Schmuck

Wie üblich treffe ich mich heute wieder mit Igor in seinem kleinen Holzverschlag.
Tante Silva habe ich gesagt, dass ich mir den Schmuck vom Markt anschauen möchte und sie wirkte sehr begeistert von meiner angeblichen Entwicklung.

Ich laufe tatsächlich zuerst für einige Augenblicke über den Markt und schaue mir die Schmuckstücke an, die dort angeboten werden.
Falls Tante Silva mich fragt, würde ich zumindest ihre Fragen beantworten können.
Aber ich stelle schnell fest, dass der Schmuck ziemlich langweilig ist. Es gibt zwar viele verschiedene Arten und Motive, aber jedes einzelne Stück ist absolut unpraktisch.

Ich finde, dass ich genug geschaut habe und begebe mich auf den Weg zum Armenviertel.
Die braune, zerschlissene Gugel nutze ich nun wieder als Tarnung.
Wie immer treffe ich Igor am gewohnten Ort.

Entdeckt

„Hallo Igor, wie geht es dir?“, frage ich ihn und freue mich, ihn zu sehen.
„Ah, Anastasya! Gut jetzt wo ich sehe dich… Gut, dass du da bist.“, erwidert er und lächelt mich an.
Es ist schön, mit Jemandem zu reden, der meinen Eltern von der Persönlichkeit her ähnlich ist. Er ist aufgeschlossen, nett und ehrlich… Und ich habe das Gefühl, dass das bei meiner Tante und meinem Onkel nicht so ist.
Sie wirken zwar nett, aber irgendwie…

Ich unterhalte mich weiter mit Igor und ich erzähle ihm von den Bäumen in Falkenhain und wie mein Vater mir das Holzfällen beigebracht hat.
Mitten im Gespräch starrt mich Igor auf einmal mit riesigen Augen an. Er wirkt auf einmal total blass. Habe ich etwas Falsches gesagt.
„Anastasya?!“, ertönt auf einmal eine Stimme hinter mir und ich drehe mich erschrocken um. Meine Tante Silva steht dort… Sie sieht sehr wütend aus.

Die Strafe

„Was fällt dir ein, Anastasya?! Kannst du nicht einfach zu fremde und arme Junge hingehen!! Hast du uns außerdem angelogen!!“
Wir sind jetzt leider wieder Zuhause und meine Tante ist immer noch äußerst wütend.
„Njet!“, widerspreche ich. „Habe ich nicht gelogen, war ich auch bei Markt und habe Schmuck angeschaut.“
Falsche Antwort, denn meine Tante protestiert noch lauter.

In Gedanken bin ich eher bei Igor und hoffe, dass es ihm trotz allem gut gehen wird. Er hat kein Geld und fast nie essen und beim Betteln wird er meistens geschlagen oder getreten. Ab und zu habe ich ihm etwas zu essen gekauft oder ein paar Kupferstücke gegeben, aber ich muss immer vorsichtig sein, dass Igor oder ich nicht beklaut werden.
Vielleicht kann ich bald meine Axt mit nach draußen schmuggeln, dann ist es einfacher.

„Hörst du mir überhaupt zu?!“, reißt meine Tante mich aus meinen Gedanken.
„Aber Tante Silva, ist er netter Junge.“, sage ich und schaue sie an. Warum glaubt sie mir das denn nicht?
Doch Tante Silva schüttelt den Kopf.
„Njet, Anastasya, geht so nicht.“

Sie setzt sich hin und holt Papier und Feder heraus.
„Setz dich zu mir, Anastasya.“
Ich bin verwirrt… Was passiert jetzt? Ich setze mich zu ihr und sie fängt an zu schreiben:

Liebste Torvi,
deine Tochter Anastasya muss noch viel lernen und ich glaube nicht, dass sie alles schafft in so kurzer Zeit, die noch ist übrig.
Sie schlägt sich nicht besonders gut, lässt sich durch viel ablenken und hört gar nicht auf das, was Tante oder Onkel sagen zu ihr.
Hoffe, es ist in Ordnung.
Fulla sei mit uns,
Silva aus Bärenfels.

Schockiert schaue ich zu meiner Tante.
Das kann sie doch nicht machen! Was sollen meine Eltern denn nun von mir denken? Ich hoffe, dass sie nicht enttäuscht von mir sind… Sie haben mich doch extra hergeschickt, um etwas zu lernen….

Dann fällt mir noch etwas am Brief auf.
„Was heißt… länger?“, frage ich vorsichtig nach.
„Noch ein weiteres Jahr sobald erstes um ist.“, erwidert meine Tante sofort.
Ich bilde mir ein, ein leichtes Grinsen über ihr Gesicht huschen gesehen zu haben.
Meint sie das wirklich…?
Aber was habe ich auch anderes von ihr erwartet.
„Njet…“, sage ich leise.
„Doch. Außerdem wirst du erst mal nicht dürfen raus. Gar nicht mehr. Bleibst du in Haus und wird immer auf jeden Fall einer von uns da sein mit dir. Ganz viel lernen Schreiben und Lesen.“
Ich seufze. Hoffentlich geht die Zeit einigermaßen schnell vorbei.

„Ach, übrigens, Anastasya…“, fügt meine Tante noch hinzu und ich sehe wieder dieses Grinsen. „…Wird in ein paar Tagen ein Ball stattfinden… Und du wirst teilnehmen. Wir bringen dir Tanzen bei.“

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