Worum geht es?

Um einen Charakter besser kennenzulernen, muss man sich mit ihm auseinandersetzen.
Eine befreundete LARPerin hat mal gesagt: „Manchmal muss man einfach mal mit seinem Charakter Kaffee trinken gehen.“
Oder eben einfach eine Art „Date“ führen.

Und genau das möchte ich mit diesem Projekt machen. Die Charaktere treffen auf einen Erzähler (beispielsweise in einer Taverne) und quatschen miteinander… Dabei werden vom Erzähler natürlich einige Fragen gestellt.
Für jeden Charakter werde ich einen anderen Block Fragen nutzen, damit es spannend bleibt.

Möchtest auch du, dass ich mit deinem Charakter „einen Kaffee trinke“?
Dann schreib mir einfach!


Heute führt mich mein Weg wieder in die Taverne der Stadt.
Wie immer unterhalten sich die Stammgäste leise miteinander und in einer Ecke spielt ein Barde seine Melodien vor sich hin. Es ist der gleiche Barde wie jeden Tag.
Das einzige, was sich hier ändert, sind die Abenteurer, denen ich Fragen stellen darf.
Und auch heute halte ich Ausschau nach der Frau, die auf meinem Fragenzettel beschrieben wird.

Ich betrachte die Zeichnung auf dem Zettel und versuche, die dort abgebildete Frau im Raum zu finden.
Was sie wohl für eine Person ist? Ich bin schon gespannt auf ihre Antworten. Hoffentlich sind die Fragen für heute gut.

Ich halte weiter Ausschau und entdecke sie schließlich in der Ecke, in der auch der Kamin steht. Obwohl man meinen könnte, dass es ein begehrter Platz ist, sitzen die Leute lieber in der Nähe der Tür. Sie sind zu neugierig und wollen alles mitbekommen, was passiert.
Und genau deswegen ist es eine hervorragende Platzwahl… Hier werden wir wenigstens nicht gestört.

Die Frau – Esta – hat mich noch gar nicht bemerkt, sondern schiebt einen hölzernen Gegenstand vor sich her. Dabei hält sie noch etwas anderes in der Hand.
Ich beobachte sie noch einen Moment, dann gehe ich auf sie zu, bewege mich aber langsam, um sie nicht zu erschrecken.
„Esta?“, frage ich und schaue die Frau weiterhin an.

Sie zuckt zusammen und hebt ihre Hand von dem Holz. Ich versuche, den Gegenstand zu erkennen, den sie festhält. Es handelt sich offenbar um eine Art Nagel aus Metall.
Auf ihrem Gesicht zeichnet sich ein freundliches Lächeln ab. Ein gutes Zeichen!
„Die bin ich. Wie kann ich helfen?“
Ich erwidere ihr Lächeln und bin froh, die richtige Person angesprochen zu haben.
„Hallo.“, begrüße ich sie. „Ich… Ähm. Ich wollte wissen, ob ich … Fragen stellen darf.“
Dabei deute ich auf den Fragenzettel und komme mir etwas blöd vor. Hätte ich das nicht anders formulieren können?
Ich beobachte die Reaktion der Frau ganz genau, sie wirkt zunächst etwas verwirrt, scheint es dann aber doch ganz interessant zu finden… Zumindest hoffe ich das.
Sie verändert ihre Sitzposition, indem sie sich aufrichtet und gerader hinsetzt.
„Gern, je nach Frage.“, antwortet sie. „Mit wem habe ich denn die Freude zu sprechen? Wo Ihr doch schon meinen Namen kennt?“

Wieder die Frage nach dem Namen. Ich werde automatisch rot und kann nichts dagegen tun.
„Ich bin Martha.“, sage ich dann. „Ihr müsst auch nicht auf jede der Fragen antworten… Wenn Euch eine nicht gefällt, ist das absolut in Ordnung.“
„Freut mich, Martha.“, erwidert sie und nickt. „Davon bin ich tatsächlich ausgegangen. Ihr scheint mir wie Jemand, der das öfter macht und geübt ist, Fragen zu stellen.“
Dieses Kompliment lässt mich sofort wieder erröten und ich spüre die Hitze in mein Gesicht steigen, aber es freut mich auch.
„Dankeschön! Aber sagt, was möchtet Ihr trinken?

„Ehm.“, sagt sie und wirft einen Blick zum Wirt, der gerade an uns vorbei läuft. „Ich trinke gerade eigentlich generell nicht viel, aber… einen Saft würde ich nehmen. Holunder, wenn er das hätte, sonst wäre auch Apfel in Ordnung.“
Ich freue mich, dass sie auch Holunder mag.
Sie betrachtet den Nagel in ihrer Hand weiterhin. Erst jetzt erkenne ich, dass die Spitze des Nagels noch leicht glüht. Sie legt den Nagel beiseite.
„Holunder hat er bestimmt!“, erwidere ich und lächle sie an.
Dann erhebe ich mich und laufe zum Wirt.

„Einmal Holundersaft, einmal Holunderwein, bitte.“
Der Wirt wirft mir einen vernichtenden Blick zu, läuft aber trotzdem los, um mir die Getränke zu bringen. Er weiß, dass ich eine gute Kundin bin.
Und so stellt er mir wenige Augenblicke später auch schon zwei Tonbecher hin. Ich lege ihm ein paar Kupfermünzen in die Hand und gehe mit den beiden Getränken zurück zum Tisch.

Als ich zum Tisch zurückkehre sehe ich wie Esta wieder mit der Nadel und dem Holzstück hantiert.
Ich stelle die Becher auf den Tisch.
„Was macht Ihr da eigentlich?“, frage ich dann.
Sie nimmt den Becher entgegen, nickt mir zu und dreht das Stück Holz zu mir um, dabei trinkt sie einen Schluck.
„Die meisten nennen es Brandmalerei.“, erklärt sie und deutet auf das Muster auf dem Holz.
Das Muster hat Ähnlichkeiten mit dem Umriss einer Eule.
„Oh, sehr hübsch!“, sage ich und betrachte das Muster. Eine sehr schöne Motiv-Wahl.
„Schmeckt es Euch?“, frage ich während ich selbst einen Schluck Holunderwein trinke. „Ich trinke hier immer nur Holunderwein, deswegen frage ich lieber mal.“

Die Frau sah mich überrascht an und warf dann einen erneuten Blick in den Becher.
„Das ist Wein? Ich dachte, das wäre Saft. Merkt man kaum.“
Sie lacht.
„Na dann sollte ich sowieso eine Pause einlegen. Sehr lecker.“
Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich richtig verstanden hat und werde vorsichtshalber schon wieder rot im Gesicht.
„Nein, nein. Also. Das ist Saft… Habe ich zumindest so bestellt. Aber ich trinke Wein… Also glaube ich… Verzeihung, ich wollte Euch nicht verwirren.“ Ich lache nervös und warte auf ihre Reaktion.

„Ah, in Ordnung. Das wäre sonst aber auch ein wirklich interessanter Wein gewesen.“, erwidert sie und wirft mir dann einen neugierigen Blick zu. „Nun dann, was möchtet Ihr fragen?“

„Gut, dann fange ich mal an.“, sage ich, nicke und lese mir schon mal die erste Frage durch. Eine ganz gute Frage für den Einstieg, finde ich.
„Hm, habt Ihr so etwas wie einen Beruf oder eine Berufung? Und wenn ja, was für eine?

Nun ist es die junge Frau vor mir, die rot im Gesicht wird.
„Ich… bezeichne mich gerne als magisch begabte Handwerkerin und Händlerin.“, erklärt sie. Ich sehe, dass sich ihre rechte Hand unruhig bewegt und an einem kleinen, metallischen Gegenstand herumspielt… Der Nagel von vorhin. Ist sie nervös oder hat es einen speziellen Grund?
„Eine richtige Ausbildung hatte ich allerdings nie… Zumindest nicht im Handwerk. Einen Lehrmeister für die Magie hab ich.“, fügt sie hinzu.
Schon wieder Magie…

„Oh, Magie?“, frage ich neugierig. Damit scheinen sich viele Abenteurer auszukennen. „Darüber habe ich schon von ein paar Personen gehört! Das finde ich total interessant! Wie habt Ihr das gelernt?“, frage ich und trinke einen Schluck Holunderwein. Es ist wie immer köstlich.

„Ich hatte es schon immer.“, erwidert Esta ruhig. „Nur nie wirklich bewusst benutzt. Es kam immer hervor, wenn man mir den letzten Nerv raubt oder ich irgendwie anders unter Druck stand. Einmal hätte ich fast einer Hohepriesterin die Robe angezündet!“
Daraufhin lacht sie und trinkt einen Schluck vom Holundersaft. „Ich bin bis heute froh, dass sie oder ihr Gefolge die Brandflecken an ihrem Gesäß nicht bemerkten… das war keine nette Dame.“

Als sie diese Geschichte erzählt, muss auch ich lachen.
„Das ist ja eine super Geschichte!“, sage ich und schreibe es mir schnell auf. „Das ist interessant… Aber mittlerweile könnt Ihr es kontrollieren und immer benutzen? Wie fühlt sich das an?“

„Ja, das kann ich. Das habe ich meinem Meister zu verdanken.“, erklärt sie und stützt ihren Kopf auf ihre linke Hand.
„Es…fühlt sich für jeden anders an…zumindest wenn ich bedenke, wie andere Magier mir ihre Wahrnehmung beschreiben. Einige weben regelrecht ihre Zauber mit….ähm…Kraft-Fäden?“
Sie lacht wieder.
„Bei mir ist das…etwas schwierig zu beschreiben, muss ich zugeben. Ich bin das, was man meistens eine Elementaristin bezeichnet. Mein Zugang zur Magie bewegt sich über die Elemente selber. Und das ist so ein eigenartiges Konzept, das man erst dann wirklich versteht, wenn man es selber erlebt hat. Zumindest scheint mir das bei den meisten so zu sein…“
Dann lächelt sie. „Für mich fühlt sich Magie wie warmer Sand an. Nur wie daraus etwas entstehen kann…das ist schwer zu erklären.“

„Hm.“, sage ich. „Das verstehe ich zwar nicht, aber das kann ich mir irgendwie…vorstellen. Also vielleicht. Ich finde es interessant, dass es bei jedem anders zu sein scheint.“
Warmer Sand also… Klingt angenehm. Ich nicke und schreibe das auf, dann suche ich nach der nächsten Frage: „Und was esst Ihr am Liebsten?

„Uff….Kekse?“, erwidert Esta und lacht. „Ich mag Süßkram. Ansonsten esse ich alles, wenn es auf den Tisch kommt.“
Nach einem kurzen Moment fügt sie etwas eilig hinzu. „…Und zum Essen gedacht ist.“

Über ihren eingefügten Kommentar muss ich wieder lachen. „Haha, ja, alles andere sollte man auch nicht essen! Aber wenn Ihr etwas essen wollt, müsst Ihr nur Bescheid sagen.“

„Es gibt Leute, die legen essbare Sachen auf den Tisch und wollen es da behalten. Dekorativ soll das sein.“, erklärt sie und schüttelt grinsend den Kopf. „Jedem das seine.“
Auf mein Angebot zu dem Essen antwortet sie:
„Ah, danke, aber ich bin schon versorgt. Der Wirt kocht wirklich ausgezeichnet hier.“

„Hm, wenn man es essen kann, dann soll man es doch auch essen.“, sage ich und zucke mit den Schultern. „Verstehe ich auch nicht.“
Ich lächle und freue mich, dass ihr das Essen von unserem Wirt auch schmeckt.
„Ja, der Wirt macht gutes Essen.“
Dann werfe ich einen erneuten Blick auf den Fragenzettel: „Würdet Ihr Euch als ordentlich bezeichnen?

„Nur soweit nötig. Mit meinem Werkzeug und Material ginge sonst schnell etwas verloren oder ich finde es nicht, wenn ich es brauche.“, erklärt sie. Klar, das ergibt Sinn. Es wäre auch nicht gut, wenn ich meine Schreibfedern ständig verlegen würde.

„Oh ja, das stimmt wohl.“, antworte ich und beobachte die junge Frau einen Augenblick. „Seid Ihr Links- oder Rechtshänder?„, frage ich dann.

Daraufhin schaut sie mich überrascht an, blickt dann auf ihre Hände und dreht die Innenseiten nach oben.
„Da habe ich nie drauf geachtet… Meine Magie wirke ich öfter mit… links. Eine Waffe… mit rechts. Werkzeug… Je nachdem, wie der Platz gerade ist. Potenziell also beide. Aber ich schreibe mit rechts. Also… eher Rechtshänder?“

Ihre Erklärung bringt mich zum Lächeln.
„Hm, ja, denke schon.“, sage ich und bin mir auf einmal selbst nicht mehr sicher. „Ich glaube es ist die Hand, mit der Ihr am meisten macht… Wahrscheinlich.“
Ich trinke noch einen Schluck Wein und lese mir die nächste Frage durch.
Lebt Ihr lieber in einem Dorf oder inmitten einer Stadt?
„Stadt.“, erwidert sie sofort. „Ich bin im Dorf aufgewachsen. Es hat seine Vorzüge…und ich wohne momentan im Haus meines Meisters, das auch recht abgelegen ist… Für ein Handwerk ist es nicht vorteilhaft. Ich muss meine Waren oftmals weit mit mir mitschleppen, wenn ich nicht auf Auftrag arbeite…“
Sie nimmt einen weiteren Schluck aus dem Becher.
„Das ist das Problem, wenn man oftmals reisend ist.“

Ich nicke und erst jetzt verstehe ich das Problem, das sie hat. Darüber habe ich vorher noch nie nachgedacht.
„Ja, das verstehe ich… Gleichzeitig reisen und viele Sachen tragen ist schwierig.“, überlege ich. „Es sei denn man hat ein Pferd oder eine Kutsche.“
Aber wahrscheinlich sind Pferde viel zu teuer.
Ich schaue nach der nächsten Frage und sie gefällt mir auf Anhieb.
„Sagt, habt Ihr so etwas wie ein Lieblingstier?

Sie neigt den Kopf zur Seite und grinst nach einem Moment schweigend. „Ich denke…Eulen. Vor allem Käuzchen.“
Erneut kommt ein leises Schmunzeln von ihr und sie schaut mich an.
Das war die richtige Antwort…
„Oh ja! Eulen sind so wundervoll!“, rufe ich begeistert und ziehe dadurch die Blicke einiger Gäste auf mich. Daraufhin senke ich meine Stimme wieder. „Das ist eine sehr gute Wahl!“

„Ja, auch, wenn sie sehr anstrengend sein können. Meine Kleine raubt meinem Meister oftmals den Nerv.“, lacht die junge Frau vor mir. „Sie können sich manchmal wie gefiederte Katzen verhalten!“
„Gefiederte Katzen… Ja, das trifft es ganz gut.“, sage ich… Der Vergleich ist wirklich gut. „Aber sie sind trotzdem total toll!“

„Das sind sie…“, stimmt Esta mir zu und grinst mich an. „Es ist schön jemanden anzutreffen, der eine ähnliche Begeisterung für sie findet und nicht immer darauf rumreitet, dass sie doch ‚Boten des Todes‘ seien.“ Die Bezeichnung wird von ihr mit einer lächerlich dramatischem Geste begleitet und schließlich schüttelt Esta genervt den Kopf.

„Boten des Todes?“, frage ich nach und kann gar nicht fassen, was sie da sagt. Das habe ich noch nie gehört. „Warum denn das? Ich meine… Das sind doch ganz tolle Tiere.“
Ich kann es gar nicht fassen und schüttle bestürzt den Kopf.

„Ja, leider. Es gibt Länder, in dem sie als unheimlich gilt. Sie sind leise Jäger und meistens nachtaktiv.“, erklärt Esta mir und scheint für einen Moment über etwas nachzudenken. Dann nickt sie.
„Ich glaube, dass das hauptsächlich in nördlichen Ländern der Fall ist. Zumindest ist mir das im tieferen Süden nie aufgefallen.“

„Oh, achso, ich verstehe.“, sage ich und bin auf einmal ziemlich froh darüber, im Süden zu leben. Wo kämen wir denn hin, wenn sie hier Eulen hassen würden… Das wäre fürchterlich.
„Da bin ich wirklich froh, hier im Süden zu leben, wo die meisten Menschen Eulen mögen.“, teile ich ihr meine Gedanken noch mit.
Ich schaue wieder zu meinem Zettel, um die nächste Frage herauszusuchen.
„Hm, habt Ihr eigentlich eine Lieblingsgeschichte? So etwas wie ein Märchen, eine Legende oder vielleicht sogar eine wahre Geschichte?“ Das ist meine Lieblingsfrage und ich bin total gespannt auf die Antwort.

„Lieblingsgeschichte….“ Esta überlegt einen Moment und grinst dann. Das verspricht, interessant zu werden.
„Das ist schwer…ich liebe Geschichten und Märchen. Und ich habe einen guten Freund, der ein wunderbarer Geschichtenerzähler ist. Aber ich glaube, meine Lieblingsgeschichte ist eher eine Anekdote von vor etwa 2 Jahren. Wie ein vinländischer Tagelöhner zum Piraten wird.“, erklärt sie und kichert beim letzten Satz.
Ich bin gespannt.

„Geschichtenerzähler.. Den würde ich gerne mal kennenlernen, das ist sicher interessant. Oh, das klingt nach einer tollen Geschichte!“ Ich lächle sie an und fühle mich wie ein kleines Kind, das seine Mutter anbettelt, ihm einen Keks zu geben.
„Erzählt Ihr mir die Geschichte? Bitte?“

„Gern.“, sagt sie und lacht. „Vor zwei Jahren bin mich mit meinem Meister auf das Fest der Drachen gereist. Falls du das nicht kennst…das kannst du dir wie einen riesigen, jährlichen Wettstreit vorstellen, bei dem die Regentschaft über eine bestimmte Insel zwischen verschiedenen Lagern ausgemacht wird. Auf der Reise dorthin sind wir einem Vinländer begegnet, der sich als Tagelöhner verdingt hatte und der sich uns dann anschloss, in der Hoffnung, dort vielleicht an Arbeit zu kommen.“

Ich schaue die Frau aufmerksam an und sie korrigiert ihre Sitzposition bevor sie weiter erzählt.
„Und dort angekommen war er umtriebiger als ein Wiesel. Wie ein Kind, dem man neues Spielzeug gegeben hatte. Er hatte noch nie so viele verschiedene Leute an einem Platz gesehen und berichtete uns jeden Abend mit leuchtenden Augen, was er so getrieben hatte. Es war herrlich. Auf jeden Fall hatte er sich mit einigen Leuten aus einem Lager angefreundet, das zu großen Teilen aus Freibeutern bestand und kam allgemein da wohl sehr gut an. Er durfte sogar an kleinen Wettkämpfen innerhalb dieses Lagers teilnehmen, obwohl er eigentlich dem Lager von mir und meinem Meister angehörte, da er ja mit uns kam.“, erzählt sie und grinst.

„Und während des vorletzten Tags des Festes landete er dann bei einem seiner Streifzüge in einem der anderen Lager…eines, das manchmal eher zweifelhafte Umgänge hegt und das man eigentlich eher meidet, wenn man an seiner geistigen und körperlichen Gesundheit hängt. Dort wurde er gefragt, ob er denn nicht gewillt wäre, auf einer Bühne mit anderen ein paar Kleidungsstücke zur Anschauung vorzuführen. Eitel, wie der Geck war, hatte er zugesagt und endete so anstatt auf einer Kleidungs-Vorführung dann als Verkaufsgegenstand einer Sklavenauktion.“, setzt sie ihre Geschichte fort und ich traue meinen Ohren kaum.

„Er schien einen guten Preis erwirtschaftet zu haben, was mich aber auch nicht wundert. Er ist ein recht schmucker Bursche. Gut gebaut, Schalk in den Augen und kampffähig. Um ihn wurde wohl eine Weile geboten, bis es dann einen Höchstbietenden gab, der ihn dann erhalten sollte. Unter den anderen Zuschauern der Auktion befand sich allerdings einige Mitglieder einer Crew aus Freibeutern, mit denen er sich ja angefreundet hatte. Und die Kapitänin ging zu dem Höchstbietenden und fragte diesen, ob sie den ‚Sklaven‘ denn nicht für ein paar Kupfer für eine Stunde ausleihen könnte. Der Höchstbietende war einverstanden und sie nahm meinen Freund mit. Nur…nunja…“ Sie lacht. „Sie gab ihn nie wieder zurück. Seitdem gehört er wohl ihrer Crew an, schließlich hatte sie ihn ja erbeutet.“, beendet sie die Geschichte und grinst mich an.

Ich kann nicht anders als darüber zu lachen. Was für eine verrückte Geschichte!
„Das ist ja eine großartige Geschichte… Ich meine… Ich hoffe, dass es ihm gut geht aber… Wow! Scheint auch ein sehr mutiger Mann zu sein!“ Ich überlege kurz. „Vom Fest der Drachen habe ich schon mal gehört… Da scheinen ja sehr viele Leute herumzulaufen!“
Dann lächle ich Esta an. Mir haben schon ein paar Abenteurer von diesem Fest erzählt…

„Oh, ja…es ist riesig.“, sagt sie und nickt. Ich kann in ihren Augen immer noch die Spuren des Lachens erkennen und finde es schön, dass sie so über diese Geschichte lacht.
Es macht Spaß, mit anderen zu lachen.
„Man kann dort den ganzen Tag unterwegs sein und zwar alle Orte gesehen haben, aber irgendwas hat man immer verpasst, weil immer so viel passiert. Und es sind wirklich irrsinnig viele und vor allem auch verschiedene Leute dort. Das ist Reiz aber auch Gefahr. Es sind nicht immer wohlwollende und gute Leute dort und mein Kumpel hatte bei der Auktion wirklich mehr Glück als Verstand gehabt.“

Mir gefällt ihre Beschreibung von diesem Fest der Drachen wirklich sehr. „Oh wow! Das klingt so spannend! Es muss total toll sein, dort zu sein und das alles zu erleben!“, antworte ich und muss wieder lächeln. Es wäre so schön, dort zu sein…
„Oh… Entschuldigung!“, schrecke ich auf einmal aus meinen Gedanken. Ich darf die Fragen nicht vergessen…
Also schaue ich mir die nächsten Fragen an, denke dabei aber immer noch an all die Abenteuer, die ich erleben könnte… Wenn es nur möglich wäre.
An welchen Gott oder an welche Götter glaubt ihr?„, stelle ich dann die nächste Frage.

„Ehm…eigentlich…ich glaube an die…Aspekte der Götter, weniger an spezielle Götter mit ihren Namen. Ich bin mit 5 Göttern aufgewachsen….aber im Laufe der Zeit…auf meinen Reisen habe ich einfach gelernt, dass fast überall Götter verehrt werden, die ähnliche oder sogar gleiche ‚Aufgabenbereiche‘ haben. Liebe, Natur, Recht und Ordnung, Krieg, Wissen, Kunst…Es wiederholt sich oft.“, erklärt sie mir und scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, an welchen Gott sie nun glaubt.

Aber jetzt, wo ich so darüber nachdenke, gebe ich ihr vollkommen recht. So habe ich noch nie darüber nachgedacht!
„Ja! Stimmt! Ihr habt Recht!“, sage ich aufgeregt. „Mir kamen die ganzen verschiedenen Götter und ihre Bedeutung immer so ähnlich vor… Ja, natürlich! Also… Sind es bei Euch einfach die Bedeutungen der Götter an sich… Und die Götter haben aber für Euch keine Namen?“

„In meiner Heimat schon…Lavinia, Alamar, Naduria, Tjor und Aine…das sind dort die großen 5. Aber ich selber…nur die Bedeutungen.“, erklärt Esta und nickt.
Die Namen kommen mir irgendwie bekannt vor.
„Verstehe… Hm… Lavinia… Das sagt mir irgendwas.“, überlege ich laut und schaue den Holztisch an. Aber woher…? Warum kenne ich diese Namen?
Dann fällt es mir ein.
„Ja! Vanion und Yorik! Ich glaube Lavinia gehört auch zu ihren Göttern.“

Esta starrt mich an und ich kann ihren Blick nicht einschätzen.
Dann fängt sie an zu lachen. Nur warum?
„Oh, himmlisch…Die beiden habt Ihr auch befragt? Was für ein interessanter Zufall.“
Dabei wischt sie sich ein paar Lach-Tränen aus den Augenwinkeln. Sie ist so eine fröhliche Frau… Ich mag es, wenn Leute so viel lachen.
„Ja, die beiden verehren speziell Lavinia. Yorik als ihr Geweihter und Vanion, der sie sich auf sein Wappen gesetzt hat.“, beendet sie dann ihre Erklärung.

Es fasziniert mich total, dass Esta die beiden auch kennt. Die Welt kann doch gar nicht so klein sein… Oder doch?
„Ihr… Ihr kennt die beiden also?“
Lavinia… Ja, das kam von den beiden.
„Ah… Genau! Daher kam mir der Name bekannt vor.“
Aber Estas Reaktion verstehe ich noch nicht genau… Ich fand Vanion und Yorik sehr nett, warum findet sie das so lustig?
„Ich… Äh… Verzeihung, aber… Was genau ist denn so lustig daran?“, frage ich zur Sicherheit mal nach. Nicht, dass ich irgendwas verpasst habe.

„Ehm…es ist einfach, dass es irgendwie sehr schnell und sehr oft passiert, dass man sich über den Weg läuft oder man öfter die gleichen Namen hört. In den letzten Jahren ist es mir sogar regelmäßig passiert, dass ich mich einmal im ersten Jahresmond verlaufe und irgendwo lande, wo ich eigentlich nicht geplant habe zu sein. Und da tauchen dann immer die gleichen Leute auf und etwas passiert…
Esta kichert.
„Ja, ich kenne die beiden. Vanion ist ein…Kindheitsfreund. Und mit Yorik bin ich eine Weile gereist.“

„Oh, verstehe!“, erwidere ich. Wirklich ein interessanter Zufall. „Das heißt… Ihr kommt auch aus dem gleichen Gebiet und dort verehren alle in etwa die gleichen Götter? Ja, verrückte Zufälle, wirklich… Aber es freut mich sehr! Sie waren beide total nett!“

„Wir kommen alle mehr oder weniger aus Engonien, ja.“, antwortet die junge Frau und nickt. „Sie sind wundervolle Seelen, auch wenn sie manchmal etwas eigen sein können. Aber wer kann das nicht.“

Da hat sie auch recht. Ich nicke und stimme ihr vollkommen zu.
„Es ist doch viel interessanter wenn Menschen eigen sind… Alles andere wäre doch langweilig, oder?“
Dabei suche ich mir schon mal die nächste Frage heraus.
„Definitiv. Das ist der Reiz an der großen Welt.“, fügt sie noch hinzu.
Als sie von der ‚großen Welt‘ spricht, werde ich beinahe wehmütig… Es wäre so schön, diese Welt auch sehen zu können.
Aber ich muss mich auf die Fragen konzentrieren.

„Hm, gibt es eine Situation in Eurem Leben, bei der Ihr froh gewesen seid, gelogen zu haben?
Esta legt den Kopf etwas schräg.
„Ich lüge für gewöhnlich nicht. Nicht, weil ich mich besonders der Wahrheit verpflichtet fühle, sondern weil richtige Lügen immer einen Weg finden, einem Probleme zu bereiten… Halbwahrheiten und verschwiegene Wahrheit ist da oftmals hilfreicher. Aber ich kann mich bisher an keine besondere Situation erinnern…“, erklärt sie und scheint noch einen weiteren Moment über die Frage nachzudenken. Ihr Gesichtsausdruck sieht angestrengt aus.
Dann entspannt sich ihre Mine wieder und die junge Frau schüttelt den Kopf.
„Nein, keine besondere Situation an sich. Ich bin nur meistens froh, wenn man mir mein Dasein als Handwerkerin auch als solches abnimmt. Besonders, wenn irgendwelche Anhänger von Lichtgottheiten oder sonstig Magie-feindlichen Einstellungen fragen…dann bin ich immer nur eine Handwerkerin. Das lief bisher sehr gut und hat mir viel Scherereien erspart.“

„Oh, das… ist sehr löblich.“, gebe ich zurück und nicke. „Also, dass Ihr normalerweise nicht lügt.“
Ich wusste vorher gar nicht, dass es Leute gibt, die keine Magie mögen… Das scheint ja wirklich ein großes Thema zu sein.
„Hm… Ja? Es gibt magiefeindliche Menschen? Das wusste ich gar nicht… Aber…. Wieso denn?“, frage ich sie. „Ich meine, das ist doch etwas ganz Besonderes und doch auch… hilfreich und toll, oder nicht?“
In dieser Stadt, in der noch keine Magier geboren wurden, wäre es mit Sicherheit auch total großartig, wenn es welche gäbe… Wahrscheinlich würden sie verehrt werden… Oder?

„…hilfreich…potenziell ja. aber auch potenziell sehr gefährlich, wenn es falsch angewendet wird. Und es gibt Gottheiten, die die Magie und das, was damit getan werden kann als unnatürlich und eine verderbliche Tat sehen.“, erklärt Esta. „Die Ceriden gehören dazu oder auch die Inquisition Alamars…Die jagen zum Teil Magier, wenn sie sie finden…und die Inquisition brennt Magiern ihre Gabe aus, wenn sie sie in die Finger kriegen…“
Der Ausdruck in ihrem Gesicht verfinstert sich… Ich kann gar nicht fassen, dass Magier teilweise so verachtet werden.

„Oh, wirklich?!“, frage ich und schaue die junge Frau an. „Aber… warum tun sie denn sowas? Kann nicht alles in den falschen Händen gefährlich sein? Müsste man dann nicht auch jede Waffe zerstören?“
Ich seufze.
„Das ist wirklich traurig…“

„Magie ist…eine Waffe mit Macht, die man sich manchmal kaum vorstellen kann. Und das kann Angst machen. Wenn du wüsstest, dass es eine Waffe gäbe, die…sagen wir, deinen Geist zerstören kann…deine Erinnerungen vernichten oder verändern kann…würdest du dich nicht auch wohler fühlen, wenn sie zerstört wäre? Dass diese Waffe auch in der Lage wäre, zu heilen… Erinnerungen zu nehmen, die krank gemacht haben, zum Beispiel…das wird da meistens nicht wahrgenommen. Weil man Angst hat. Und dann gibt es Leute da draußen, die aus Angst das Dogma eines Gottes machen. Es als Mittel für die eigene Macht nutzen… also würde ich sagen: Deswegen. Angst und Macht.“, erklärt Esta mit ruhiger Stimme, aber ich kann die Traurigkeit darin heraushören.

„Oh… Hm, achso.“, sage ich. „Ja, das ist wirklich traurig… Das habe ich noch nie so betrachtet.“
Aber ich möchte nicht weiter bei den traurigen Themen bleiben, also schaue ich wieder zu den Fragne.
„Hm, mögt ihr lieber vollendete oder unvollendete Dinge?„, frage ich und schaue sie aufmerksam an. Mir gefällt die Frage.

„Beides. Das eine ist das Zeichen getaner Arbeit und das macht oft zufrieden.“, erklärt sie und grinst. „Das andere ist ein Versprechen für die Zukunft. Zumindest solange angedacht ist, es zu vollenden.“ Sie neigt den Kopf zur Seite und runzelt kurz die Stirn. „Und es gibt unvollendete…Vorhaben, bei denen ich froh bin, dass sie unvollendet bleiben.“

Das war zwar nicht die Antwort, die ich hören wollte, aber ich verstehe, was sie damit sagen möchte. Und sie hat recht damit.
„Ah, verstehe. Also beides, ja, das klingt logisch. Ja, vielleicht ist es ganz gut, dass nicht alles vollendet ist.“
Beim Leben zum Beispiel wäre es sehr schlecht, wenn es bereits vollendet wäre.
Aber auf zur nächsten Frage… Die gefällt mir auch sehr gut.
„Hm, worauf seid Ihr besonders stolz?

Esta zieht beide Augenbrauen hoch und sieht überrascht aus. Dann lächelt sie auf einmal.
„Darauf, dass ich bin, wer ich bin und wohin ich es geschafft habe.“
Ich erwidere ihr Lächeln sofort. Ihre Antwort freut mich.
„Das ist schön. Ich denke, dass es gut ist wenn man auf das stolz sein kann, was man ist.“
Ich schaue mir die nächste Frage an… Ein Klassiker. Ich muss sofort grinsen.
Wenn Ihr Eurer Persönlichkeit eine Farbe zuordnen müsstet, welche würdet Ihr wählen?

„Ehm….hm…ich würde Mal spontan Safran sagen.“, antwortet sie. „Die Farbe von den namensgebenden Gewürz ist ein sehr schönes, warmes Gelb.“
Diese Antwort überrascht mich und so starre ich sie mit großen Augen an. Absolut außergewöhnlich, aber genau das finde ich so toll!
„Oh,… Eine wirklich spezielle Farbe! Das hat bisher noch keiner genannt. Aber es scheint ganz gut zu Euch zu passen, denke ich.“
Ich beobachte Esta und stelle sie mir in einem Feld voller warm-gelber Pflanzen vor. Es passt irgendwie.

„Und welche Farbe würdet Ihr für Euch wählen?“, fragt Esta mich dann und überrascht mich nun erneut… Ich spüre, wie ich schlagartig rot werde.
„Oh, ähm.. Also… Blau.“, sage ich und deute auf mein Kleid und das beinahe gleichfarbige Barett auf meinem Kopf. „Ich glaube ich mag die Farbe, weil sie ruhig ist.“
Ich zucke mit den Schultern und möchte zur nächsten Frage übergehen, weil mir das irgendwie unangenehm ist.
„Hm… Was würdet Ihr als Eure größte Schwäche bezeichnen?„, füge ich deswegen schnell hinzu.

„Blau…ja das sehe ich…ein Nachtblau, in dem die Sterne funkeln können.“, sagt Esta und ich lächle aufgrund ihrer Beschreibung.
„Uff…Angst. Angst ist meine größte Schwäche, würde ich sagen. Davor, das Falsche zu tun… nicht gut genug zu sein für die Aufgaben, die kommen…Den Falschen zu vertrauen oder die falschen Ideen umzusetzen.“, widmet sie sich nun meiner Frage und seufzt dabei. Dann senkt sie ihre Stimme etwas. „Und es ist so leicht…“

Ich bereue es sofort, ihr diese Frage gestellt zu haben, denn ich bemerke, wie traurig sie auf einmal wirkt…
„Oh, ich… Ich wollte nicht, dass Ihr jetzt traurig seid… Aber wieso solltet Ihr etwas Falsches tun?“
Es klingt fast so, als wäre es unvermeidlich.
„Ich meine… Am Ende entscheidet Ihr doch, was richtig oder falsch für Euch war, oder?“
Ich zucke mit den Schultern. „Das sind wohl die Schattenseiten eines aufregenden Lebens… Aber… Bereut ihr denn etwas?

„Noch nicht, nein. Aber was richtig ist und was falsch ist nicht nur die eigene Entscheidung. Manchmal haben unsere Taten Konsequenzen, die wir nicht absehen können in dem Moment…sei es, weil wir nicht alles wissen, sei es, weil man uns getäuscht hat oder weil man einfach leichtsinnig war…“
Sie schaut etwas traurig auf den Tisch.
„Und das ist, wovor ich Angst habe. Besonders mit einer Macht wie die der Magie…“
Ein schiefes Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht.
„Aber es ist eine Angst, gegen die ich arbeite. Je mehr ich weiß, desto mehr kann ich Risiken abschätzen. Es wird nie perfekt sein, aber es wird weniger wahrscheinlich.“

Ich nicke und bin beeindruckt von ihrer Stärke. Sie kämpft gegen ihre Angst und das finde ich bemerkenswert. Aber es ist auch traurig, dass sie sich so große Sorgen wegen ihrer Fähigkeiten machen muss…
„Es ist also wichtig, für seine Taten Verantwortung zu übernehmen, richtig?“, frage ich und seufze. Außer beim Schreiben war ich noch nie in großer Verantwortung, aber ich glaube ich weiß, was sie meint. „Verstehe… Hm.“
Ich schaue sie an und denke über ihre Worte nach. Soll ich weiter nachfragen? Ist das unhöflich?
„Ihr habt gesagt, dass Angst Eure größte Schwäche ist… Wovor habt Ihr denn am meisten Angst?

Sie schweigt einen Moment. Die Frage war wahrscheinlich wirklich unangebracht. „Davor denen, die ich liebe, zu schaden…egal ob direkt…oder auf Umwegen…“
Ich nicke langsam und seufze leise. Oh je, ich wollte sie nicht noch trauriger machen… Ich sollte auf jeden Fall das Thema wechseln.
„Genug von den traurigen Themen… Tut mir Leid!“

Ich hoffe, dass auf diesem Zettel noch ein paar fröhlichere Fragen stehen…
Fühlt Ihr Euch Morgens oder Abends wohler? Ich meine… Steht Ihr lieber früh auf und geht früh schlafen oder anders herum?„, frage ich dann und schaue nachdenklich meine Schreibfeder an.

Esta scheint noch immer mit ihren Gedanken bei dem Thema von vorhin zu hängen… Nach einer Weile setzt sie ein gezwungenes Lächeln auf, das erkenne ich sofort.
„Ich stehe lieber früh auf… Dann hat man noch viel vom Tageslicht und muss keine Kerzen verschwenden. Aber meistens läuft es es darauf hinaus, dass ich beides tue.“ Sie kichert und jetzt glaube ich fast, dass der Themenwechsel funktioniert hat.
„Früh aufstehen und spät ins Bett. Schlaf ist für die Schwachen.“, fügt sie noch hinzu und klingt dabei halb amüsiert und halb gequält.

Ich grinse sie an. „Oh ja, das kenne ich nur zu gut.“
Die nächste Frage finde ich lustig, weiß aber nicht, ob die Antwort genau so lustig wird.
„Hmmmm. Habt Ihr Euch schon mal mit Jemandem… Geprügelt?
Ich schaue sie gespannt an und warte auf ihre Antwort.

Sie schaut mich verdattert an. Damit hat sie sicherlich nicht gerechnet. „Ehm. Mache ich den Eindruck?“ Dann lacht sie auf und schüttelt den Kopf. „Nein, bisher nicht. Glücklicherweise nicht. Auch wenn man mich oft eher unterschätzt, glaube ich nicht, dass ich mich im Faustkampf wirklich behaupten könnte.“ Sie grinst etwas verschmitzt. „Und ich glaube auch, dass mir mein Meister die größte Standpredigt meiner Ausbildung halten würde und er hat mir schon ein paar gehalten.“

Gut, die Frage ist leider doch nicht so angekommen, wie ich es mir erhofft hatte. Ich spüre, wie ich schon wieder rot werde.
„Nein nein… Das war so nicht gemeint… Ich meine… Ich kann nichts für die Fragen.“, sage ich schnell. Das entspricht sogar der Wahrheit. „Gut… Ja. Das ist wahrscheinlich dann auch besser so.“
Aber ihr letzter Satz interessiert mich dafür umso mehr. „Oh, wofür habt Ihr denn schon eine Standpredigt bekommen wenn ich fragen darf?“

„Meistens dafür, das zu tun, was er von mir wollte. Nur gelegentlich nicht genau dann und genau wie er es wollte.“ Sie schmunzelt. „Zum Beispiel hatte er auf dem Fest der Grenzen in Engonien die Hoffnung gehabt, mit den Zauber bei zu bringen, der metallene Gegenstände zum glühen bringen kann. Hat nicht so gut geklappt, zumal ich zu der Zeit mit meinem eigenen Stand dort vertreten war und die Verpflichtung als Händlerin und die als Schülerin jonglieren musste.“ Esta nimmt den Nagel wieder in die Hand und spielt mit ihm herum.
„Geklappt hatte es dann, als ein Käufer mich um ein gekürztes Lederband bat und die vermaledeite Schere mir ihren Dienst versagte. Ich war etwas verärgert und habe da etwas mehr nachgeholfen. Das brachte mir die Schelte darüber, dass ich Magie nicht im Affekt nutzen soll.“ Das Lächeln in ihrem Gesicht wird wieder schief. „Er hatte sich etwas erschrocken, als ich ihm die Schere zeigte und er sie ungläubig erstmal in die Hand nahm…“

„Oh, verstehe… Aber immerhin konnte er Euch den Zauber dann doch noch beibringen… Mehr oder weniger eben.“, sage ich und grinse. „Eine heiße Schere schneidet besser, schätze ich? Das ist praktisch…“
Zumindest glaube ich das. Manchmal wünschte ich mir, auch etwas von Magie zu verstehen. Es klingt ganz wundervoll, auch, wenn es scheinbar gefährlich sein kann.
„Für den Moment, ja, aber Klingen werden schnell stumpf, wenn sie unnötig erhitzt werden. Die Schere war es bereits, also war das nicht wichtig, aber es ist nicht nachzuahmen.“ Sie zwinkert.

Ich werfe einen Blick zum Fragenzettel und stelle fest, dass wir am Ende angekommen sind. Leider.
„Esta, ich danke Euch sehr für die Beantwortung der Fragen… Sieht so aus, als wäre das die letzte Frage.“
Ich lächle Esta an. Eine wirklich nette Frau!

„Das war…ein interessantes Gespräch. Ihr seid recht neugierig.“
Ich bilde mir ein, in ihrem Blick eine Spur Enttäuschung oder Traurigkeit zu erkennen… Wollte sie etwa noch länger mit mir sprechen? Das hätte mir auch gefallen…
Ich hänge in Gedanken noch bei der erhitzten Schere… Nicht nachahmen also?

„Abgesehen davon könnte ich es nicht einmal nachahmen…“, sage ich und lache. „Oh… Ja… Es gibt so viele interessante Dinge… Vor allem bei Reisenden oder Abenteurern wie Euch!“
Ich grinse Esta an. „Ich hoffe, dass wir uns eines Tages noch einmal wiedersehen!“
Und das hoffe ich wirklich.

„Es muss nicht immer magisch sein, Martha…“ Ihre Stimme wird sanft und sie lächelt. „Die besten Lösungen sind mundan und wenn man die Wahl hat, und nicht wie ich üben muss, sollte man diese auch wählen. Und die mundane Version des Waffe erhitzen nennt man Feuer.“ Die junge Frau deutet auf den Kamin neben uns.
„Warum ‚wie Euch‘? Was hält dich davon ab auch zu reisen?“, fragt Esta mich dann noch.

„Es klingt so viel einfacher mit Magie..“, sage ich seufzend und schaue sehnsüchtig zur Tür.
„Ich weiß nicht… Ich kann hier nicht wirklich weg… Wer würde sonst die Geschichten schreiben?“

„Schreiben und Reisen schließen sich gegenseitig genau so wenig aus wie Reisen und Handwerken.“ Sie lächelt mich sanft an. „Und Ihr könntet Eure Geschichten mit Eindrücken aus erster Hand schreiben.“
Esta scheint einen Augenblick nachzudenken, dann nickt sie.
„Wenn…wenn Ihr Euch irgendwann mal dazu entscheidet, beispielsweise zum Fest der Grenzen in Engonien oder ähnlichen eher friedlicheren Gelegenheiten, werde ich Euch mit Freuden begleiten. Ihr müsst Euch nicht jetzt entscheiden. Ich werde bestimmt irgendwann wieder mal hier hin kommen. Reisen und Zurückkehren schließen sich ja auch nicht zwingend aus.“
Sie zwinkert mir zu und ich kann gar nicht fassen, dass sie mir ein solches Angebot macht. Es wäre zu perfekt…

„Oh, wirklich? Das klingt wundervoll… Ich danke Euch für das Angebot!“ Ich strahle Esta an.
„Es gibt noch Geschichten, die geschrieben werden müssen… Aber vielleicht ergibt sich ja bald eine Möglichkeit.“

Esta lächelt mich an. „Vielleicht. Und auch Euch Danke für den schönen Abend. Passt auf euch auf.“, sagt sie.
Wahrscheinlich muss sie viel eher auf sich aufpassen… Mir wird hier so schnell nichts passieren.
„Es würde mich freuen… Passt Ihr vor allem auf Euch auf! Und vielen Dank nochmal!“

„Mir passiert nicht so schnell etwas.“ Esta winkt leicht und zieht ihre Arbeit wieder heran.
Ich nicke. „Dann hoffentlich bis bald!“
Dann erhebe ich mich und verlasse die Taverne. Ich wäre gerne länger geblieben, aber es gibt noch so viele Geschichten, die geschrieben werden müssen.

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