Während der Überfahrt auf dem Schiff verschlechterte sich der Zustand von Jarl Aegir. Die Bisswunde hatte angefangen, sich blau-grün zu verfärben. Das deutete ich als kein gutes Zeichen. Es war also höchste Zeit, das Blut zu Batras zu bringen. Wenn Jemand ein Gegenmittel herstellen konnte, dann er.

Tahn bekam das Schaukeln des Schiffes nicht gut und ihm wurde öfter schlecht. Ich lenkte ihn ab, indem ich zusammen mit ihm eine Kette für die zukünftige Kaiserin bastelte. In die Schiefersteine ritzte ich die Runen. Tahn fädelte die Perlen auf, die wir besorgt hatten. Es half etwas, doch ihm war trotzdem ziemlich übel. Zum Glück erreichten wir irgendwann endlich die Küste beim Wolkenturm. Ein gutes Stück Fußweg lag noch vor uns, da wir den steilen Weg auf den Berg hinauf mussten.

Tilda, Sarolf, Fjol und Jarl Halvdan gingen schon voraus und nahmen zwei weitere Personen ihrer Mannschaft mit – eine Frau und einen Mann. Ich kannte ihre Namen nicht. Der Jarl bat mich, nach seinem Bruder zu schauen und ihn mitzunehmen sobald sein Zustand es zuließ. Das war in Ordnung, immerhin kannte ich den Weg. Ich wollte nur nicht zu spät zur Verlobungsfeier kommen.

Der Aufstieg

Es vergingen ein paar Stunden, doch der Zustand des Jarls verbesserte sich nicht. Mir war klar, dass er den Weg auf den Berg nicht schaffen würde. Also fragte ich ein paar Mitglieder seiner Mannschaft, ob sie auf ihn aufpassen würden.

Tahn und ich begaben uns nun also allein auf den Weg zum Wolkenturm. Ich war gespannt, wer die Verlobte des Kaisers war und ob sie sich über unser Geschenk freuen würde. Auf der anderen Seite machte ich mir auch Sorgen um Jarl Aegir. Was, wenn wir zurückkamen und er sich ähnlich verhielt wie das Wesen, das uns begegnet war? Hoffentlich konnte Batras ein Gegenmittel machen. Ich wusste zwar nicht sicher, ob er dort sein würde, aber ich ging davon aus, immerhin war er ein wichtiges Mitglied von Vahrym.

Ich sprach mit Tahn über das Geschenk, über Verlobungen und auch über seine Verlobung. Bei dem Thema kannte ich mich wirklich nicht aus. Es schien ganz so, als wäre Tahns Verlobung sehr schön gewesen, denn er sprach von einem guten Gefühl. Das freute mich. Wir mussten seine Frau finden.

„Hier muss es irgendwo sein“, murmelte ich, weil es mir zwar bekannt vorkam, aber irgendwie auch nicht. Der Wald hatte sich seit unserem letzten Besuch verändert. Es fehlten Bäume. Nein, eigentlich fehlten sie nicht wirklich, sie lagen nur am Boden, statt mit dem Boden verwurzelt zu sein. Der Anblick machte mich etwas traurig. Wer oder was hatte hier nur gewütet?
„Muss ich mal meine Brüder mitbringen, dann können sie Holz einsammeln und benutzen“, überlegte ich laut. Das letzte Stück führte durch dichtes Gestrüpp und Unterholz. Tahn meckerte zwar, aber der andere Weg wäre doppelt so lang gewesen. Das Argument verstand er.

Als ich endlich die üblichen Stimmen hörte und die Zelte sah, freute ich mich, weil wir uns nach all der Zeit nicht verlaufen hatten. Es war der richtige Weg gewesen. Ich wollte zuerst die Nordmänner suchen, um ihnen Bericht zu erstatten. Danach würde ich sofort Batras aufsuchen.

June, Eddie und Rhavin

Ich fand die Nordmänner recht schnell, da sie eines der größten Zelte hatten. Ich erzählte ihnen von Jarl Aegirs Zustand und von meiner Entscheidung, ihn lieber am Schiff zu lassen. Vor allem Jarl Halvdan war besorgt, immerhin war Jarl Aegir sein Bruder.

Etwas sprang mich an und ließ mich zur Seite taumeln. Beinahe hätte ich eine Zeltstange umgerissen. „Stasya“, hörte ich eine vertraute Stimme. Es war June! „June gut?“, fragte ich und streichelte über ihren Kopf während sie mich weiter anstupste. Die Nordmänner sahen sie verwirrt an und schienen nicht recht zu wissen, was sie tun sollten.
June schien es gut zu gehen und sie begrüßte auch Tahn.
Als ich mich umdrehte, sah ich auch Eddie und Rhavin. Es ging ihnen also gut. Das war schön.

Ein weiteres bekanntes Gesicht gesellte sich dazu: Lynx. Auch sie hatte ich lange nicht mehr gesehen und freute mich darüber, dass sie da war.

Das Monster-Schwert und Trollblut

Ich hörte Lord Cecils Stimme, schaute mich um und sah ihn bei einem weiteren Zelt stehen. Er kündigte die Turniere an und bat alle, die teilnehmen wollten, sich bei Batras zu melden. Da sich daraufhin eine riesige Schlange vor Batras Zelt bildete, beschlossen wir, erst einmal zu Lord Cecil zu gehen. Jarl Halvdan schloss sich uns an und nahem direkt das Schwert des Monsters mit, um es Lord Cecil zu zeigen.

Wir begrüßten ihn und die beiden Männer unterhielten sich über das Schwert. Lord Cecil vermutete, dass es sich bei dem Monster vielleicht um einen Troll handeln könnte und dass das Blut von einem Troll heilende Wirkung haben könnte. Gut, dass ich etwas von dem Blut mitgenommen hatte. Hoffentlich stimmte das, sodass Batras wirklich etwas für Jarl Aegir tun konnte. Trotzdem vermutete ich, dass nur das Blut allein nicht reichen würde.

Lord Cecil schlug Halvdan vor, die Magier der Akademie zu befragen und zeigte ihnen, wo sie saßen. Da der Jarl Lord Cecil jetzt kennengelernt hat, hatte ich mein Versprechen erfüllt und ließ den Jarl mit den Magiern sprechen.

Geschenk für die Verlobte des Kaisers

Da vor Batras Zelt noch immer sehr viele Menschen standen, begaben wir uns zunächst zum Zelt des Kaisers. Auch hier standen ein paar Menschen, die den Kaiser und seine Verlobte zur Verlobung beglückwünschen wollten. Also nahm ich das kleine Kästchen mit der Kette aus meiner Tasche und stellte mich mit Tahn hinter die anderen Menschen. Irgendwie fühlte ich mich zunehmend unwohl, weil ich keine Erfahrung mit dem höfischen Umgang hatte.

Ich stellte Tahn ein paar Fragen und er erklärte mir, wie das Verbeugen funktioniert. Es war seltsam, weil ich mich beinahe hilflos fühlte. Zuhause in Falkenhain war so etwas einfach nicht wichtig gewesen und in Bärenfels hatte Tante Silva das höfische Verhalten übernommen. Es war einfach eine andere Welt für mich.

Vor uns waren drei fremdländisch aussehende Menschen, die dem Kaiser Geschenke brachten. Sie kamen mir ein bisschen bekannt vor, aber ich konnte mich an kein Gespräch mit ihnen erinnern. Als sie beiseite traten, hörte ich schon meinen Namen. Die Leibwächter des Kaisers sprachen über mich. Das machte mich nun doch etwas nervös. Trotzdem trat ich zusammen mit Tahn vor. Wir verbeugten uns und Tahn hielt seinen Blick weiterhin gesenkt. Machte man das so? Verhielt ich mich falsch? Egal, jetzt war es ohnehin zu spät.

Ich bedankte mich für die Einladung zur Feier und überreichte der Kaiserin die Holzschachtel mit der Kette. Sie fragte mich nach der Bedeutung und ich erklärte ihr, dass Gebo für eine Gabe und ein Geschenk steht, dass Othila für Familie und Heimat steht und dass Wunjo für Freude steht. Alles Wünsche, die ich ihnen mit auf den Weg geben wollte. Dann traten auch wir wieder beiseite. Es wurde applaudiert.

Batras und die Kekse mit Wahrheit

Um die Anmeldung zu den Turnieren nicht zu verpassen, stellten wir uns jetzt bei Batras an. Es waren zum Glück weit weniger Menschen und ich erkannte die drei fremdländisch aussehenden Personen wieder, die auch schon vorhin beim Kaiser vor uns standen.

Als wir an der Reihe waren, freute Batras sich, uns zu sehen. Er wirkte ziemlich gestresst, was ich aufgrund der ganzen Anmeldungen verstehen konnte. „Habe ich leider trotzdem Arbeit für dich“, musste ich ihm offenbaren, aber es war in Ordnung für ihn. Ich erzählte ihm von unserer Begegnung mit dem Wahrscheinlich-Troll, von Jarl Aegirs Zustand nach dem Biss und überreichte ihm das Blut. Es knisterte und pulsierte etwas.

Er sah es sich kurz an und versprach, sich darum zu kümmern, sobald er Zeit hatte. Natürlich hatte er viel um die Ohren und das war in Ordnung. Für Jarl Aegir konnten wir im Moment ohnehin nichts tun, außer hoffen und beten.

Anschließend meldeten wir uns auch für die Turniere an. Tahn wollte am Kampfturnier teilnehmen. Keine Ahnung, warum ich mich dafür auch anmeldete, immerhin konnte ich in klassischen Kämpfen kaum gewinnen. Das war einfach nicht meine Art von Kampf. Trotzdem wollte ich einfach ein bisschen Spaß haben. Ich meldete mich also sowohl für das Kampfturnier, als auch für das Bogenschieß-Turnier an. Es kostete jeweils drei Kupfer, die wir ihm gaben.

Wir kauften noch Kekse mit Wahrheit, die Batras verkaufte. In den Keksen war ein Stück Papier eingebacken, in dem ein Spruch stand. Tahn erwischte einen Zettel, in dem es über Freundschaft ging. Er las es Stück für Stück vor und ich half ihm dabei. Ich nahm mir vor, wieder öfter mit Tahn Lesen und Schreiben zu üben.

Das verfluchte Schwert

Es dauerte nicht mehr lange, bis das Kampfturnier begann. Die Kämpfer sollten sich im Kampfplatz aufstellen. Die Nordmänner aus Swetland hatten sich entschieden, nicht mitzukämpfen, weil sie laut Regeln ohne Schild kämpfen mussten. Trotzdem standen sie am Rand vom Kampfplatz.

Dann sah ich etwas, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ: Ein Kämpfer hielt das in Fell eingewickelte Schwert des Monsters in der Hand. Er wollte doch nicht etwa damit kämpfen? Der Mann kam mir nicht bekannt vor, also trat ich zu Jarl Halvdan. „Ihr wollt doch nicht Schwert benutzen?!“, fragte ich. Sie wussten doch, wie gefährlich das sein konnte!
„Lass es mich erklären, komm“, sagte Jarl Halvdan, doch da wurden auch schon die ersten Kämpfer vorgelesen. Ich konnte jetzt nicht weg vom Kampfplatz. „Ist keine gute Idee“, sagte ich. Es machte mich wütend. Was fiel ihnen ein? Als hätten sie nicht schon genug Probleme mit dem verletzten Jarl Aegir?!

„Als erstes kämpft Anastasya“, wurde vorgelesen und ich erstarrte. Nicht wirklich, oder? Warum musste ich als erstes kämpfen? Das konnte ja was werden…
Doch schlimmer wurde es, als mein Gegner bekannt gegeben wurde. Er trat vor und… es war der Kämpfer mit dem Monsterschwert. Was sollte das denn werden? Würde er den Kampf beginnen und das Schwert nicht mehr loslassen? Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, aber mir blieb auch keine Zeit, darüber nachzudenken.
Der Kampf begann, der Mann warf das Fell des Schwertes beiseite und umfasste den Schwertgriff. In dem Moment blitzte in seinen Augen ein Ausdruck von unbändiger Wut auf. Er starrte mich böse an, wirkte beinahe wahnsinnig und irgendeine Erinnerung schoss durch meinen Kopf, die ich nicht zuordnen konnte. Wo hatte ich das schon mal gesehen?

Keine Zeit, ich musste kämpfen.
Der Mann führte sein Schwert mit schnellen, kräftigen Bewegungen und traf mich am Bein. Es schmerzte. Ich traf ihn auch. Es schien ihm nichts auszumachen. Er schaffte es, mich zu Boden zu schlagen. Nochmal und nochmal traf er, ich spürte den Schmerz und das Blut. Die drei Treffer zum Sieg hatte er schon lang erzielt, doch er hörte nicht auf. Ich versuchte, mich von ihm weg zu rollen. Das letzte, was ich sah, war ein Schwert, dessen Spitze mit unfassbarer Geschwindigkeit auf mich zuraste.

Schmerz und Blut

Die nächste Erinnerung ist Geschrei. Meine Augen sind geschlossen? Schreie ich? Die anderen? Viel Geschrei durcheinander. Was war los? War ich tot? Verblutet? Hatte er mich aufgespießt?
Vorsichtig öffnete ich die Augen. Da war Tahn und eine unbekannte Frau. Was war los? Sie kamen zu mir, trugen mich zu den Heilern. Alles schmerzte. Nein, ich war noch nicht tot. Offenbar hatte er mich nicht erwischt. Was war nur geschehen? Auf dem Weg zum Heilerzelt sah ich Halvdan. Ich starrte ihn wütend an. Das war seine Schuld! „Das nehme ich Dir übel, Jarl Halvdan“, spie ich ihm entgegen. Er sah mich an, versuchte, mich zu beschwichtigen. Das konnte er vergessen!

Zwei Frauen kümmerten sich um mich, wuschen die Wunden aus und nähten sie zu. Das war wie immer sehr schmerzhaft und brannte. „Was ist passiert?“, erkundigte ich mich bei Tahn. Irgendwas mit diesem Schwert. Der Mann hat nicht aufgehört, mich anzugreifen. Er wollte mich wirklich töten. Als ich mich genauer umsah, bemerkte ich, dass mein Gegner neben mir lag und ebenfalls verletzt war. Das Schwert hielt er nicht mehr. Sie hatten ihn also bewusstlos geschlagen.

„Magische Heilung in Ordnung?“, fragte eine der Frauen. Sie kam mir bekannt vor. Ich nickte und sie begann zu singen. Es klang hübsch und beruhigte mich zunehmend. Ein wirklich gutes Gefühl breitete sich in mir aus, obwohl mir noch immer schwindelig war.

Es dauerte einige Zeit, bis ich mich etwas besser fühlte. Das Schwindelgefühl verschwand langsam und meine Sicht wurde klarer. Ich musste mich bei diesen Nordmännern rächen für das, was sie mir angetan hatten. Wie kamen sie nur auf eine solch bescheuerte Idee?

Frieden?

Jarl Halvdan kam zu mir und bot mir Kupfermünzen an. Ich ließ mich nicht bestechen. Wir kamen zu keinem Ergebnis. Ich bat Tahn, ihn zu hauen. Er verpasste ihm einen Schlag mit dem Belegnagel vom Schiff. Es beeindruckte den Jarl nicht besonders und brachte mir leider auch keine Genugtuung.

Auch seinen Met nahm ich nicht an. Was waren das eigentlich für bescheuerte Friedensangebote?! Ich hätte sterben können! Selbst, wenn nicht ich gegen den Mann gekämpft hätte, wäre Jemand anderes zu Schaden gekommen und hätte sterben können. Bei einem feierlichen Turnier ein solches Risiko einzugehen, hielt ich für eine wirklich, wirklich schlechte Idee. Keine Ahnung, was sie sich dabei gedacht haben.

Ich war wirklich sauer und ließ mich auch nicht umstimmen.

Tahns Kampf

Tahn war an der Reihe und mit Hilfe von Lynx, die mich stützte, konnte ich zuschauen. Wieder einmal beeindruckte mich, wie gut er eigentlich im Kämpfen war. Allerdings erwischte er den Gegner selten, sondern konzentrierte sich eher auf das Schwert seines Kontrahenten. War das eines seiner seltsamen Turnier-Regeln?

Der Kampf war spannend, das konnte ich auch bei den übrigen Zuschauern spüren. Ich feuerte ihn an und manche der anderen Personen taten es mir gleich. Trotz allem verlor Tahn den Kampf und kam verletzt zu den Heilern. Ich wies die Heiler an, seine Hände festzuhalten, damit er die behandelnden Heilkundigen nicht schlug. Mir war klar, dass er das nie böse meinte, doch manche Leute fassten das als eine böse Tat auf.

Während Tahn verletzt dort lag und behandelt wurde, sprach ich mit ihm. Er durfte nicht einschlafen, also sollte er mir etwas erzählen. Wir kamen ins Gespräch über seinen Ritter und mehr und mehr wurde mir klar, dass es sich um eine Ritterin handeln musste. Seine Frau? Ich fragte, vermutete, dass es so war, doch bekam keine klare Antwort. Er murmelte etwas davon, dass eine Stadt brennt. Es war nicht seine Stadt, das konnte er mir sagen, aber ihm war offenbar der Name der brennenden Stadt entfallen.
Weitere Informationen bekam ich nicht, da die Heiler ihm etwas unter die Nase hielten, was ihn „flauschig“ werden ließ. Er entspannte sich. Immerhin spürte er jetzt keine Schmerzen mehr.

Ein neuer Versuch

Mein Gegner wurde vom Turnier ausgeschlossen und mir wurde die Möglichkeit gegeben, noch einmal zu kämpfen. Meinen Verletzungen ging es schon wieder besser und da ich Lust auf einen guten Kampf hatte und gleichzeitig noch richtig wütend war, beschloss ich, den Kampf anzutreten.

Diesmal war mein Gegner ein Mann in schwarzer Rüstung, doch auch ihn kannte ich nicht. Als er meine Axt und mein kurzes Schwert sah, nahm er zusätzlich zu seinem Schwert noch einen Dolch dazu.
Wir gaben uns die Hand.

Der Kampf ging schnell vorbei, ich traf ihn ein paar Mal, bekam aber selbst auch einige Treffer ab. Thorstain beendete den Kampf und ich hörte, wie die Zuschauer meinen Namen riefen. Das verwirrte mich. „Hab ich gewonnen?“, fragte ich, glaubte aber selbst nicht daran. „Nein“, bestätigte Thorstain meine Vermutung. Ich lachte, obwohl ich Schmerzen hatte. Das war ein lustiger Kampf.

Ich schleppte mich zu den Heilern. Die Frau war entsprechend schockiert und sauer zugleich. Verständlich. Ich gab zu, dass die Entscheidung nicht besonders klug war und lachte und schrie abwechselnd. Die Schmerzen waren zwar stets präsent, aber der Kampf hatte mir dennoch gefallen.

Aufruhr

Die Nordmänner aus Swetland kamen zwischendurch immer mal wieder zu mir. Sie versuchten, mich zu beschwichtigen. Es hatte keinen Zweck. Ich war sauer und ihre Tat war nicht so einfach wieder gut zu machen.

Während ich mich noch ausruhte, wurde es plötzlich hektisch. Viele Krieger rannten los, obwohl das Kampfturnier noch gar nicht beendet war. Es war Geschrei zu hören, manche behaupteten, dass wir angegriffen wurden. Ich sah mich um, aber es fiel mir schwer, weil meine Seite noch immer schmerzte. Am besten riskierte ich nicht, dass sie erneut aufriss – das würde der Heilerin überhaupt nicht gefallen.

Als es sich langsam wieder beruhigte und die Menschen zurückkamen, fragte ich Eddie und Thorstain, was denn überhaupt los war. Ein unbekannter Mann hatte versucht, etwas bei Batras zu stehlen. Er war unverrichteter Dinge geflohen, doch die Kämpfer waren ihm gefolgt und konnten ihn stellen. Doch bevor sie ihn hatten ordentlich befragen können, meinte der nur, dass er die Klinge des Kaisers sei und brachte sich dann selbst um. Das war alles, was die anderen wussten.

Es wurde viel spekuliert und behauptet, doch am Ende wusste doch keiner so richtig, was eigentlich los war. Ich erfuhr, dass auch schon vor einiger Zeit am Wolkenturm ein Attentat auf den Kaiser geplant worden war und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass dieser Mann zu der gleichen Gruppe gehörte.

Siegerehrung

Als die meisten Leute den ersten Schreck überwunden hatten, wurde das Kampfturnier fortgeführt und zu einem Ende gebracht. Der erste und zweite Platz stand fest.

Dadurch, dass die Zeit zu knapp war, konnte der Kampf um den dritten Platz nicht ausgefochten werden. Da mein erster Gegner aus dem Turnier genommen worden war, rutschte ich irgendwie in die engere Auswahl um den dritten Platz. Aufgrund des Zeitmangels wurde eine Münze geworfen. Mein „Gegner“ war in diesem Fall Yan Yolor, ein Mann in blau, den ich auch schon des Öfteren gesehen hatte.

Ich durfte mich für Kopf oder Zahl entscheiden und entschied mich für Kopf. Der Kopf war immer wichtiger als eine Zahl.

Odin schien mich zu begleiten, denn ich gewann und landete somit auf dem dritten Platz des Kampfturniers. Aus meinen Augen vollkommen unberechtigt, aber immerhin hatte ich beim zweiten Kampf Spaß gehabt.

Der Kaiser beglückwünschte uns einzeln und überreichte mir Kupfermünzen als Belohnung. Ich nahm es dankend an, fühlte mich aber ein bisschen schlecht dabei. Eine richtige Leistung hatte ich ja nicht erbracht.

Der Ritterschlag

Es folgte eine weitere feierliche Zeremonie: Thorstain wurde zum Ritter geschlagen.
Ich stellte mich mit Tahn zu den Zuschauern und freute mich für ihn. Er hatte in der Vergangenheit wirklich große Dienste für Vahrym geleistet und hatte hier nun endlich eine Heimat für sich gefunden.
Während der Zeremonie fragte ich Tahn, ob er ähnliches erlebt hatte. Er konnte sich tatsächlich ein bisschen daran erinnern. Ein großer Fortschritt! Ich freute mich auch darüber. Es wurde immer besser!

Bogenschieß-Turnier

Ich beschloss, mir den Wald genauer anzuschauen. Ein Stück des Waldes war abgeholzt worden und ich wollte über den Bergrücken laufen, bis ich wieder Wald sehen würde. Tahn wollte mich begleiten.

Als wir uns gerade vom Festplatz entfernten, hörten wir, dass das Bogenschießturnier bald beginnen würde, also drehten wir um und liefen wieder zurück. Die Zeit stellte sich offenbar gegen mich.

Die Regeln wurden kurz erklärt und dann ging es los. Ich sah in den Himmel. Irgendwie machte es mich nervös. Was, wenn ich schlecht abschneiden würde? Eigentlich war ich doch eine gute Bogenschützin. Auf der anderen Seite schoss ich eher auf Ziele, die sich bewegten. Ich gesellte mich zu Batras und wir sprachen über die anstehenden Aufgaben. Ein Parkour aus Zielen sollte bewältigt werden. Das war etwas völlig neues für mich, da die klassischen Bogenschießturniere daraus bestanden, nur auf ein festes Ziel zu schießen. Es war zwar spannend, machte mich aber auch nervös.

Die Zeit verging und es dauerte ziemlich lange, bis der nächste Teilnehmer an der Reihe war. Ein Blick in den Himmel verriet mir, dass wir nur noch wenige Augenblicke mit Sonne hatten. Danach würde es langsam Nacht werden. Keine besonders guten Voraussetzungen zum Bogenschießen also.

Noch immer warteten wir. Um uns die Zeit zu vertreiben, nahmen Tahn und ich unsere Belegnägel in die Hand und fingen an, uns auf der Wiese zu prügeln. Wieder einmal war ich dankbar über diese Beschäftigung. Es machte Spaß und beruhigte mich im Nachhinein irgendwie.
Ich gewann gegen Tahn, nachdem wir uns ein paar Mal über die Wiese gerollt hatten.

Als Batras an der Reihe war, war es schon beinahe Nacht. Er bewältigte den Parkour irgendwie, dann war ich an der Reihe. Als wollte Odin mich daran hindern, zog genau in diesem Moment ein Sturm auf und Regen setzte ein. Es war zu stürmisch zum Schießen. Der Regen ließ nicht nach.
Es wurde beschlossen, das Turnier an dieser Stelle abzubrechen.

Fragen über Fragen

Die Menschen flohen vor dem Regen in die Zelte, Batras gab den Bogenschützen, die nicht teilgenommen hatten, ihr Geld zurück. Batras offenbarte mir, dass er noch keine Zeit gefunden hatte, sich das Blut anzuschauen. Ich war ihm nicht böse. Er hatte an diesem Tag wirklich zu viel zu tun gehabt. Außerdem half ich Jarl Aegir nur, weil er mir leid tat und nichts mit dem Schwert-Vorfall zu tun hatte. Den anderen würde ich keinen Gefallen tun.

Trotzdem beschäftigte mich die Frage, was mit dem Schwert los war. Beim letzten Mal konnte Halvdan es doch lediglich nicht mehr ablegen. Diese unbändige Wut des Mannes… Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. War auf dem Schiff irgendwas mit dem Schwert geschehen? Hatten die Männer irgendwas verändert?

Das Turnier der Künste wurde zunächst abgesagt und dann doch wieder veranstaltet, was dazu führte, dass sich die Teilnehmer bei Batras stapelten, um sich ab- und wieder anzumelden.
Wir schauten kurz bei dem Turnier vorbei, verstanden aber nicht wirklich, um was für Künste es sich handelte. Ein paar der Darbietungen sahen lustig aus und klangen genauso witzig, andere wirkten ernster.

Gebete und Gespräche

Als es nicht mehr ganz so stark regnete, ging ich doch noch mit Tahn in den Wald. Ich wollte zu Odin beten und ihn um Rat fragen. Was sagte er zu den Nordmännern aus Swetland? Immerhin behaupteten sie, auch an Odin zu glauben.

Ich sprach mit Tahn über das Beten und erklärte ihm, dass ich jetzt einen Moment unter einem Baum sitzen wollte. Es war sehr dunkel, doch ich hatte eine Kerze dabei, die zumindest ein wenig Licht spendete.
Tahn lief ein paar Schritte weiter. Vermutlich würde auch er zu seinem Gott beten.

Ich legte die Runen und verstand das Ergebnis nicht ganz. Die Vergangenheit wurde von der Rune der Männlichkeit abgebildet, die Gegenwart verhieß Not, für die Zukunft zog ich die Rune der Heimat und Familie. Das Problem war Hagalaz, also die Rune für Naturgewalten, den Weg symbolisierte die Rune für Fortbewegung. Die Lösung des Problems wurde von einem umgedrehten Algiz abgebildet.
„Kein Schutz? Heimat?“, fragte ich verwirrt. Das verstand ich noch nicht so richtig. Doch ich nahm Odins Weisheit dankend hin und widmete ihm noch eins meiner selbst erdachten Lieder.

Dann erhob ich mich und suchte Tahn. Er saß einige Schritte weiter unter einem Baum. „Tahn?“, fragte ich. „Ja?“
Irgendwie klang er, als würde es ihm nicht gut gehen.
Im Gespräch stellte sich heraus, dass er traurig war. Er sagte, dass es sich nicht gut anfühlte, wenn er zu seinem Gott sprach. Wir redeten über die Heimat, über Falkenhain und über seine Heimat und auch über seine Frau. Er konnte mir die Dinge nicht bestätigen, die er während seiner Verletzung gemurmelt hatte.

Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass die Runen ihm gegolten hatten. Kein Schutz für seine Heimat? War das die Weisheit von Odin? Was war nur mit ihm geschehen? Wie sollte er sich erinnern?

Ich schlug ihm vor, dass er auch in Falkenhain eine neue Heimat finden könnte, falls er nicht zu seiner eigentlichen Heimat zurückkehren könnte. Es war wie eine dunkle Ahnung, die mich beschlich. Irgendwas war doch dort passiert…? Nur was? Und wie konnte ich es herausfinden?

Auf dem Rückweg zum Festplatz ermutigte ich Tahn, öfter an seinen Ritterschlag zu denken und zu versuchen, sich immer besser zu erinnern. Er sollte mir dann immer davon erzählen. Vielleicht bekam ich so ein besseres Bild und vielleicht war das der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich musste Tahn unter allen Umständen helfen, sich zu erinnern!

Andere Länder, andere Sitten

Zurück beim Festplatz suchte ich das Gespräch mit den Nordmännern. Ich musste einfach wissen, was sie mit dem Schwert angestellt hatten.

Dort angekommen traf ich nicht Halvdan an, sondern Sarolf und Tilda. Ich beschloss, sie trotzdem darauf anzusprechen.

Leider behaupteten sie, nichts zu wissen und das Schwert nicht angerührt zu haben. Es sei die ganze Schiffahrt über in das Fell eingewickelt gewesen. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihnen das glauben sollte. Vertrauen konnte ich ihnen in jedem Fall nicht mehr. Wir stellten ein paar Vermutungen an, was passiert sein könnte, doch das wirkte auf mich alles nicht zielführend.

Wenig später trafen wir Halvdan doch noch an. Ich diskutierte mit ihm und die Diskussion führte ins Nichts. Es gab kein Ergebnis, zu dem wir kommen konnten. Wir waren zu verschieden.
„Ich weiß jetzt, woran ich bin, das ist alles, was wichtig ist für mich“, erklärte ich ihm und wollte damit das Gespräch beenden. Es hatte keinen Sinn, weiter darüber zu sprechen. Wir beließen es dabei.

Es war schon sehr spät, also beendeten wir bald den Tag am Wolkenturm. Die Feierlichkeiten zur Verlobung waren aufregender verlaufen als erhofft, dennoch war es ein ganz guter Tag gewesen.

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