Die Reise

Rhavin nahm uns als Unterstützung mit nach Rutgard. Da Tahn und ich nicht genau wussten, wohin wir als nächstes gehen sollten, war das für uns eine gute Lösung. Wir machten uns also vom Wolkenturm aus auf den Weg. Rhavin selbst wurde von einem Jarl namens Raudrulf gebeten, ihm dort zu helfen. Ich war etwas skeptisch, aber Rhavin meinte, dass Raudrulf ein guter Freund war.

Wir trafen bald auf Demnor, der ein Freund von Rhavin war. Ich selbst hatte ihn auch schon einmal gesehen, wusste aber sonst nichts über ihn. Rhavin erzählte uns von seiner Freundin Ylva, die wir auch noch abholen wollten. Wir trafen sie wenig später unterwegs. Sie war sehr bunt gekleidet und fiel im Wald ziemlich auf, aber wir waren ohnehin eine bunt gemischte Gruppe. Ich musste mich damit abfinden, dass wir im Wald nicht leise sein würden.

Es dauerte einige Tage, bis wir in die Nähe des gesuchten Ortes namens Rutgard kamen. Rhavin selbst war auch noch nie an diesem Ort gewesen, also blieb nur zu hoffen, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Doch als er wenig später bekannte Gesichter traf, stellte sich heraus, dass wir uns zumindest nicht völlig verlaufen hatten. Ich konnte die beiden Gestalten kaum erkennen, weil es schon dunkel war. Es wurde Zeit, ein Lager für die Nacht zu finden.
Die beiden stellten sich vor. Eine war eine Frau namens Svea, die andere war ein Mann, dessen Name ich mir nicht ganz merken konnte. Irgendetwas mit einer Stimme des Windes. Ich wusste nicht, ob ich nachfragen sollte. War das vielleicht unhöflich? Ich wusste es nicht.

Goldaren und Korandianer

Als wir an einer Art Tor ankamen, standen dort zwei weitere Gestalten. Sie rieten uns, zu verschwinden. Wir sollten den Ort nicht betreten – schon gar nicht mit Goldaren. Ich sah mich um. Was meinten sie denn? Beide Gestalten waren sehr dunkel gekleidet und das einzige, was ich erkennen konnte war, dass es sich um eine Frau und einen Mann handelte. Sie wirkten sehr wütend.

Auf einmal rannte Jemand an uns vorbei und rief etwas von Schatten. Ich sah ihm nach, nahm zur Sicherheit Axt und Schwert in die Hand und wusste nicht recht, was ich davon halten sollte.
Rhavin erklärte uns irgendetwas von Goldaren und Korandianern und einem Streit, die diese beiden Völker miteinander hatten. So richtig verstand ich es nicht.
Ylva versuchte, sich freundlich mit den beiden Gestalten zu unterhalten, doch sie gingen darauf nicht ein, sondern versuchten weiter, uns zu verscheuchen.

Wir liefen also etwas weiter. Ich wollte mir schon ein Lager im Wald errichten, als wir auf weitere Leute trafen. Sie kamen aus einem angrenzenden Waldstück. Rhavin kannte ein paar von ihnen und so konnten wir wohl davon ausgehen, dass sie uns nicht angreifen würden. Tahn und ich hielten Wache, bis alle von ihnen auf dem befestigten Weg waren.

Es stellte sich heraus, dass wir Rutgard erreicht hatten. Offenbar war hier eine Art Seuche ausgebrochen, die Menschen zu Untoten machte. Keine schöne Sache.
Wir mussten also irgendwie durch dieses Tor, das von den beiden Gestalten bewacht wurde. Allerdings war es zu allem Überfluss auch noch magisch geschützt. Gab es einen anderen Weg?

Immer mehr Menschen sammelten sich dort und wollten durch das Tor. Die Gestalten schienen magisch begabt zu sein, denn schon bald wurden die Leute von irgendwelchen Eis-Geschossen verletzt. Ich selbst blieb möglichst weit vom Tor entfernt. Dort sprachen zwei Männer über irgendeinen Kurt, der ein Zuteiler ist beziehungsweise war, weil er jetzt tot ist. Ich kannte keinen Kurt, versuchte aber trotzdem, den beiden zuzuhören. Sie wirkten ziemlich wirr im Kopf.

Verletzte und Rituale

Ich bekam nicht ganz mit, was vor dem Tor passierte, aber es wurden reichlich Personen verletzt. Ein Verletzter wurde in meine direkte Nähe gebracht. Er blutete sehr stark und mit Hilfe von Umstehenden versuchte ich, ihn umzudrehen und ihm zumindest die Wunden zuzudrücken, damit er nicht verblutete. Sein Puls war schwach. Ich rief ein paar Mal nach einem Heiler oder Arzt und irgendwann kam auch eine Frau, die ihm helfen konnte. Ihr Gesang war sehr schön und es erinnerte mich an die Heilerin vom Wolkenturm. Es hatte einen ähnlichen Effekt, denn die Wunde schloss sich langsam. Ylva kam dazu und säuberte die Wunde von seltsamen Eissplittern, die darin steckten. Dann sang die Heilerin weiter, sodass sich die Wunde komplett schließen konnte. Sie erklärte mir, dass es ein Gebet ist. Mir fielen die Lieder ein, die ich manchmal Odin widmete. Wahrscheinlich war das bei ihr so ähnlich.

Der Mann wurde in Richtung Tor getragen und als ich aufsah, stellte ich fest, dass es nun irgendwie möglich war, hindurchzugehen. Die beiden Gestalten standen auch nicht mehr dort.
Ich sah Rhavin und lief mit Tahn zu ihm. Er konnte selbst auch nicht ganz erklären, wie und warum das Tor jetzt passierbar waren. Ob es eine kluge Idee war, dort zu lagern? Immerhin wollten diese beiden Gestalten doch, dass wir verschwanden? Ich äußerte Bedenken, aber es schien so, als müssten wir hindurch.

Wir liefen über eine große Wiese und suchten uns einen kleinen Platz aus, der von hohem Gras umgeben war. Rhavin, Ylva und Demnor hatten Zelte mitgenommen, die sie jetzt aufstellten. Tahn und ich würden wohl wieder im Wald schlafen. Dort würde ich mich auf jeden Fall sicherer fühlen, auch wenn Tahn das wahrscheinlich nicht so gut finden würde. Immerhin hatten wir noch genug Äpfel für ihn.

Gespräche und Pläne

Da Ylva sich mit Alchemie auskannte, wollte sie sich um ein eventuelles Gegenmittel für die Seuche kümmern. Wir liefen etwas herum, um mit ein paar Personen zu sprechen. Ich kannte niemanden und versuchte, grob zu verstehen, was überhaupt los war. Zum Glück wirkten die meisten Menschen ganz freundlich. Trotzdem verstand ich das meiste nicht, über das gesprochen wurde.

Im Lager unterhielten wir uns über unsere Heimat. Ich sprach von Falkenhain und Ylva erzählte, dass sie keine richtige Heimat hat, sondern hier und dort Zuhause war. Eigentlich überall, wo sie eben war. Eine interessante Vorstellung, trotzdem war ich froh, meine Heimat in Falkenhain zu haben.

Ylva hatte eine Laute dabei und fing an, Musik zu machen und zu singen. Es klang sehr schön, sie hatte eine wirklich hübsche Stimme. Ein Lied über einen Raben und eine Nachtigall begeisterte mich sehr, weil es mich an Hugin und Munin – die Raben Odins – erinnerte.

Odin

Wenig später wollte Ylva noch ein paar Gespräche führen und ich begleitete sie. Wir liefen zu einem anderen Lager und dort unterhielt sie sich mit dem Jarl, von dem Rhavin um Hilfe gebeten wurde. Ich konnte ihn nicht einschätzen, also stand ich nur daneben und hörte zu.
Sie wechselten das Thema und sprachen über Götter, da erzählte er von einem Gott der Veränderung, dem sie eine Art fahrende Taverne auf Rollen widmen wollten, damit sie immer woanders sein konnte. Er äußerte seine Vermutung, dass es sich bei dem Gott auch um Loki handeln konnte. Ich horchte auf. Loki. Er kannte also meine Götter?

Mit Ylva hatte ich zuvor auch schon ein Gespräch über Odin geführt. Das schien ihr einzufallen, denn sie deutete auf mich und fragte mich, ob das auch mit Odin zu tun habe.
Daraufhin mischte sich auch Jarl Raudrulf ein.
„Ach, hör mir auf mit Odin, dem einäugigen Bastard“
„Was? Was habt Ihr gesagt?“, fragte ich sofort nach. Doch der Jarl schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen, sondern drehte sich um und unterhielt sich mit anderen Leuten aus dem Lager. Das machte mich wirklich wütend.
„Hat er gerade Odin beleidigt?“, fragte ich Ylva. „Darf ich ihn hauen?“
Sie äußerte Bedenken, weil es sich bei ihm um einen hochrangigen Mann handelte. Das war mir aber egal. Ich war sauer. Was fiel ihm nur ein, den Allvater zu beleidigen? Für wen hielt er sich?

Ich musste an Jarl Halfdan denken und wie rücksichtslos er das verfluchte Schwert im Turnier genutzt hatte. Auch ein Jarl. Dann fiel mit Jarl Farkas II ein, der Jarl von Bärenfels, der einfach ein verdammt schlechter Mensch war. Warum benahmen sich alle Menschen, die sich Jarl nannten, so?
Ich ging zurück zum Lager und setzte mich hin. Noch immer wütend meckerte ich über den Jarl und dass er Odin beleidigt hatte. Rhavin und Ylva sagten, dass sie ihn zu uns ins Lager eingeladen hatten.
„Dann gehe ich“, sagte ich. Ich sah den Jarl kommen, also stand ich auf und ging. Es war mir egal. Ich wollte nicht in seiner Nähe sitzen. Was fiel ihm nur ein? Was für ein selbstgefälliger und ahnungsloser Idiot!

Ich lief über die Wiese und suchte mir einen ruhigen Ort. In mir tobte ein Sturm. Ich schaffte es nicht, mich zu beruhigen. „Odin, was hat das zu bedeuten? Odin… das ist ein seltsamer Mann, aber Rhavin hat gesagt, dass er gut ist. Wir sind hier, um ihn zu unterstützen und jetzt beleidigt er dich, Odin“, murmelte ich vor mich hin. Ich lauschte einigen Gesprächen um mich herum. Obwohl ich so weit weg saß, konnte ich die Menschen in einigen Lagern sprechen hören.

Überzeugung

Ich verbrachte eine lange Zeit damit, zu Odin zu sprechen und zu grübeln. War es wirklich eine gute Idee, an diesem Ort zu bleiben? Gedanken an meine Heimat in Falkenhain überfluteten mich. Wie konnte es sein, dass ich nach so kurzer Zeit schon wieder nach Hause zurück wollte? Irgendwie vermisste ich die Ruhe dort. Außerdem hatte Tahn sich in Falkenhain auch sehr wohl gefühlt. Es ging ihm besser als hier… Vielleicht hatte ich in meinem Zuhause bessere Möglichkeiten, auch Tahns Zuhause zu finden. Aber was würde eigentlich passieren, wenn ich Aufgabe erfüllt hatte? Würde ich dann ohne Tahn weiterziehen? Das konnte ich mir nach all der langen Zeit gar nicht mehr vorstellen. Ich schüttelte den Kopf. Was für eine seltsame Entwicklung meinerseits.

Eine Gestalt kam auf mich zu. Es war dunkel, aber anhand seiner Bewegungen wusste ich, dass es Tahn sein musste. Mittlerweile konnte ich ihn selbst bei Nacht sehr gut erkennen.
„Anastasya?“, fragte er.
„Da?“
Er legte meinen Rucksack vor mich. „Das ist wichtig“, sagte er.
Das brachte mich zum Lächeln.
„Da, vielen Dank“

Ylva kam zu uns. Ich wusste, dass der Jarl noch immer in unserem Lager saß, deswegen scheiterten ihre Versuche, mich zum Zurückkommen zu bringen. Sie blieb aber standhaft und zog mich schließlich einfach mit sich zum Lager. Ich solle doch mit ihm diskutieren und mich mit ihm vertragen. Die Idee überzeugte mich nicht wirklich, aber auf der anderen Seite vertraute ich Rhavin und wollte ihm ja auch helfen… Der einzige Weg, das zu tun war wohl, mich mit dem Jarl zu vertragen. Zumindest ein bisschen…

Göttergespräche und Zukunft

Ich setzte mich ins Lager und vermied es, den Jarl anzuschauen. Mir war gar nicht wohl bei der Sache.
Er wollte mir erklären, warum er so schlecht auf Odin zu sprechen ist, aber ich wollte die Geschichte gar nicht hören.

Die anderen überzeugten mich, ihm zuzuhören und das tat ich dann auch. Er erzählte, dass Odin dafür verantwortlich war, dass sein Land jetzt von Eis bedeckt ist und er sich ein neues Land suchen müsse.

„Ich glaube Euch das nicht“, sagte ich. Es klang sogar eher so, als würde Loki dahinterstecken. Ich wusste einfach, dass Odin zwar manchmal listig war, aber niemals grausam oder böse.

So sprachen wir etwas über die Götter und er äußerte seine Meinung zu den Göttern, vor allem zu Odin. Es war in Ordnung für mich. Andere Meinungen kann ich akzeptieren, ich mochte nur nicht, dass er Odin pauschal als ‚Bastard‘ bezeichnet hatte.

Er fragte mich, ob Odin je etwas für mich getan hatte. Diese Frage konnte ich eindeutig beantworten. Es stimmte. Odin hatte schon verdammt viel für mich getan. Ihm wurde klar, dass ich eine Art Zukunftsdeuterin war, weil ich mit Odins Hilfe und den Runen die Zukunft legen konnte. Bei ihm wurde diese Art von Mensch als „Völva“ bezeichnet, den Begriff hatte ich auch schon einmal gehört.

Das glaubte er mir nicht ganz, akzeptierte aber auch diese Einstellung. „Vielleicht habe ich die erste Person getroffen, für die Odin gute Taten vollbringt“, sagte er. Das beruhigte meinen Zorn. Ich würde ihn akzeptieren und versuchen, nett zu ihm zu sein. Wahrscheinlich war er kein so schlechter Mensch. Zumindest hoffte ich das. Trotzdem hieß das nicht, dass ich ihn mochte.

Er verabschiedete sich bald, um sich schlafen zu legen. Es war schon sehr dunkel, also taten wir es ihm gleich. Da mir der Ort nicht geheuer war, ging ich mit Tahn zu einem einigermaßen sicher wirkenden Ort in den Wald. Dort schliefen wir.

Der nächste Tag

Das Seuchenrezept

Am nächsten Tag verließen Tahn und ich den Wald und machten uns auf den Weg zurück in unser Lager. Tahn war zwar nicht besonders glücklich, dass wir wieder im Wald schlafen mussten, aber so waren wir immerhin sicher.

Doch alle schienen wohlauf zu sein, was mich natürlich freute. Zusammen mit Ylva gingen wir ins benachbarte Lager, weil sie dort von einer Frau ein Rezept abholen wollte. Mit diesem Rezept würde Ylva einen Trank brauen können, der gegen die Seuche half, die in diesem Land ausgebrochen war. Offenbar war es aber nicht ganz sicher, weil es sich um eine veränderte Art dieser Seuche handelte. So ganz hatte ich es zwar nicht verstanden, aber ging trotzdem mit. Vielleicht konnte ich ja irgendwie helfen.

Und das konnte ich tatsächlich, indem ich das Rezept von der Frau abschrieb, damit Ylva es in ihrem eigenen Buch hatte. Ich las irgendetwas von verschiedenen Zutaten und fragte mich beim Schreiben, wo wir so viel Baumharz herbekommen konnten. Scheinbar würden wir mehrere kleine Fläschchen dafür brauchen.

Es stellte sich außerdem heraus, dass es eine Pflanze gab, die gezüchtet wurde, um diese Seuche zu verbreiten. Ein Mann kam in unser Lager und trug ein versiegeltes Exemplar dieser Pflanze bei sich, damit Ylva es sich anschauen konnte. Als sie versuchte, ein Stück davon abzuschneiden, verbrannte sie sich die Hände, obwohl sie Handschuhe trug!
Entweder es lag an der Pflanze oder aber an diesem magischen Siegel. Wir beschlossen, das Siegel bestehen zu lassen, immerhin wollte keiner von uns krank werden.

Fallen bauen

Um die Zutaten für den Trank herbeizuholen, begaben wir uns in den Wald. Baumharz und Baumpilze würden wir mit Sicherheit finden, wenn wir eine Weile danach suchten. Zur Sicherheit nahmen wir noch ein paar der Kämpfer mit, die in unserer Nähe lagerten.

Ein weitere Bestandteil des Tranks war organisches Material von einem nicht verseuchten Wesen. Da wir uns bei den Leichen in dieser Gegend nicht sicher sein konnten, ob sie verseucht waren, schlug ich vor, eine Falle zu bauen.
Seit Tahn vor einiger Zeit meine Falle zerstört hatte, war ich noch nicht dazu gekommen, eine neue zu bauen. Das war also die perfekte Gelegenheit dazu.

Im Wald suchte ich mir ein paar biegsame Zweige zusammen. Taue hatte ich zum Glück immer dabei. Es dauerte eine Weile und Tahn blieb in meiner Nähe, um mich im Notfall zu beschützen. Ich konnte zwar selbst kämpfen, aber während ich am Boden hockte und an der Falle werkelte, war ich zu sehr abgelenkt. Es war besser, wenn er zur Sicherheit da war.

Nach einiger Zeit war die Falle fertig. Ich tarnte sie mit ein paar Blättern und Zweigen und legte ein Stück Apfel und ein Stück Käse hinein. Irgendetwas würde ich damit schon fangen. Selbst ein Kaninchen würde für den Trank wahrscheinlich reichen.

Wir schlossen uns der übrigen Gruppe an und suchten weiter nach Baumharz und Baumpilz. Es stellte sich als überraschend schwierig heraus, da es in diesem Wald sehr trocken war und kaum Nadelbäume wuchsen. Ich wusste aus meiner Heimat, dass man vor allem an Nadelbäumen viel Harz finden konnte.

Wir suchten weiter und fanden immer mal wieder ein paar getrocknete Stücke Harz. Ylva würde die Stücke später einschmelzen.

An ein paar toten Bäumen im Unterholz fanden wir schließlich auch Baumpilze. Es dauerte seine Zeit, doch irgendwann hatten wir alles beisammen.

Der Bär

Auf dem Rückweg beschloss ich, kurz bei der Falle vorbeizuschauen.
Da ich keine Tiere aufschrecken wollte, bat ich die anderen, nur mit mir mitzukommen, wenn sie dabei leise waren.
Die meisten von ihnen gingen daraufhin lieber zurück. Sie wollten versuchen, in eines der vielen Labore zu gelangen, die es an diesem Ort gab. Das war mir recht.

Ein Junge wollte allerdings mit mir zur Falle. Er verhielt sich einigermaßen ruhig, also war es für mich in Ordnung. Wir liefen hoch in das Waldstück. Von Weitem sah ich die Falle. Es war tatsächlich etwas darin. Ich näherte mich vorsichtig, weil es recht groß aussah.

Ich traute meinen Augen kaum… Ein Bär! Ich hatte tatsächlich einen Bär in meiner Bärenfalle!

Doch er bewegte sich nicht. Um ihn herum befand sich eine Blutlache.
Ich ging langsam näher heran und stellte fest, dass er mit dem Kopf voran in die Bärenfalle getappt war und sich dabei das Genick gebrochen zu haben schien. Er war tot!

Ich erinnerte mich an heroische Geschichten von Bärentötern, die sich fortan als Berserker bezeichneten und das Bärenfell stolz mit sich trugen. Sollte ich das auch tun? Bei dem Gedanken musste ich grinsen.

Es war zwar noch kein ausgewachsener Bär, aber immerhin…

Kribbeln im Rücken

Stolz trug ich den Bären zurück zum Lager. Er war ziemlich schwer und ich war froh, dass der Junge die Falle für mich trug.

Ich legte den Bär auf eine hölzerne Bank bei der Feuerstelle, um mich erst einmal auszuruhen. Damit hatten wir wohl genug organisches Material beisammen.

Eine junge Frau kam zu mir und wir unterhielten uns über den Bär. Sie setzte sich zu uns. Leider erinnere ich mich nicht an ihren Namen, aber sie war sehr nett.

Während ich in meiner Tasche herumkramte, spürte ich plötzlich ein seltsames Kribbeln im Rücken. Als ich zum Bären sah, wirkte das Blut in seinem Nacken so seltsam, beinahe, als würde es fest werden. Ich fasste in das Fell und es fühlte sich kalt an. Gefror da gerade sein Blut?

„Was ist?“, fragte die junge Frau, die etwas weiter weg saß.
„Ahh, irgendwie kribbelt im Rücken“, erwiderte ich. Es war wirklich seltsam.
Tahn schien es ähnlich zu gehen.
„Ist was mit dem Bär?“, vermutete die Frau.
„Ahh, njet“, sagte ich, immerhin handelte es sich um einen normalen, toten Bär. Was sollte der schon anrichten?

Auf einmal riss mich etwas nach hinten. Ich flog über die hölzerne Bank zurück und landete weiter weg in der Wiese. Der Bär lag noch an seinem Platz, sah aber eindeutig gefroren aus. Was war hier nur los?

In der Mitte der Bänke tauchte die schwarz gekleidete Frau auf, die uns schon am ersten Tag verscheuchen wollte.
„Verschwindet endlich!“, sagte sie.

Ein paar andere Krieger waren dazu gekommen. Offenbar hatte sie eine Barriere aus Eis um den Platz gemacht. Meine Trophäe war unerreichbar für mich! Wir mussten etwas unternehmen!

Haustier-Bären?

„Hm, der Bär gehörte vielleicht dieser Schwarzmagierin?“, vermutete die Frau und deutete in Richtung des vereisten Platzes. Die Schwarzmagierin war schon wieder verschwunden.
„Njet!“, erwiderte ich. „Glaubst du wirklich sie hat Bär als Haustier? Und wenn doch dann muss sie besser aufpassen auf ihn…“
Ich sah zu dem toten Bären im Eis.
„Will ich Bär wieder haben!“

Ein paar Magier – darunter auch Rhavin – versammelten sich um die vereiste Barriere und versuchten, das Eis weg zu machen. Wenig später kam der Jarl Raudrulf dazu und schlug mehrfach mit seiner Axt darauf ein.
Es schien etwas zu bewirken, denn wir wurden wieder zurück geworfen, doch danach schmolz das Eis langsam.

Ich unterhielt mich noch mit der Frau über den Bären und darüber, was passieren würde, wenn er wieder zum Leben erweckt wurde. Sofern er dann auf mich hören würde, würde mich das sogar freuen… Wer konnte schon von sich behaupten, einen unsterblichen Bären herumkommandieren zu können?
Sie stimmte mir zu und hielt es dann doch für eine gute Idee.

Damit der Bär nicht noch einmal festfrieren konnte, trug ich ihn zu unserem Lager. Er war durch das nur langsam schmelzende Eis noch viel schwerer zu tragen.

Da wir gerade etwas Zeit hatten, zerlegte ich den Bären, behielt aber das Fell und den Kopf an einem Stück. Die Knochen säuberte ich und von dem Fleisch nahm ich ein gutes Stück vom Bein beiseite, damit wir es nachher für den Trank benutzen konnten. Den Rest würden wir später kochen uns essen. Es würde sicher sehr lecker werden!

Die Teezeremonie

Eine Frau der Goldaren kam in unser Lager und fragte, ob wir an der Teezeremonie teilnehmen wollen. Wir stimmten zu und folgten ihr auf die Wiese. Es klang sehr interessant und ich wollte einfach nur wissen, was passieren würde. An einer Teezeremonie habe ich noch nie zuvor teilgenommen.

Wir setzten uns in einen Kreis und es kamen noch ein paar Leute der anderen Lager dazu.

Die Frau erklärte etwas über die Zeremonie und sagte auch, dass ihr Schutzgeist oder Schutztier eine Katze sei und ob das für alle in Ordnung ist, weil diese Katze die Zeremonie mit leiten würde.
Ich wusste zwar nicht, was das für mich bedeutete, aber eigentlich mochte ich Katzen. Ich musste an Rashkar denken. Hoffentlich würden wir in naher Zukunft auch eine Lösung für ihn finden.

Die Zeremonie begann und die junge Frau bereitete den Tee vor. Sie erklärte nacheinander, was sie alles dazu geben würde und was für eine Wirkung es habe.
Sie gab uns auch eine Schale mit ein paar kleinen Nüssen sowie getrockneten Früchten herum. Der Tee schmeckte sehr lecker. Ich glaube ich habe selten etwas vergleichbares getrunken.

Während ich mich zunehmend entspannte, hörte ich ein sanftes Schnurren. Es war, als sei die Katze der jungen Frau ganz in der Nähe, auch wenn ich sie nicht sehen konnte.

Gegen Ende des Rituals sah ich die Katze sogar vor mir. Es war wie eine Art Vision, nur, dass ich nicht vollständig darin versank. Vielleicht war es auch eher wie ein Tagtraum.
Auf jeden Fall befand ich mich vor einer Tür und hörte ein Kratzen. Es klang wie eine Katze, die darum bittet, dass ich ihr die Tür öffne. Wieder wanderten meine Gedanken zu Rashkar. Ich bewegte mich zur Tür und öffnete sie. Es fühlte sich gut an, doch mehr sah ich nicht. Ob ich je erfahren würde, was das für eine Katze war?

Nach der Zeremonie fragte ich die Frau nach ihrem Namen. Sie hieß Shiro. Ich fragte sie nach dem Aussehen ihres Schutztieres und sie erklärte mir, dass die Katze etwas größer sei als eine normale Hauskatze und zudem gefleckt war. Ich stellte sie mir sehr hübsch vor und bedankte mich bei Shiro.

Tränke brauen

Während die eine Gruppe sich aufmachte, um einen Stein für das Rezept zu sammeln, ging eine andere Gruppe zu einem der Labore, um es zu öffnen.
Ich folgte der zweiten Gruppe zum Labor und stand dort eine Weile Wache. Es passierte glücklicherweise nichts.

Danach wollten wir den Trank zusammenbrauen. Ich ging zurück zu unserem Lager, um Ylva zu helfen. Tahn hatte bereits den ausgegrabenen Stein zerschlagen, sodass das Pulver genutzt werden konnte.
Shiro kam zu uns, um ebenfalls zu helfen.

Somit hatten wir nun alle Zutaten beisammen, aber ein Problem bestand noch: Die Zeit. Wir mussten zwischen jeder Zutat einen Abstand von sechzig Augenblicken einhalten, doch keiner hatte eine Sanduhr dabei.
Ich lief los und fragte ein paar Leute, doch niemand hatte eine passende Sanduhr. Also mussten wir wohl zählen.
Ich erklärte mich bereit, es zu versuchen. Es machte mich total nervös, aber ich versuchte, so gleichbleibend wie möglich zu zählen. Jedes Mal, wenn ich von 21 bis 81 gezählt hatte, sagte ich „Jetzt“, sodass Ylva die nächste Zutat in den Topf geben konnte. Um mich besser zu konzentrieren schloss ich die Augen.

Als ich endlich fertig war, ging es mir besser. Ich war nicht mehr so angespannt, auch wenn ich nicht wusste, ob ich es richtig gemacht hatte. Immerhin war nichts explodiert… War doch zumindest ein Anfang!

Ob es wirklich gut gelaufen war, würden wir herausfinden, sobald wir den Trank ausprobieren würden. In dem einen Labor hatte sich Svea wohl mit der Seuche infiziert, denn ihre Hand begann, langsam zu verrotten. Das mussten wir aufhalten.

Das Gebräu kühlte langsam ab und bald konnte Ylva es in kleine Fläschchen füllen. Eines davon brachten wir direkt zu Svea. Ich befürchtete schon das Schlimmste. Was, wenn ihr die Hand plötzlich abfallen würde? Oder noch schlimmer: Was, wenn sie tot umfiel? War das dann meine Schuld? Was würde Odin dazu sagen?

Sie nahm den Trank und ich beobachtete sie angespannt.
„Schmeckt scheußlich, dann wirkt es bestimmt“, merkte sie an und hustete.
War das ein gutes Zeichen?
Es passierte nichts. Brauchte es etwa seine Zeit?
Wir beschlossen, erst einmal zum Lager zurückzukehren und abzuwarten.

Seuchen-Pflanze

Es wurde ein Weg gesucht, diesen Feuermagier, der uns am ersten Tag verscheuchen wollte, zu fangen.
Wir überlegten, wie man das wohl am klügsten anstellen konnte.
Mir kam sofort meine Bärenfalle in den Sinn. Was, wenn wir sie auslegen würden und er reintappte? Zwar war sein Bein dann vermutlich zerfetzt, aber das war doch egal, oder?

Wir schlugen diese Idee ein paar anderen Leuten vor, doch sie äußerten ihre Bedenken: Es war so schon schwierig genug, dem Mann überhaupt zu begegnen. Wir brauchten also eine Art Köder.

Rhavin beschäftigte uns allerdings zunächst mit einer anderen Aufgabe: Einer Übersetzung.
In einem der Labore hatte er ein paar Schriftstücke gelesen, die mich an mein Runenbuch erinnerten: Sie waren verschlüsselt.

Zum Glück gab es im gleichen Labor auch einen Schlüssel dazu, den wir zum Übersetzen nutzen konnten. Während eine andere Gruppe in den Wald aufbrach, um dort ein Ritual zu veranstalten, konzentrierten wir uns und übersetzten den Text. Er handelte von der Blume, die die Seuche verbreitet. Außerdem ging es um die Einnahme eines besetzten Gebietes. So ganz verstand ich es nicht, aber es klang nicht gerade erfreulich.

Als wir nach einiger Zeit endlich fertig waren, kamen auch die Menschen aus dem Wald zurück.
Wir zeigten die Übersetzung einer Frau namens Fräulein vom Berg, die sich im Lager nebenan befand.
Sie bat uns, den Zettel auch Chumanie zu zeigen. Das war die Frau, von der wir das Rezept gegen die Seuche hatten. Sie las es interessiert und sprach etwas von einer weiteren Blume, die gefunden werden musste und schickte zwei Jungen los, um nach der Blume zu suchen. Tahn und ich gingen zurück ins Lager.

Womit konnte man einen Magier locken? Mit einem magischen Artefakt?
Leider wollte uns keiner der Magier eines seiner Artefakte geben.
Ich überlegte, ob ich meine Falle mit meinen Runen magisch verstärken konnte. Vielleicht würde es mit Isa und Hagalaz zu einer Art Eisfalle werden?

Spinnen-Krabbe

Unsere Überlegungen zum Einfangen des Magiers konnten wir uns sparen, als er direkt auf uns zu kam… Und zwar nicht allein: Vor ihm lief ein großes, widerwärtiges Vieh. Ich würde behaupten, es war am ehesten zur Hälfte Spinne und zur Hälfte Krebs. Es stank und sah gefährlich aus… Und es kam direkt zu uns.
Ich wollte nicht mit den Spinnenbeinen in Berührung kommen – das kannte ich noch von meiner Reise zur Burg Grenzstein – also kamen meine kurzen Waffen nicht in Frage. Weder mit der Axt, noch mit dem Schwert würde ich etwas anrichten können. Aber der Bogen! Ich nahm ein paar Pfeile auf und spannte meinen Bogen.

Zweimal konnte ich das Vieh treffen, bevor zu viele andere Kämpfer in der Nähe waren. Ich wollte ungern aus Versehen einen meiner Mitstreiter abschießen.
Bald schafften wir es, das Vieh zu Fall zu bringen.

Als es tot war, überlegten die Leute, was sie mit ihm anstellen würden. Feuer?
Das hielt ich für eine schlechte Idee. Laut dem Feuermagier würde dann sowieso die Seuche freigesetzt. Das hatte ich schon befürchtet.
Offenbar war irgendetwas schief gelaufen, denn der Feuermagier griff uns nicht an und meinte auch, dass er das Vieh eigentlich hätte steuern können… Irgendetwas funktionierte da also nicht mehr richtig. War der Mann jetzt irgendwie auf unserer Seite? Was hatte ich verpasst? Wollten wir ihn nicht vorhin noch einfangen?

Wie auch immer… Ein Magier versteinerte das Spinnen-Vieh und Ylva konnte zusammen mit ein paar anderen Alchemisten näher heran, um es auseinander zu nehmen. Zur Sicherheit holte ich ein paar der Tränke – für den Fall, dass etwas passierte.

Es war ein ziemlich widerlicher Vorgang und die vier kamen ziemlich schleimbedeckt aus der Sache.
Die Frau, mit der ich mich über meinen Bären unterhalten hatte, stand auch bei uns und wir sahen uns das Spektakel aus sicherer Entfernung an.
Immerhin hatten sie es bald geschafft, die runden Blasen, die die Seuche enthalten, herauszunehmen. Keine Ahnung, was sie damit vorhatten, aber es war bald erledigt. Die Überreste des Viehs wurden anschließend verbrannt.

Peter

Irgendwann später entdeckten wir einen Mann, der an der Quelle herumschlich. Wir fragten ihn, was er dort suche und er druckste nur herum. Es stellte sich heraus, dass er ein Betrüger war, der nicht mit der Wahrheit herausrücken wollte.

In einem der Labore hatte Rhavin ein Wahrheitsserum gefunden, das jetzt gut zum Einsatz kommen konnte.

Gesagt, getan: Es wurde ihm mit einem Getränk verabreicht und sie stellten ihm Fragen. Es war ziemlich politisch und ich verstand nicht besonders viel, aber es stellte sich heraus, dass er mit einer der bösen Leute unter einer Decke steckte. Rhavin analysierte die Quelle und fand dort etwas, was ihm bekannt vorkam. Es kam von dieser Hellbine beziehungsweise einem ihrer Untertanen. Im Verlauf unserer Reise hatten sie viel von ihr erzählt und auch Breeg hatte mir in einem Brief von ihr erzählt… Sie war offenbar ziemlich böse.

Rhavin berichtete der Frau von Jarl Raudrulf davon und sie bat, es nicht ihrem Mann zu verraten. Sie befürchtete, dass er den Mann, den wir gefunden hatten, sonst sofort töten wurden. Das war offenbar der falsche Weg, denn sie wollten noch Informationen aus ihm heraus bekommen.

Der Mann wurde noch weiter befragt und dabei wurde ihm immer kälter. Das hatte ich so auch noch nicht erlebt.

Knoblauch und Bier

Später saßen wir gemeinsam am Feuer in unserem Lager und Ylva spielte auf ihrer Laute. Ihr Gesang war wunderschön und ich fühlte mich wohl, auch wenn ich froh war, diesen Ort bald wieder zu verlassen. Ich wollte meine Heimat mal wieder besuchen, denn ich vermisste Falkenhain.

Jarl Raudrulf kam später noch dazu und wir unterhielten uns. Jeder erzählte reihum ein paar Geschichten, danach zeigte er uns eine Tradition seiner Heimat: Knoblauch und Bier.
Jeder biss auf eine Knoblauchzehe, nahm Bier in den Mund und kaute solange darauf herum, bis es aufhörte zu schäumen. Dann wurde alles heruntergeschluckt.

Es war eine ziemlich widerliche Tradition und nachher hatten Tahn und ich Bauchschmerzen.

Der Abend wurde zur Nacht und bald verabschiedeten wir uns und legten uns im Wald schlafen.

In dieser Nacht träumte ich von einer gefleckten Katze. Ich war mir sicher, dass es sich um das Schutztier von Shiro handelte. Der Traum machte mich glücklich und ein wohliges Gefühl begleitete mich.

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1 Kommentar

Jarl Raudrulf Thorwaldson · 03.08.2021 um 23:24

Ein wirklich schönes Tagebuch hast du da Völva.
Aber sag … bin ich wirklich so ein schlechter Mensch 😉
Es war mir eine außerordentliche Freude dich und deinen Weggefährten kennen zu lernen und ich hoffe das unsere nächste Begegnung auf einen besseren Fuß beginnt ;D
Skøl
Und mögen die Raben des Bas… Alvaters ein wohlgesonnenes Auge auf dich richten.

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