Diese Hütte am Waldrand ist unser Zuhause.
Doch entweder ist der Wald ohne Leben oder meine Eltern waren zu dumm zum Jagen.
„Kinder. Geht doch mit eurem Vater in den Wald. Er möchte euch die Tiere zeigen.“, fordert meine Mutter uns auf.
Etwas stimmt aber nicht mit ihr. Das sehe ich an ihren Augen.
Ein kurzer Blick zu meinem Bruder.
Er weiß Bescheid.
Und wir folgen unserem Vater.
Im Wald ist es angenehm kühl, aber wir sehen keine Tiere.
Mein Vater läuft vor und will uns etwas über die heimischen Vogelarten erzählen.
Doch er lügt. Eigentlich hat er keine Ahnung.
Wir spielen seit Jahren im Wald und wir kennen die Vögel.
Es ist schon seltsam, dass wir kreuz und quer durch den Wald laufen.
Gleich wird eine Lichtung mit beinahe ausgetrocknetem Bach vor uns auftauchen. Wir kennen uns aus.
Unser Vater bemerkt die Lichtung nun auch.
„Kinder. Könnt ihr mir etwas Wasser holen?“, fragt er.
Sein Blick ähnelt dem unserer Mutter… Doch vielleicht ist da mehr Entschlossenheit.
Wir werden sehen.
„Ist gut!“, antworten wir und laufen los.
Wie Kinder.
So, wie wir immer gespielt haben.
Aber wir wissen, dass sich alles verändern wird.
Als wir am Bach ankommen und uns umdrehen ist unser Vater weg.
Ganz so wie wir es erwartet haben.
Zurück
„Sie wollen uns loswerden.“, sagt mein Bruder.
„Sie hoffen, dass wir uns im Wald verlaufen.“, erwidere ich.
„Pah!“, gibt mein Bruder zurück und lacht abfällig. „Als ob wir uns im Wald verlaufen.“
Wir laufen zurück zum Haus unserer Eltern.
„Ich will sie auch loswerden.“, sage ich nach einiger Zeit.
Es ist die Wahrheit.
„Ich auch.“, stimmt mein Bruder mir zu.
Ich bin nicht traurig darüber, dass sie uns aussetzen wollen.
Im Gegenteil, ich habe es erwartet.
Wir sind angekommen, gehen aber nicht hinein.
Hinter dem Haus ist die Axt unseres Vaters.
Sie steckt in einem Baumstamm.
„Knochen abholzen?“
Mein Bruder zieht die Axt heraus. Er ist stark. Das gefällt mir.
Ich grinse ihn an.
Die Tat
Wir klopfen an der Haustür.
Als unser Vater die Tür öffnet, stürzen wir uns auf ihn.
Mein Bruder kann mit der Axt umgehen…
Es klingt wie im Wald – wenn dicke Äste zerbrechen. Aber diesmal sind es Knochen.
Gar kein schlechter Klang.
Erst wirkt er überrascht, dann wird sein Blick ausdruckslos.
Unsere Mutter kommt dazu.
„Was…?“, versucht sie zu fragen, doch ich komme ihr zuvor.
„Warum wolltest du uns aussetzen?“
Ich bin nicht traurig darüber, ich grinse eher.
Und genau das macht ihr Angst.
Sie geht ein paar Schritte zurück.
„Na, na.“, tadelt mein Bruder und folgt ihr langsam. „Wir wollen eine Antwort.“
Sie weiß, dass wir nicht locker lassen.
Immerhin sind wir ihre Kinder.
„Das Essen wird knapp. Im Wald… gibt es kaum noch Tiere und…“, stammelt sie.
„Hmmm. Hunger?“, frage ich und schaue kurz zu meinem Bruder, dann zu dem leblosen Körper meines Vaters.
Sie versteht.
Ihre Augen weiten sich und sie schüttelt panisch den Kopf.
„Nicht…!“
Mein Bruder schneidet mit der Axt ein Stück Fleisch aus dem Körper unseres Vaters.
Als er es ihr hinhält, will sie weglaufen.
„Doch keinen Hunger?“, frage ich.
Ich bin ein bisschen enttäuscht.
Meine Mutter gibt mir keine klare Antwort, sondern versucht, die Hütte zu verlassen.
Das lasse ich nicht zu.
Ich stürze mich auf meine Mutter und halte sie fest.
Mein Bruder überreicht mir ein Messer.
Ich schneide sie auseinander.
Sie schreit so schön.
Der hölzerne Boden ist jetzt so rot wie die Haare meiner Eltern.
Rothaarig.
Genau wie wir.
Neue Namen
„Reißen – das bedeutet Yariq.“, erklärt mein Bruder und starrt auf die Körper unserer Eltern.
„Beißen – das bedeutet Yemek.“, ergänze ich und grinse ihn an.
Und dann tun wir genau das, was unsere neuen Namen bedeuten: Reißen und beißen.
Es schmeckt wirklich gut.
Ob alle Menschen verschieden schmecken?
Bei unseren Eltern ist es auf jeden Fall so.
Das Fleisch meiner Mutter schmeckt eher zart. Es gefällt mir besser als das von meinem Vater.
Er hatte zu viele Muskeln nehme ich an.
„Nun gut, Yemek.“, sagt mein Bruder als wir fertig gegessen haben. „Wenn im Wald keine Tiere sind, dann gibt es da doch wenigstens ein paar Menschen.“
Ich grinse.
Er hat einfach gute Ideen.
„Dann los, Yariq.“, erwidere ich.
Und wir verlassen das Haus unserer Eltern.
0 Kommentare