doch auch Bjorn stand hier. Kirren würde sich nicht trauen, mich anzugreifen…
Würde er?
Erst, als er schon vor mir stand, bemerkte ich, wie mein Körper zitterte.
Immer noch?
Oder schon wieder?
„Hallo. Ich muss mit dir reden. Alleine.“
Ich starrte ihn an.
Er sah wirklich nicht gut aus.
Sein Gesicht war blutverschmiert. Die Augen müde, umrahmt von dunklen Ringen. Eingefallen. Erschöpft.
Was hatte er durchgemacht?
War es wirklich meine Schuld?
„Da. Aber nicht alleine. Bjorn kommt mit.“
Kirren war einverstanden. Wahrscheinlich wusste er, dass ich nicht so dumm war, mit ihm alleine zu gehen.
Gemeinsam gingen wir ein Stück.
Kirren legte seine Waffen ab. Ich beobachtete ihn kurz und tat es ihm gleich.
Wirklich nur ein Gespräch?
Ich war etwas misstrauisch.
Gin gesellte sich dazu.
„Gin, bist du unhöflich.“, ermahnte Bjorn ihn. Doch Kirren erlaubte ihm die Anwesenheit.
Was würde jetzt passieren?
Was wollte er mir sagen?
Ohne Waffen konnte er mich nicht töten.
Oder?
Er zeigte mir einen Gegenstand. Erklärte mir, was er darüber wusste. Erklärte mir, was mit ihm los war, warum er so zerstört aussah.
Wieso erzählte er mir das?
Verabscheute er mich nicht?
Ich konnte es nicht deuten.
In seinem Blick lag kein Vertrauen, im Gegenteil. Eher Hass. Aber er erzählte es mir.
Er bat mich, es nicht weiter zu erzählen. Und ich wollte und würde es auch nicht weiter erzählen. Doch ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Nach wie vor.
Er fragte mich, ob ich bei der Heilung etwas gespürt hatte.
Etwas, das anders war.
Etwas, das ich ihm sagen konnte, das ihm vielleicht helfen konnte.
Und in diesem Moment wollte ich ihm helfen.
Ich wollte, dass es ihm besser ging, damit er nicht mehr so erschöpft aussehen musste.
Damit er nicht mehr aus den Augen blutete.
Damit er nicht mehr so müde aussah.
Wieso?
Ich weiß es nicht.

Nach unserem Gespräch wollte wir nach den Banditen suchen. Kirren und Gin schlossen sich unserer kleinen Gruppe an. Wir waren nun also zu siebt. Eine ausreichend große Gruppe, um die Banditen zu töten und den Anführer zu fesseln.
Und auch genügend Personen, die mich vor Kirren beschützen konnten.
Immerhin wusste nun jeder von ihnen, wie das Verhältnis zwischen Kirren und mir war.
Dass Bjorn auf meiner Seite stehen würde, war klar. Auch Breeg vertraute ich da vollkommen, immerhin hatten wir in den Sümpfen Seite an Seite gekämpft und Kirren sah er hier zum ersten Mal. Bei Lynx und Rhea machte ich mir auch wenig Sorgen. Sie wirkten nicht so, als wollten sie mich hintergehen. Außerdem waren sie nicht dumm. Sie konnten sich sicher denken, was das für Auswirkungen für sie hätte.
Nur bei Gin war ich mir nicht sicher. Er kannte Kirren immerhin schon länger. Ich wusste nicht, was sie schon alles gemeinsam durchgemacht hatten.
Und es machte mich traurig, dass ich so sehr darüber nachdenken musste, was passieren würde, wenn Kirren mich angreifen wollte.

Gemeinsam begaben wir uns also zurück zu dem Waldstück, bei dem wir Bjorn gesehen hatten. Er zeigte uns die Stelle, an der er die Banditen bekämpfen wollte. Die Stelle, an der sie geflüchtet waren.
Doch wir fanden nichts.
Keine Banditen, keine Spuren. Gar nichts.
Waren wir zu laut gewesen? Zu viele?

Wir liefen also wieder zurück.
Auf dem Rückweg sprach ich mit Bjorn.
„Wo warst du? In Bärenfels?“, fragte ich ihn.
„Da, bin ich in Bärenfels gewesen.“, erwiderte er.
„Ah, bei Carmen?“, fragte ich und grinste.
Er nickte.
„Da, war ich bei Carmen.“, antwortete er. So, als sei es vollkommen normal.
Ich seufzte.
„Ah. War schön, eh?“
„Da, habe ich Carmen kleine Holzaxt gegeben.“, setzte er fort.
„Hast du… kleine Holzaxt… gegeben?“. Ich grinste immer noch.
„Da. War aber nicht für Carmen. War für kleine Mann.“
„Kleine Mann?“. Ich war verwirrt.
„Da. Für kleine Mann.“, wiederholte Bjorn nur. Es half mir nicht. Wollte er einfach nur ablenken?
Bald waren wir wieder an der Taverne angekommen und setzten uns an den steinernen Tisch.
Auf einmal sammelten sich sehr viele der Anwesenden an dem kleinen Wiesen-Stück, von dem aus man den Fluss gut erreichen konnte.
Ich fragte mich, was dort passiert war und erhob mich ebenfalls.
Leider konnte ich nichts erkennen, also sprach ich Yara, die dunkel gekleidete Frau mit dem schwarzen Tuch auf dem Kopf an.
„Yara, was passiert dort?“, fragte ich sie direkt.
Sie lachte. „Ich weiß nicht genau, aber der Bauer bekommt ein Silber dafür.“
Ein Silber?!
Ich drängte mich etwas zwischen die Personen. Was für einen Bauer meinte sie überhaupt?
Ich erfuhr es kurz darauf. Ein Bauer mit zerschlissener, brauner Kleidung kam gerade aus dem Fluss. Hatte er sich etwa gewaschen? Im Fluss gebadet?
Kurz redete ich mit dem Zwerg, der zu dem Clan der Wassenbergs gehörte.
Allem Anschein nach erhielt der Bauer ein Silber dafür, dass er sich wusch.
Er schien wirklich gestunken zu haben.
„Oh, will ich auch Silber für waschen.“, murmelte ich, doch ich würde wohl niemals so stinken wie dieser Bauer. Zumindest war das die Meinung der Umstehenden.

Ich redete noch etwas mehr mit dem Zwerg. Es liefen einige seltsame Gestalten auf der Taverne herum, doch da das ständig der Fall war, fragte ich nicht immer nach, um was für Wesen es sich handelte.
Doch eine Gestalt war mir besonders aufgefallen. Es sah seltsam aus. Und es stank. Meiner Meinung nach sogar schlimmer als der Bauer. Gegen tierischen Gestand hatte ich ja nichts.
Ich fragte den Zwerg danach.
Er erklärte mir, dass es sich um einen Nurgle handle. Was auch immer das war.
„Nörgl?“, fragte ich verwirrt.
„Nurgle.“, wiederholte der Zwerg. „Ja. Chaos-Anhänger.“
Ich verdrehte die Augen. Nicht schon wieder.
Besagter Nurgle hielt sich stets in der Nähe der Gräfin auf. Kein gutes Zeichen.
Entweder etwas war mit der Gräfin faul oder sie befand sich ständig in unmittelbarer Gefahr. Aber ihre Leibwache musste diese Gefahr doch erkennen. Oder nicht? Oder verfolgten sie einen Plan?

Der Bauer kam vom Flussufer zu uns.
„Jetzt hab ich mich ja gewaschen, jetzt kann ich mich ja auch vorstellen. Mein Name ist Paul“, erklärte er und reichte jedem von uns die Hand. Wir begrüßten ihn und stellten uns ebenfalls vor.
Er trug ein kleines Schwein bei sich.
Er erklärte, dass es eine Zuchtsau ist und sie noch wachsen müsse.
Wir unterhielten uns eine Weile über Schweine, Wildschweine und andere Tiere.
Dann beschlossen wir, gemeinsam mit einer großen Gruppe los zu gehen, um nach den Banditen zu suchen.
Einige dieser Personen kamen mir bekannt vor, mit vielen hatte ich schon gemeinsam gekämpft.
Vor allem den Mann mit dem Hammer hatte ich schon sehr oft getroffen. Mit ihm sprach ich ebenfalls über den Nurgle. Er verriet mir, dass diese Wesen von innen verfaulen. Und, dass sie aus einer seltsamen Mischung verschiedener Tiere und Menschen entstehen. Ich verstand nicht ganz, wie das funktionierten sollte, doch wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch nicht zu genau wissen.
Außerdem redeten wir über einen seltsamen Krieger, der mir schon oft aufgefallen war. Egal, wo ich war, ich sah ihn immer rastlos hin- und herstreifen. Manchmal starrte er mich an. Sein Blick war leer. Nie sagte er etwas.
Der Mann mit dem Hammer erklärte mir, dass dieser Mann die Toten in das Totenreich begleite.
Helheim., dachte ich sofort.
„Ich glaube, er hat nur zu viel Räucherwerk von Kräutern zu sich genommen. Vielleicht die falschen Kräuter.“, gab der Mann mit dem Hammer zu bedenken.
Ich fragte den Mann nach seinem Namen, doch er verriet ihn mir nicht.
Bei ihm stand noch ein anderer. Er hatte eine lange Schusswaffe bei sich. Ich hörte, wie er über diese Waffe sprach. Wir kamen ins Gespräch, weil wir auf die übrigen Krieger warteten, die ebenfalls nach den Banditen suchen wollten.
Es stellte sich heraus, dass der Mann mit der Schusswaffe sich „Musketier“ nannte.
„Aber seht Ihr doch aus wie Mensch.“, gab ich zu bedenken. „Nicht wie Tier.“
„Ah. Muskel-Tier? Ich glaube nicht.“, kam es lachend von der Seite.
„Njet. Muske-Tier. Habt Ihr das nicht gesagt?“, fragte ich den Mann, über den wir sprachen.
Dieser lachte ebenfalls.
„Nein, kein Tier. Das hier ist eine Muskete. Und die Anrede ‚Ihr‘, also Musketier. Wir nehmen unsere Profession als Titel.“, erklärte er.
Ich begann zu verstehen.
„Also bin ich Jägerin-Ihr?“, fragte ich. Sie lachten.
„Ja. Könnte man sagen.“
Ich zuckte mit den Schultern.
Seltsamer Ort, seltsame Sprache. Wer konnte da schon durchblicken?

Die Gruppe hatte sich gesammelt und so liefen wir gemeinsam zu dem Waldstück.
Keine Banditen. Keine Spuren.
Wir trennten die Gruppe auf, der andere Teil lief den anderen Waldweg ab. Wir trafen uns an einer Lichtung.
Auch die andere Gruppe hatte keine Spuren gefunden.
Wahrscheinlich hatten sie Angst bekommen.
Der Clan der Wassenbergs stellte sich an der Lichtung auf und übte Bogenschießen. Der Anführer des Clans, Sir Nanoc, nahm sich sein Schild und war freiwillig das Ziel für seine Leute.
Das beeindruckte mich, er war mutig.

Während der Clan weiter Bogen schießen übte, liefen wir den Waldweg zurück und überlegten, was wir nun tun sollten.
Wir beschlossen, ebenfalls Bogenschießen zu üben. Jedoch nicht an einem lebenden Ziel.
Schnell bastelten wir eine Art Strohpuppe zusammen und stellten sie an einem freien Wiesenstück auf.
„Breeg, darf ich deinen Bogen testen?“, fragte ich ihn und er erlaubte es mir.
Ich wollte wissen, ob wir etwas gutes gebaut hatten.
Also nahm ich ein paar Pfeile und schoss auf das Ziel.
Der Bogen war wirklich gut.
Fast jeder Schuss traf.
„Ist guter Bogen.“, bestätigte ich und gab ihn ihm zurück.
Holz und Sehne harmonierten hervorragend miteinander.
Und er hatte die Bogenarme sehr schön geschnitzt, es sah gut aus.
Doch es war an der Zeit, dass er mit dem Bogen übte.

Bjorn fragte, ob er sich meinen Bogen leihen dürfe. Ich nickte und überreichte ihm Bogen und Pfeile.
In der Zwischenzeit wollte ich mit Rhea kämpfen üben.
Natürlich nur vorsichtig, ohne, dass wir uns wirklich trafen. Immerhin wollten wir uns nicht verletzen.
Kirren war für ein paar Schüsse mit zum Üben gekommen, war danach aber wieder gegangen. Er wirkte äußerst unruhig.
Rastlos.
Gehetzt.
Gin machte sich offensichtlich Sorgen um ihn.
Er wirkte so ungewöhnlich ernst.

Ich übte eine Weile mit Rhea. Sie kämpfte mit Schild und Schwert und sie hatte gute Bewegungsabläufe. Gegen einen richtigen Feind würde sie wahrscheinlich gut ankommen.

Dann sah ich eine Weile Bjorn und Breeg beim Schießen zu. Bjorn machte sich erstaunlich gut, dafür, dass er vermutlich zum ersten Mal einen Bogen in der Hand hielt.
Breeg traf sein Ziel sehr oft. Aber er war ja auch Jäger. Das hatte ich nicht anders von ihm erwartet.

Gin kam zu mir.
„Du musst aufpassen.“, riet er mir. Er sprach ganz leise. „Kirren möchte nochmal mit dir sprechen. Aber mit Waffen. Wenn du verstehst.“
Ich sah ihn schockiert an.
Meinte er das ernst?
Kirren wollte mich doch töten. Hier? Gleich?

Besagter Mann kam bald wieder zu uns.
Noch immer wirkte er sehr neben der Spur.
Kurz sah er zu mir, dann ging er wieder weg.
„Kirren!“, rief ich ihm nach. Er reagierte nicht.
„Kirren!“, versuchte ich noch einmal, doch er lief einfach weiter.
Gin rannte auf einmal los, rannte ihm hinterher.
Was war nur los?

Bald kam Gin wieder.
„Ihr müsst mitkommen!“, rief er. „Da sind ein paar Leute umgekippt! Irgendwer hat was von Pest erzählt!“
Ich seufzte. „Njet… Nicht schon wieder Pest.“
Schnell sammelten wir Waffen und Pfeile wieder ein und liefen zurück zur Taverne.
Die Stimmung war schlagartig anders.
Einige Personen lagen am Boden.
Wir kamen nicht einmal bis zum Tavernengebäude selbst. Wir sollten uns von den Kranken fernhalten.
Verständlicherweise.
Schnell zog ich mir das Tuch ins Gesicht, um mich vor einer möglichen Ansteckung zu bewahren. Ich wollte nicht schon wieder krank werden. Das Sumpffieber hatte mir gereicht.
Auch den Zwerg hatte es erwischt. Nach und nach fielen mehr und mehr der Anwesenden.
Manche sprachen über den Bauern, manche über Nurgle und verseuchtes Wasser, andere behaupteten, dass auch die Getränke der Taverne ansteckend seien.
Wem sollten wir nur glauben?
Wir blieben auf Abstand.
Lynx gab ein paar ihrer Verbände an Bjorn und Gin ab, damit sie zumindest eine Art Mundschutz hatten.
Dann fiel Bjorn.
Er lag am Boden, einige Schritte von mir entfernt.
Er rührte sich nicht.
„Bjorn!“, rief ich. Meine Stimme klang leiser als vermutet.
Was war mit ihm?
Woran hatte er sich angesteckt?
Ich wollte zu ihm, setzte einen Fuß vor den nächsten.

Als ich aufwachte, fühlte es sich an, als würde mein Körper verbrennen.
So, als sei ich eine lebendige Feuerstelle.
Das Feuer wütete, loderte.
Mir wurde schlecht.
So, als würden manche Flammen bis zum Hals reichen.
Ich hustete. Es schmerzte.
Selbst das Atmen fiel schwer.

„Bjorn?!“, rief ich und erschrak. War das wirklich meine Stimme gewesen?
„Da?“, hörte ich eine Antwort. Es war Bjorn. Er lebte.
Der Mann mit dem Hammer kam zu mir.
„Los, auf den Rücken drehen!“, forderte er mich auf und drehte mich auf den Rücken, bevor ich überhaupt reagieren konnte.
Er hielt eine Flasche in der Hand und setzte sie mir an den Hals.
„Starker Alkohol, trink.“, befahl er mir.
„Wie ist dein Name?“, fragte ich röchelnd.
Er sagte es mir nicht, kippte mir aber den Alkohol in den Mund.
Ich schluckte ihn herunter. Es brannte.
„‚Du da‘ geht übrigens immer.“, merkte er an und lief weiter.
Der Alkohol brannte.
Ich schrie auf.
Es war, als hätte man das Feuer in meinem Innern noch einmal entfacht.
Schlimmer und schlimmer brannte es.
Wie konnte das sein?
Verbrannte ich nun von innen?
So?
War das das Ende?
Unter Schmerzen krallte ich meine Finger in der Erde fest.
Ich bemerkte kaum, dass sich ein anderer Mann zu mir stellte.
Er grinste und kniete sich zu mir herunter.
In den Händen hielt er irgendwas. Ich konnte es kaum erkennen.
Eins davon drückte er mir an die Nase.
Es roch… nach irgendetwas. Die Schmerzen waren zu stark. Ich konnte mich nicht konzentrieren.
Dann setzte er mir eine Phiole an den Mund.
„Das ist das Heilmittel.“, erwähnte er nebenbei.
So, als wär es absolut unwichtig.
Ich nahm es ein.
„Dafür schuldet Ihr mir einen Gefallen.“, merkte er an, als ich es schon herunter geschluckt hatte.
Wie viel Kupfer wollte er?
„Was wollt Ihr?“, röchelte ich.
„Ich komme auf Euch zurück.“, erwiderte er nur.
„Ist nicht gut für mich, eh?“, mutmaßte ich hustend.
„Ach, wieso? Vielleicht komme ich in ein paar Stunden auf Euch zurück. Vielleicht in Wochen, Monaten, Jahren. Oder nie.“. Er grinste und ging weiter.
„Könnt Ihr nach Bjorn schauen?“, bat ich ihn und deutete nach links zu der Stelle, wo Bjorn lag und noch immer Schmerzen hatte.
Ich hörte aber auch die Frauen auf der anderen Seite wimmern.
Mir schien es langsam besser zu gehen.
Die Schmerzen klangen ab, zumindest vermutete ich das.
„Lynx?“, rief ich, ohne zu sehen, wer wo lag.
„Ja?“, erhielt ich eine Antwort. Wimmernd, aber es war eine Antwort.
„Rhea?“
Keine Reaktion.
Das war nicht gut.
„Rhea?!“, versuchte ich es erneut.
War sie nicht in der Nähe?
Angestrengt versuchte ich, den Kopf zu heben.
Ich sah sie, doch sie rührte sich nicht.
Aikikia kam zu mir.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie mich.
„Da. Denke schon. Kannst du nach Rhea schauen? Liegt sie dort. Antwortet sie nicht.“, erklärte ich schwach und deutete in die Richtung.
Sie machte sich sofort auf den Weg.

Bald waren wir alle versorgt. Doch ich fragte mich, was mit Kirren war.
Ich hoffte, dass er nicht magisch geheilt worden war.
Ich sprach meine Sorgen laut aus und auf einmal erhob sich Bjorn und rannte halb krabbelnd hoch in Richtung des Teiches, bei dem Gin und Kirren lagen.
„Njet. Bjorn!! Nicht!“, rief ich ihm nach.
Es hatte keinen Zweck.
Sturkopf.
Ich musste ihn aufhalten, sonst würde er sich noch verletzen.
Also versuchte ich ihm zu folgen. Lynx und Rhea taten es mir gleich.
Ich sackte immer wieder zu Boden, doch bald hatte ich es geschafft.

Glücklicherweise hatte Kirren einen Trank bekommen und wurde nicht magisch geheilt. Doch er schien mich noch immer zu verabscheuen.
Wieso machte ich mir überhaupt Sorgen.
Er fing an, Schlechtes über mich zu sagen.
Ich sei die einzige Wahnsinnige hier.
Auf einmal begannen Bjorn und Kirren, sich zu verprügeln.
„Was macht Ihr da?“
Sie hörten nicht auf mich.
Im Liegen schlugen sie langsam aufeinander ein, lagen halb aufeinander.
„Habt ihr nicht genug gelitten?“
Wieder antworteten sie nicht.
Im Gegenteil, Bjorn schien sich zu freuen.
Freute er sich etwa einfach, dass er noch lebte und Schmerzen spüren konnte?
Doch das tat nichts zur Sache.
Ich robbte weiter zu Bjorn, zog mich die Wiese hoch und klammerte mich an sein Bein, damit er aufhörte.
Dann kam die Gräfin mit ihrem Gefolge zu uns.
Sie fragten, was uns zugestoßen sei.
Jemand berichtete ihr von der ausgebrochenen Seuche und sie gab jedem von uns eine Karaffe mit rötlichem Wasser.
Sie erzählte, dass das Wasser nun von den Alchemisten gereinigt worden sei und sie doch eine schlechte Gastgeberin sein würde, wenn sie uns leiden und sterben lassen würde.
Wir sagten nichts dazu, nahmen das Wasser an und blieben noch ein paar Augenblicke liegen.

Als es uns wieder besser ging, erhoben wir uns und gingen langsam zurück zur Taverne.
Wir beschlossen, uns nach oben zu setzen und Othila zu spielen.
Es gingen viele Gerüchte herum, weshalb es zu dieser Seuche kam.
Manche zogen den Nurgle-Anhänger zur Verantwortung, manche behaupteten, dass es der Schweine-Bauer Paul sei, der mit seinem Dreck das Wasser verfault habe.
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich das nicht noch einmal erleben wollte.

Nachdem wir Breeg Othila erklärt hatten, spielten wir einige Runden, doch Kirren zog es wieder hinaus. Er war einfach unruhig. Ich verstand es nicht.
Wie immer setzte jeder ein Kupfer auf Othila.
Keiner von uns erwartete, dass es jemand schaffen würde, Othila zu legen.
Doch Bjorn schaffte es.
Er gewann sechs Kupfer.
Er hatte mich also wieder überholt.

Bald beschlossen Rhea und Lynx, weiter zu ziehen.
Wir verabschiedeten uns und sie verließen die Taverne.
Ich hoffte, dass es ihnen gut ergehen würde.

Es dauerte nicht lange, bis sich auch Gin verabschiedete. Er wollte sich Kirren schnappen und ebenfalls mit ihm weiter reisen.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Ich konnte also doch über Nacht in dieser Taverne bleiben, ohne Angst vor Kirren haben zu müssen.
Doch die Gefahr war noch lange nicht vorüber.

Breeg war auch einen Moment unten in der Taverne gewesen.
Bjorn und ich kamen ins Gespräch.
Wir redeten über Bärenfels. Er schlug vor, mich einmal mit zu Carmen zu nehmen.
Ich lehnte sofort ab. Was sollte ich denn in dem Bordell von Carmen?
Doch dann begann er zu erklären.
Ich verstand auf einmal, wieso er die Holzaxt hingebracht hatte. Und auch, wen er mit „kleiner Mann“ meinte. Er trug den Namen Thorgen.
Wir unterhielten uns noch eine Weile über Bärenfels und über Carmen. Und auch über den ersten Auftrag, den wir gemeinsam erledigt hatten. Der Auftrag, bei dem wir uns kennengelernt hatten.
Wir hatten diese entführte Frau gerettet und zurück zu ihrem Vater gebracht…
Es war nun schon sechs Monde her… Die Zeit war schnell vergangen.

Breeg gesellte sich bald wieder zu uns und auch Paul kam zusammen mit dem Schwein an unseren Tisch.
Bjorn und Paul unterhielten sich über die Viehzucht. Mir fiel ein, dass Bjorns Vater ebenfalls einen Bauernhof hatte.

Bald kam Eldarion zu uns und sagte, dass er mit Kirren gesprochen hatte.
Leider hatte er nicht viel mehr herausbekommen als ich schon wusste. Nur, dass es irgendetwas Magisches war.
„Du musst dir aber keine Sorgen machen. Solange ich da bin, wird er dich nicht töten. Und wenn mir jemand etwas antut, dann hat er den ganzen McAlister-Clan gegen sich. Das wird sich keiner trauen.“, versicherte er mir und ich lächelte. Ich mochte ihn einfach. Er war so nett.

Bald wurden wir müde und beschlossen, uns in den Betten der Taverne schlafen zu legen. Wir überlegten, am nächsten Morgen wieder nach Bärenfels zu reisen. Doch ich war mir noch nicht sicher, was ich dort sollte. Eigentlich wollte ich doch nur weitere Zettel finden. Und ein weiteres Ziel hatte sich mir ergeben: Ich wollte Kirren aus dem Weg gehen.

Ich legte mich ins Bett, doch ich konnte nicht einschlafen. Immer wieder musste ich an die Ereignisse auf dem Phönixnest denken. Wie Kirren vor mir stand. Wie er gelitten haben musste. Wieso hatte ich nichts davon mitbekommen? Sagte er überhaupt die Wahrheit? Woher sollte ich das wissen? Wie sollte ich es herausfinden? Gab es überhaupt einen Weg?

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