Sollte irgendjemand jemals an meinem Grab stehen, wenn ich einst dem Hieb des Feindes unterliege, so soll dies meine Geschichte sein.

Ich bin ein einfacher Mann, ich habe Regeln, ich tue meine Arbeit und ich mag die Dinge unkompliziert.
Dennoch steckt hinter all der Fassade meiner Arbeit ein Wesen welches zu dem Mann geworden ist, den man als mich kennt, als Marder.

Ich werde mit der Geschichte anfangen zu einer Zeit, in der das Leben keine Perspektive hatte: Ich war jung, unerfahren und allein.
Es trug sich in einer Taverne ein Abend zu der all das ändern sollte. Ich hatte meinen vierzehnten Winter erlebt, fast ein Wunder für einen Mann geboren in Votkorov.

Schuld

Ich saß – abseits von den meisten – in einer Ecke und sah der Kerze auf meinem Tisch beim Abbrennen zu.
Ein Bier nach dem anderem soff ich mir den gestrigen Sold aus den Taschen.
Ich wollte vergessen.
Ich wollte ablehnen, nicht wahrhaben was ich vor einem Tag für 20 lächerliche Kupfermünzen getan hatte.
Doch ich konnte nicht, ich konnte es nicht los werden, mich nicht selbst von dem überzeugen, was ich mir einreden wollte.

Die Klinge, die ich bei mir trug, hing schwerer im Gurt.
War es gerecht? Nein.
War es notwendig? Vielleicht.
Es zerrieb mir den Verstand.
Mir war nach schreien zumute, einfach ausrasten und alles kurz und klein schlagen. Ja, das wollte ich.
Ich wollte die Schuld nach außen lassen…
Doch in dieser Spelunke die Nerven zu verlieren würden in Schlimmerem als Hohn und Spott enden.
Ich schloss meine Augen um mich zu beruhigen.

Mir kam alles in den Kopf.
Die Frau.
Der fragende Ausdruck in ihrem Gesicht, der sich zu blankem Entsetzen wandelte, als ich zustach.
Ihre Hand, die sanft meine Wange hinunter glitt, als sie zu Boden ging.
Ich hatte ihr Herz verfehlt und regte mich nicht als sie nach Luft flehend am Boden lag – ihre Lunge füllte sich mit ihrem Blut.
Eine knarzende Planke riss mich aus meiner Erinnerung.
Ein fremder Hintern auf dem Stuhl mir gegenüber löste das Geräusch aus. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herab und mich überkam das seltsame Gefühl er hätte meine Gedanken gesehen.

Der Fremde

Es war ein Kerl, älter als ich.
Er trug Wollkleidung und ein paar Ringe seiner Kette lugten aus dem Kragen hervor.

„Previet durachit‘.“ gab er unbeschwert lächelnd von sich.
„Previet, suka!“ gab ich scharf zurück.
Sein Lächeln verzog sich und er stand von seinem Stuhl auf.
Instiktiv ging meine Hand an den Griff meines Messers. Doch er drehte sich um und sagte „Wehrlose Frau abstechen traust du dich wohl, aber schlau scheinst du nicht zu sein!“
Mir fror das Blut in den Adern, trotzdem stand ich auf.
„Blyat, woher weißt du, dass ich-“
„Ich weiß was in meinen Straßen passiert, Kleiner.“
Er drehte sich wieder zu mir.
„Dein kleines Messer kannst du stecken lassen. Ich bin nicht hier um dich zu holen.“
Ich wusste nicht wie mir geschieht.
Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass fünf Männer in der Taverne zu uns rüber sahen.

Der Mann setzte sich wieder auf den Stuhl.
„Also nochmal. Previet mein Name ist Illya Klimov, ich beobachte dich eine Lange Zeit. Ich weiß wer du bist und was du tust. In dieser Stadt habe ich Augen und Ohren, mehr als dir wohl bewusst ist.“
Einen Moment herrschte Stille.
Sollte es das sein?
Mein Ende?

„Mein Name ist-“ Und wieder fiel er mir ins Wort, ich war unterlegen.
„Jaja ich weiß, Jorka Isgarm, 14 Jahre jung, aus Votkorov. Verschon mich bitte mit deiner armseligen Gesichte, ich kenne sie bereits.“
Jetzt verschlug es mir endgültig die Sprache.
„Hast du nicht langsam genug davon? Von den kleinen Einbrüchen und unterbezahlten Aufträgen? Hmm…“.
Er sah mich an.
„Jorka, ich glaube aus dir kann man mehr machen als das was du bist. Einen großen Mann, mit Geld und mächtigen Freunden. Ich kann jemanden wie dich gebrauchen.“

Neues Leben?

Ich sah mich erneut etwas hektisch in der Taverne um. „Wenn ich dir an den Kragen wollte, wärst du längst bei den Göttern.“
Er schien zu wissen, was ich dachte.
„Ich zeige dir was der Lohn sein wird, in meinen Reihen zu stehen.“
Er hob die Hand und zeigte zwei Finger.
Ich glaubte nicht was dann passierte: Der Tavernen-Wirt persönlich brachte zwei kleine Krüge.
Es war Vodka. Und zwar Guter.

„Davai trink mit mir Jorka.“
Wir nahmen die Krüge.
„Wetschnaja pamjat!“
„So swidanizem“, erwiderte ich.
Wir tranken den Krug in einem leer.
!! Ich war dem ganzen nun sicherer.
Doch genau wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.
Andererseits… welche Wahl hatte ich?

„Ich nehme es an, was auch immer es ist.“
Illya rief dem Wirt zu: „Ay Igor! Der Junge bekommt ein Bett für die Nacht, und sein Bier geht auf mich!“
Der Abend verstrich. Ich ging auf mein Zimmer und traute meinen Augen nicht.
Es war ein Bett, ein echtes Bett.

Der nächste Morgen

Der Morgen brach an. Ich stand auf und ging hinunter in die Taverne.
Dort saß Illya mit fünf Männern, sie lachten und aßen.
„Ahh kleiner Mann! Guten Morgen mein Freund.“, begrüßte Illya mich als mich die knarzende Diele an der Tür verriet.
„Previet“, grüßte ich zurück.

Seine Männer drehten sich zu mir um, sie sahen mich an.
Ihre Blicke erzeugten in mir ein merkwürdiges Gefühl der Unsicherheit.
Jeder von ihnen schien mich zu kennen. Ich kannte jedoch keinen.
„Setzt dich, davai komm, komm nur, iss mit uns.“

Nach einem kurzen Zögern ging ich auf den Tisch zu und nahm mir einen Stuhl der an der Seite stand.
Einer von Illyas Männern reichte mir eine Hühnerkeule.
Fleisch, ich konnte mich nicht erinnern wann ich dass letzte Mal Fleisch gegessen hatte.
Es wurde mit jedem einzelnen Bissen besser.
Es war gewürzt mit Salz und Kräutern.

Ich spürte, wie mich ihre Blicke abtasteten, sie sahen durch mich durch. Sie sahen, dass ich noch nie Salz geschmeckt hatte, sie sahen meine Unterlegenheit.
„Tut ein wahres Wunder, was Kleiner?“, kam es aus der rechten Ecke der Bank.
Ich nickte, traute mich aber nicht, ihn anzusehen.
Die Knochen legte ich zu den unzähligen anderen auf einen Teller auf dem Tisch.

Weisheiten

„Illya.“, sprach ich dann.
„Da, was ist?“
„Warum? Warum gerade ich? Ist es Fluch oder Segen, dass du mich gewählt hast?“
Er lachte beherzt.
„Ha ha, njet Jorka. Ein Fluch ist es, weiter zu tun was du bis jetzt getan hast. Und das mit deiner jungen Seele, kleiner Mann.“
Sein Blick ruhte auf mir.
„Wir haben sehr viel dafür gearbeitet um dahin zu kommen wo wir jetzt sind. Weißt du, ich war einst wie du. Ich hatte auch Angst…“
„Ich habe keine Angst!“, erwiderte ich impulsiv.
Es ließ ihn kalt.
„Doch die hast du und du versteckst sie hinter einer ziemlich großen Klappe.“
Woher wusste er dass?

Ich schwieg.
„Das erste Mal ist schlimm. Selbst der stärkste Mann vergisst nie das Gefühl, das erste Leben zu nehmen, doch es wird besser. Glaub mir, ich habe viele Männer getötet, genau wie meine Männer. Es verliert irgendwann an Besonderheit. Nur die Art, wie wir es tun ändert sich. Du musst es schnell tun, der Feind darf nicht leiden. Sonst wird es persönlich und du wirst die Kontrolle darüber verlieren.“

Er hielt einen Moment inne, dann wies er mit der Hand in die Runde. „Ich habe jeden dieser Männer aus dem geholt wo du jetzt bist.“
In mir kam alles hoch, ich hatte mich nie in meinem ganzen Leben so schwach gefühlt.
Seine Worte stachen tief.
„Was habt ihr mit mir vor?“
Ein leichtes Wimmern lag in meiner Stimme. Ich konnte es nicht verhindern.
„Wir werden dich ausbilden und in unsere Reihen aufnehmen.“
Diese Worte sollten mir das Leben retten. Sie machten mich zu dem, was ich heute bin.

Danach

Ich bin Krieger, ich bin Schlächter, ich bin frei.
Es sollte nicht nur bei Illyas Worten bleiben.
Sie bildeten mich aus.
Sie erschufen mich.

Es verging ein ganzes Jahr.
Jeden Tag stand ich auf als die Sonne stieg und übte den Umgang mit den Waffen, schärfte die Sinne und den Verstand.
Schwert, Lanze, Bogen, Hammer, Schlacht-Taktik, Strategie, Verhandeln. Mein Geist wuchs mit meinen Fertigkeiten zu töten.
Illya verlangte von mir, dass ich mehr gebe als ich habe.
Ich tat es, ich tat alles für ihn.
Er und die Männer waren alles, was ich je hatte.
Freunde.
Ja, sie wurden zu Freunden.

Obwohl ich mich nach gerade mal einem Jahr mit einigen der Männer messen konnte, beschäftigte mich Illya nicht mit Aufträgen.
Die anderen gingen regelmäßig dem Geschäft nach, Raubüberfälle, Geleitschutz und andere Aufträge.
Illya nahm so ziemlich alles an, was Geld einbrachte.
Ich fing an zu hinterfragen was er tat.
War es klug alles zu tun, was bezahlt war?
Manch eine Aufgabe war riskanter als der Lohn dafür.
Verletzungen aller Art waren an der Tagesordnung.

Der nächste Winter

Das Jahr neigte sich dem Ende und es wurde Winter.
Ich kam gerade von meiner Patroullie ins Lager zurück.
Mittlerweile war ich mir meiner Selbst sicher.
Ich hatte meinen Platz in der Truppe – Einen, den ich mir erarbeitet hatte. Doch heute schien irgendwas anders zu sein. Es nagte an mir schon als ich mich auf den Weg gemacht hatte.
Es war merkwürdig angespannt.

Die Männer saßen im Kreis rund um das Lagerfeuer und diskutierten laut. Ich bekam nicht alles mit.
Erst, als ich näher kam hörte ich Boris sagen: „Njet Illya, du übernimmst dich, maßlos. Ich werde nicht für ein paar deiner Schätze sterben!“
Boris war aufgebracht.
Illya sagte in seiner typischen Ruhe: „Willst du dich mir etwa widersetzen, Boris? Hmm? Mir, dem Mann der dich zu all dem hier geführt hat?“
Illya stand auf und drehte sich zu mir.
Er winkte mich zu sich.

Als ich neben ihm stand legte er seinen Arm um meine Schulter und grinste selbstsicher.
„Außerdem haben wir einen neuen guten Mann in unserer Reihe!“
Er sah mich an.
„Du Jorka, wirst uns begleiten bei deinem ersten Auftrag! Aus dir, mein Junge, ist ein wahrer Krieger geworden. Der Junge wird uns zum Sieg führen!“

Eine neue Waffe

Boris wurde langsam sauer: „Suka Blyat!“
Er stand auf und rempelte mich im Vorbeigehen an.
„Danke Illya, du ehrst mich. Ich werde tun was verlangt ist.“
Er drehte sich weg und ging auf sein Zelt zu.
„Sicher dass wirst du.“
Illya kam mit einer langen Kiste wieder zurück und stellte sie vor mir ab. „Gib mir dein Messer.“
Ich gehorchte.
In einer fließenden Bewegung warf er das Messer in den Wald. Dann öffnete die Kiste.
Ich verstand nicht – bis ich nach unten sah.
In der Kiste lag ein Schwert – ein wirklich schönes Schwert.
Geschützt von einer verzierten Lederscheide mit Gurt.
Es war ein Schashka, ein Säbel.
Darunter lag ein Kettenhemd.
Illya sah mich an.
„Was meinst du?“
Er lächelte und klopfte mir auf die Schulter.

Der letzte Abend

Der Abend brach an, die Männer und ich saßen bei Eber und Wein am Feuer.
Sascha hatte den Eber frisch erlegt, und obwohl es mein Erster war, hatte ich mich an den köstlichen Geschmack von Fleisch gewöhnt.
War das vielleicht gefährlich?
Sich an etwas so nicht-selbstverständliches zu gewöhnen?

Illya ging mit uns den Plan für den Angriff durch – umso öfter je mehr er von dem Wein trank.
Dann sagte er zu mir: „Jorka, Junge. Wenn du in dieser Welt an der Spitze sein willst dann musst du schlau sein, hörst du? Du musst die Züge deiner Gegner kennen bevor du angreifst, denn es mag Männer mit mehr Schwert-Geschick oder mächtigeren Freunden geben als dich.“
Es sah mir tief in die Augen und drückte mir den Zeigefinger gegen die Brust.
Er wirkte beinahe besorgt.
Es war nicht wie seine sonstigen Lehren, die mit einem Schwertknauf im Nacken und einem seiner Witze ihren Inhalt hatten, es war ernst.
„Sei Schlau, Jorka!“

Vorbereitungen

Der nächste Morgen brach an und ich entschied mich Illyas Rat anzunehmen.
Ich ging in das Gebiet in das er mein Messer geworfen hatte.
Ein Schwert war schön und gut, allerdings kannte ich die Tricks und Tücken meines Messers – ein Vorteil, den ich nicht verspielen sollte.
Ich fand es – im Schnee eingesunken am Fuße eines toten Baumes.
Ich versteckte es in meinem Stiefel.

Über den Tag verteilt trafen Leute im Lager an und Illya war beschäftigt damit die Waffen und Vorräte zu organisieren.
Es mussten an die vierzig Mann gewesen sein als Illya den Befehl zum Ausrücken erteilte.

Marsch zum Lager

Tagelang marschierten die vierzig bis an die Zähne bewaffneten Männer durch das Land, der Sonne nach musste es Richtung Südosten gehen. Hinter einer Felsformation befahl Illya das Lager aufzuschlagen und sagte den Kriegern sie sollen zum morgigen Tag gesättigt und bereit sein.
Ich kam mit den Armen voller Feuerholz an den Felsvorsprung.
Ein gutes Lager.

Illya war ein wirklich guter Stratege denn er hatte die offene Seite des Felsvorsprungs mit Baumstämmen und großen Ästen geschlossen und so eine Halle geschaffen, in deren Mitte ein Feuer seine Wärme ins Innere gab.
Es war genial.
Das Holz half die Wärme bei den Männern zu halten und verdeckte gleichzeitig die Sicht auf das Feuer.
Kaum hatte ich meine Holzlieferung abgelegt kam Illya mit zwei anderen auf mich zu.
„Jorka, geh mit ihnen und erspähe die Lage an der Stadtfestung“
Ich nickte.
Illya drehte sich auf dem Absatz um und ging seinen Geschäften nach. „Davai!“

Die Stadt

Es dauerte einige Stunden bis wir die hölzernen Befestigungsanlagen der kleinen Stadt erreichten.
Wir lagen so flach wie es ging auf einem kleinen Hügel – dem Stadttor direkt gegenüber.
Wir merkten uns die Standorte der Schmiede, der Vorräte und anderer wichtiger Gebäude.
Ich weiß nicht wie lange wir dort lagen.
Meine Klamotten waren getränkt vom geschmolzenem Schnee und ich spürte vor Kälte meine Hände nicht mehr.

Ich sah zu einem der Männer neben mir.
Seinen Namen kannte ich nicht und eigentlich interessierte mich auch nicht, wer er war.
Ich wollte gar nicht wissen, wer er war. Denn würde ich mich ihm anvertrauen, dann würde ich um ihn trauern, wenn er im Kampf den Tod fände.
Ich wusste, warum wir hier waren und das musste reichen.
„Wir gehen, ich habe genug gesehen. Davai.“, sagte er dann und wir gingen.

Ein schrecklicher Traum ereilte mich in der Nacht vor meiner ersten Schlacht. Es war diese Frau aus der Gasse…Die Frau von früher.

Der Tag der Schlacht

Der Tag brach an.
llya sammelte die Männer und wir marschierten auf die Stadt zu.
Ich erinnere mich nicht mehr an viel, außer an das Dröhnen der Kriegs-Hörner und an die wilden Schreie der Männer.
Der kleine Trupp der schlecht bewaffneten Soldaten, die den Stadteingang bewachten wurde von einem Hagel aus Äxten und Klingen förmlich in Stücke gerissen.
An den noch blutenden Körpern vorbei lief ich in die Stadt hinein.
Meine Sicht wurde von einem roten Schleier aus purem Zorn getrübt, der aus dem Nichts zu kommen schien.
Ich stürmte weiter.
Die Schlacht hatte etwas eigenartig berauschendes.
Ich war vom wohl größtem Leid umgeben, das Menschen einander antun können und fühlte mich so lebendig wie noch nie.

Illyas Truppen waren grausam.
Ich sah wie zwei bullige Kerle eine Junge Frau an den Haaren aus ihrem
Haus zerrten.
Ihr Mann stürmte hinterher, doch ein Hammer – geschwungen von einem Dritten – ließ ihm die Rippen bersten.
Es hörte sich an als ob man einen großen Ast kaputt trat.
Der Mann ging sofort zu Boden.
Noch auf der Straße rissen sie seiner schreienden Frau die Kleider vom Leib.

Töten.

Ich rannte in Richtung Schmiede.
An meiner Seite war Vadim, den ich kannte seit ich von Illya aufgenommen wurde.
„JORKA DAVAI, MIT MIR!“, brüllte er.
Noch bevor er für einen weiteren Satz die nötige Luft hatte, sank sein lebloser Körper in einen im Boden steckenden Speer zu Boden.
Der Mann, der ihn geworfen hatte, rannte erzürnt auf mich zu.
In einer Bewegung wich ich der großen Axt aus und stach ihm ein klaffendes Loch in den Magen.
Mit einem Tritt und einer Drehung kamen mein Säbel und seine Eingeweide frei.

Neben mir explodierte eine Holzhütte und zwei brennende Männer rannten schreiend hinaus.
Ein Dritter wollte auch zum Ausgang, doch Boris trat die Türe zu und verklemmte sie mit einem Regal.
Boris war so in Rage, dass er nicht mehr aufhörte zu schreien und zu lachen, bis er sich rumdrehte und mich bemerkte.

Seine Wut

„Und du, kleiner Mann?! Du hältst dich für ganz groß, hmm?“, brüllte er mich an.
„Suka, du würdest mehr verdienen können wenn du nicht alles in Grund und Boden brennst, Idiota!“, gab ich zurück.
„Ya ub’yu tebya, blyat!“, beleidigte er mich.
Dann rannte er wie ein wilder Ochse auf mich zu – wie ein wilder dummer Ochse.
Ich glaube, dass ich nie mehr im Leben so konzentriert war wie dort. Die Zeit schien stehen zu bleiben.
Mir fiel alles auf, jedes Detail.
Seine Schritte waren zu groß und seine Brust zu weit vorn.
Ich wich dem Schwerthieb aus, der mich glatt in zwei geteilt hätte.
Dann sprang ich ihm mit beiden Beinen gegen seine Knie.

Eine Sache hatte ich nicht bedacht: Er war stärker als ich und blieb stehen. Das nächste, was ich mitbekam war, dass mich etwas im Gesicht traf und er meinen Hals umschlang.
Ich blickte auf den Boden, mein Säbel lag im Matsch.
Ich konnte mich nicht befreien.
„umeret‘ sukin syn“
Mein Messer. Ich fühlte den Stahl in meinem Stiefel. Ein schönes Gefühl. Ich rammte es ihm in die Seite.
Boris schrie.
Ich drehte die Klinge und drückte sie von innen nach außen.
Als die Klinge seinen Körper verließ, riss es ihm Teile seiner Leber heraus.

Über Leichenberge

Der Mann ließ los. Ich kam zu Atem.
Ich war verwirrt und tastete den Schlamm nach meinem Säbel ab, bis ich ihn fand und mich an der Klinge schnitt.
Inzwischen neigte sich die Schlacht ihrem Ende zu.
Einzelne Söldner liefen durch die Straßen und stachen die noch Lebenden auf dem Boden endgültig ab.
Es war ein reines Massaker.

Ich lief über die toten Körper hinweg zu den anderen.
Meine Kampf-Euphorie entwich Stück für Stück, doch ich schaffte es, konzentriert zu bleiben.
Ich sah Illya in der Menge stehen, er zog gerade einem Mann seine Axt aus dem Hals.
Er sah auf. Und lächelte mich an.
„Blut an der Klinge Jorka! HA HA Ich wusste du bist ein Krieger!“
„ILLYA!!“
Ich rannte auf ihn zu und rammte ihn mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte und warf ihn zu Boden.
Die Sense eines Bauer hatte ihn knapp verfehlt.
Illya schien verwirrt und wütend zugleich bis er merkte, dass ich ihm gerade das Leben gerettet hatte.

Ich rappelte mich schnell auf und sprang dem Mann entgegen.
Ein starker Schlag traft mich in die Rippen, das Holz der Sense war hart. Doch ich ergriff die Chance, packte die Waffe und trat dem Angreifer in den Unterleib. Er ließ die Sense los und fiel auf die Knie.
Ich hob mein Schwert um mit aller Kraft aus zu holen, doch Jemand packte meine Hand. Es war Illya.
„Njet!“
„Lass mich los!“, rief ich. Beinahe flehend.
Einen Griff und einen Tritt in die Kniekehle später lag ich vor ihm auf dem Boden.

Der Bauer

„Tu was ich dir sage, ich will ihn lebend!“
„Zum Teufel mit ihm, Blyat!“, schrie ich.
Meine Rage war zurück und derselbe rote Schleier nahm mir aufs neue die Sicht.
„Warte ab mein Junge.“, sagte Illya ruhig.
Der Bauer kniete immer noch vor Schmerz auf dem Boden.
Langsam aber sicher war es vorbei und die Männer sammelten sich um Illya.
Nach einigen Augenblicken bildete sich ein Kreis um ihn, mich und den Bauern.

„FREUNDE! WIR WAREN SIEGREICH!“
Die Männer tobten vor Freude, ein Kreis aus Männern mit blutverschmierten Gesichtern und empor gehobenen Waffen.
Illya schritt zu mir und legte seine Hand um meine Schulter.
„Dieser Junge hat mir heute in der Schlacht das Leben gerettet. Diesen Jungen machte der Eifer der Schlacht zum Mann! Zu einem von uns!“

Ich begann zeitgleich mit dem knienden Bauern zu begreifen was nun folgen würde.
„Jorka. Tu es!“
Ich sah durch die Menge.
Sie alle erwarteten von mir, den Bauern niederzustrecken.
Ich begriff, worum es ging.

Einen Namen machen

Es ging um mehr als simpel zu tun, was die über einem verlangten.
Es ging um eine Möglichkeit.
Eine Möglichkeit, einen Namen zu erlangen.
Ein Name sollte viel wert sein.
Er kann dich reich machen oder deinen Tod herbeiführen.
Ein Name, den der Richtige kennt macht dich groß; ein Name, den der Falsche kennt bringt die das Verderben.

Ich war unter meines gleichen, also kannten die Richtigen meinen Namen. Ich musste ihnen etwas bieten, damit sie ihn ewig behielten.
„Steh auf!“, fuhr ich den Bauer an.
Die Männer tobten und grölten wie wild.
Der Kreis um uns war nun geschlossen.

Panisch sah sich der Bauer um und erhob sich auf seine wackligen Beine. Ich kehrte ihm den Rücken zu und trat vor die auf dem Boden liegende Sense.
Mit dem Fuß hob ich sie mir in die Hand und warf sie dem Bauern hin. Hektisch griff er danach und packte sie so fest als wolle er versuchen den Stiel zu zerdrücken.
„Ist dieser Mann mir ebenbürtig?“, fragte ich laut und bestimmt in die Menge.
Ich ließ die Spitze des Säbels im Kreis drehen bis ich dem Bauern wieder Angesicht zu Angesicht stand.
„Njet!“ kamen die Rufe aus der Menge hervor.

Ich hob meinen Säbel und sah noch einmal durch die Runde.
Dann ließ ich ihn fallen.
Das Gejubel verstummte auf der Stelle.

Töten

„Komm her, kleiner Mann!“, schrie ich den Bauern an.
Er kam auf mich zu mit der Sense im Anschlag holte aus und schlug zu.
Ich wich so knapp wie es möglich war aus und trat ihm gegen sein Knie.
Er schlug ein weiteres mal und ich duckte mich so knapp unter der Klinge weg, dass diese mein Haar schnitt.
Er schlug und schlug nach mir, ohne auch ein einziges mal den Hauch einer Chance zu haben mich zu treffen.
Schließlich packte ich die Sense im Schwung und rammte ihm das Griff-Ende in den Magen.
Ich fügte ihm einen Faustschlag zu, der ihm die Nase brach; ich konnte spüren wie der Kochen unter meiner Faust splittere.
Der Bauer taumelte und fiel ein weiteres Mal. Und ich schrie in die Menge. „WRAAHHHH!“ Sie tobten! „Da ubey yego!“
„DAVAI!“

Ich nahm mir die Sense vom Boden und ging auf den am Boden kauernden Mann zu.
„B-Bitte.“, winselte er.
Ich griff seinen Kragen und legte ihm von hinten das Blatt der Sense an den Hals.
Langsam legte ich meinen Fuß auf seinen Rücken.
„Nein! Bitte!“
Ich trat zu und die Klinge der Sense drückte sich in seine Kehle.
Das Blut quoll und spritze aus dem riesigen Schnitt heraus.
Ich trat noch einmal und sein Kopf klappte ihm zur Seite von der Schulter, der tote Körper klatschte auf den kalten, matschigen Boden.
Ich atmete auf und streckte die Hände nach oben.
Die Krieger tobten.

Lebensweg

Das war meine Erinnerung an diesen Tag.
Dieser Tag, der mir doch Fluch und Segen zugleich sein sollte.
Ich fand heraus, was ich kann und konnte dies beweisen. Und zwar vor Leuten, die Stärke und Macht besaßen.
Ich fand einen Weg für mein Leben, den ich gehen konnte.
Einen Weg, den man gehen kann jedes mal wenn man vor einem Problem steht.
Es ist ganz einfach: Willst du leben?
Dann sorge dafür, dass der große Mann dir wohlgesonnen ist.

Wir kamen nach der Plünderung von dem, was das Feuer nicht zum Greifen bekam im Lager an.
Die Feuer brannten und die Krüge füllten sich.
Illya ließ ein großen Feuer für die Toten herrichten.
Boris‘ Körper lag neben vielen anderen neben dem Holzstapel.
Seine Innereien quollen aus dem riesigem Loch, das ich ihm dort rein gerissen hatte.
Eine merkwürdige Spannung herrschte im Lager.
Die Männer drehten sich von mir weg wenn ich hinsah oder sahen mich aus der Ferne düster an.
Irgendetwas stimmte nicht. Es war mir nicht geheuer.
Ich wusste nicht was es war, aber es gefiel mir nicht.

Gnade

Illya rief die Männer zusammen.
„Kommt, Männer. Wir haben ein weiteres Mal gesiegt. Doch nur auf Kosten einiger unserer Brüder.“
Die Krieger sammelten sich um den großen Holzstapel und stellten sich im Kreis auf.
Illya, der eine Fackel in der Hand hielt stand rechts von mir und winkte die Männer zusammen.
„Davai!“, sagte er und nickte rüber zu einem anderen der gerade dazu kam.
Er verstand und ging ohne Weiteres zu den toten Körpern.
Zusammen mit einem weiteren Mann fingen sie an, die drei von Schlamm und Blut bedeckten Leichen auf den Holzstapel zu legen.

Boris nahmen sie als letztes, doch als sie ihn hoch hoben bemerkte ich wieder diese Unruhe und meinte ein paar Männer flüstern zu hören.
„Auf unsere Brüder“ sagte Illya und hob seinen Becher.
Alle taten ihm nach.
„Boris alter Freund, kämpfte Jahre lang ein meiner Seite nur um dann durch die Hand eines Bauern den Tod zu finden.“
Mein Blick schweifte über die Körper auf dem Holz.
Bis er von Vadims Augen gefangen wurde.
Er starrte mich an: „Da Hundesohn, dieser Bauer.“
Ich wandte meinen Blick nicht ab und so standen wir da und starrten uns an.
Er musste gesehen haben, dass Boris durch meine Klinge den Tod fand. Ich verstand nun, was vor sich ging.
Die Flammen verdeckten meine Sicht auf Vadim’s hässliches Gesicht, nachdem Illya den Haufen in Brand setzte.

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Kategorien: GeschichtenMarder

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