Es sind Wochen vergangen.
Vermutlich zwei, aber ich bin mir nicht ganz sicher.
Ich habe viel geschlafen – und viel nachgedacht.

Ich muss zurück.
»Passt auf euch auf.«, sage ich zu meinen Eltern.
Meine Brüder haben Falkenhain schon vor einer Woche verlassen, um in der Hauptstadt Bärenfels ihrer Arbeit nachzugehen.
Ich hoffe, dass sie auch auf sich aufpassen.

»Anastasya, bleib doch noch ein paar Tage.«, schlägt Torvi – meine Mama – vor.
Ich würde gerne, aber ich kann nicht.
Also schüttle ich den Kopf.
»Tut mir Leid, Mama. Ich muss zurück.«
Während ich spreche betrachte ich den Orden vom Kaiserreich Vahrym.
Meine Freunde, die vielleicht meine Hilfe brauchen…
Dann denke ich an Tahn.
Vielleicht ist das meine Prüfung von Odin.
Soll ich am Ende gar nicht ehrenvoll im Kampf sterben?
Was, wenn Odin etwas anderes für mich vorgesehen hat?

Als ich Tahn damals die Runen gelegt hatte, war das Ergebnis eindeutig gewesen: Ich bin mitverantwortlich für seinen Weg. Durch Odin.
Und das, obwohl Tahn nicht einmal an den Namen Odins glaubt.

Ich nehme meine Runen aus dem Beutel und betrachte sie.
»Ist es Odins Wunsch, dass du gehst?«
Meine Eltern stehen hinter mir und schauen auf die Runen in meiner Hand.
Ich nicke langsam.
»Er möchte, dass ich Jemanden sicher an sein Ziel bringe.«, antworte ich.
Es klingt so unwirklich.
Und eigentlich bin ich mir gar nicht sicher, ob Odin das wirklich möchte.

Mein Vater nickt.
»Also verabschiedest du dich?«, fragt er. Seine Augen wirken ein bisschen traurig.
»Ja. Ich muss zurück. Und ich brauche das Runenbuch.«
Der Gedanke an das Runenbuch verunsichert mich.
Ich weiß nicht, wo es ist.
Vielleicht hat es Jemand mitgenommen und ist damit über alle Berge.
Oder es ist im Wald liegen geblieben und nun vollkommen aufgeweicht.
Beides keine schönen Vorstellungen.
Vielleicht hat die Tasche das Buch aber auch vor dem Regen bewahrt…

Ich umarme meinen Vater.
»Bitte passt auf euch auf.«, flüstere ich ihm bei der Umarmung ins Ohr.
Ich will meiner Mutter keine Sorgen bereiten, doch ich möchte nicht, dass die Vision wahr wird.
»Es wird alles gut.«, erwidert er.
Wenn er wüsste, was ich gesehen habe…
Doch ich möchte ihn nicht beunruhigen.

Dann gehe ich zu meiner Mutter.
»Ich komme jetzt öfter vorbei.«, verspreche ich ihr.
Und das Versprechen werde ich einhalten.
Vor allem, weil ich Angst um sie habe. Aber das sage ich nicht.

Ich umarme meine Mutter und küsse sie.
Sie ist so warm und sanft.
In diesem Moment fällt es mir wirklich schwer, zu gehen.
Es wäre so viel einfacher, hier zu bleiben.
In Falkenhain passieren selten schlimme Sachen.

Doch was ist mit meinen Freunden?
Was ist mit Lynx, Rhea und Breeg?
Wie geht es Sophia, Edward und Conner?
Was macht Akri?
Und der Mann mit dem Hammer?
Sind sie am Kämpfen?
Ohne mich?

Ich weiß, dass ich ihnen nicht direkt das Leben retten kann. Aber wir haben viel zusammen gekämpft…
Und ich kann mich nicht einfach im hohen Norden verkriechen.

Außerdem hat Odin etwas anderes vor.
Tahn.
Ich muss ihn finden und zu seiner Frau bringen.
Das wird die Aufgabe sein, die Odin mir gegeben hat.

Der Weg zurück

Ein paar Stunden später verlasse ich die Hütte meiner Eltern.
Ich weiß, dass dieser Ort nicht mehr meine Heimat ist.

Meine Eltern stellen sich vor die Tür und winken mir.
Ich hebe eine Hand und kehre ihnen dann den Rücken zu.

Odin wird meinen Weg von nun an bestimmen.
Ich kann nur hoffen, dass er mich zu meinen Freunden bringt.
Und zu meiner Aufgabe.

Hier im Norden ist es schön kalt und ich stapfe entspannt durch den Schnee.
Es geht mir viel besser als vor ein paar Wochen.
Und die Vision entsprach nicht der Wahrheit.
Ich muss mir also keine Sorgen machen…

In Bärenfels verweile ich ein bisschen. Bei der Metka-Brennerei kaufe ich mir eine neue Flasche Metka und setze meine Reise fort.
Wenn ich meine Heimat ab jetzt öfter besuche, kann ich auch öfter Metka-Nachschub besorgen.
Klingt eigentlich nicht schlecht.

Am südlichen Rand von Bärenfels besuche ich noch kurz den Markt, um etwas zu kaufen.
Damit gebe ich mir selbst das Versprechen, mich zu beeilen, sonst wäre der Kauf nutzlos gewesen.

Dann verlasse ich Bärenfels, blicke nicht zurück sondern laufe immer und immer weiter in Richtung Süden.
Ich freue mich darauf, meine Freunde wiederzusehen.

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