Vom Markt aus führt uns unser Weg zurück auf die Straße, die Bärenfels in vier Teile spaltet. Meine Brüder wohnen im Viertel der „Normalen“, sind also nicht allzu weit vom Markt entfernt.

Als wir näher kommen, höre ich am Plätschern des Flusses, dass der Baumstamm schon vor uns angekommen sein muss. Wir laufen am Haus meiner Brüder vorbei und – richtig – sie stehen am Ufer und ziehen den Stamm heraus. Ich schaue ihnen zu und hoffe, dass sie mich irgendwie ablenken können.

„Oh, sind das deine Brüder?“, fragt Tahn mich.
„Da, ist Artjom und Alvaris.“, erwidere ich. Die beiden scheinen ihre Namen gehört zu haben, denn sie blicken beide auf.
„Oh, Anastasya.“, sagt Artjom und grinst. „Bist du gekommen mit Stück Holz?“ Dann bemerkt er Tahn. „Ah, wer ist das?“, fügt er hinzu und hebt seine Augenbraue. Ich grinse und schüttle den Kopf.
„Ist Tahn.“, antworte ich. „Warte, helfe ich euch.“
Ich gehe an die Seite von Alvaris und greife nach dem Baumstamm. Er ist wirklich schwer, aber wahrscheinlich nicht der schwerste, den sie jemals hatten.
„Oh, ich glaub‘ ich kenn das Holz.“, sagt Tahn und stellt sich an Artjoms Seite um ihm zu helfen.
„Ah, wirklich? Danke für Hilfe, Kleiner.“
Gemeinsam ziehen wir den Baumstamm aus dem Fluss und rollen ihn direkt zum Haus meiner Brüder.

Tahn trocknet sich die Hände an seiner Kleidung.
„Ah, kommt ihr erstmal rein und erzählt, wo ihr habt kennengelernt euch.“, sagt Artjom und bittet uns rein. Dabei schaut er mich schon wieder mit hochgezogener Braue an. Ich verdrehe die Augen und folge ihm ins Haus.

Im Kamin brennt ein Feuer und wir setzen uns auf fellbesetzte Holzstühle.
„Dann erzählt mal.“
Ich schaue Artjom an, werfe dann einen kurzen Blick zu Alvaris, der wie immer recht ruhig ist.
„Das ist Tahn und… Kennengelernt haben wir uns auf Taverne, aber ist schon länger her.“, antworte ich und weiß nicht, was Artjom von mir hören will.
„Tahn also.“, wiederholt er und schaut zu ihm herüber.
„Ich bin Tahn.“, sagt Tahn.
Mein Bruder nickt.
„Hast du einen Apfel?“
Artjom schaut ihn verwirrt an.
„Apfel? Njet, ich glaube nicht…Wieso?“
Dabei wirft er mir einen fragenden Blick zu.
„Äpfel sind gut, Äpfel sind wichtig.“, sagt Tahn. Ich seufze und nicke langsam.
„Tahn. Bekommst du Apfel später.“
Irgendwie bezweifle ich, dass mich dieser Besuch von Rashkaar und Tahn ablenkt.
Vielleicht muss ich wirklich eine Lösung finden…

„Kommst du nicht von hier, Tahn, oder?“, fragt nun Alvaris. Ist ja typisch.
„Njet, kommt er nicht.“, sage ich schnell, um das Gespräch nicht weiter zu führen.
„Und seid ihr Zuhause in Falkenhain im Moment?“, fragt Artjom. Ihm scheint aufgefallen zu sein, dass mir das Thema nicht gefallen hat.
„Da. Helfen wir Mama und Papa Zuhause. Aber gehen wir sicher bald auch wieder weiter… Sollen wir auch noch nach Metka Brennerei gehen und holen Metka.“
„Mama?“
„Da, natürlich.“

Artjom grinst. „Ah, Metka trinken mit Tahn?“, fragt er und wirft einen Blick zu Alvaris. „Willst du schon anfangen mit Holz? Begleite ich Tahn und Anastasya zu Metka-Brennerei. Will ich doch nicht, dass etwas passiert ihnen, eh?“
Er lacht und Alvaris schaut ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
„Mh.“, macht er nur.
„Älterer Bruder.“, sagt Artjom, zuckt mit den Schultern und steht auf. „Also. Los?“
Das Gespräch zwischen den beiden bringt mich zum Lachen. Artjom ist ein guter großer Bruder.

Wir stehen auf und verlassen das Haus meiner Brüder. Alvaris wirkt nicht besonders begeistert, aber er weiß, dass er ohne Artjom aufgeschmissen wäre… Also sagt er nichts dazu, sondern grummelt nur vor sich hin und geht an die Arbeit.

Auf dem Weg zu den Wachen bleibt Artjom kurz stehen. „Lasst ihr mich reden, da? Wisst ihr doch, dass wir nicht bezahlen wollen für Weg, hm?“
Ich grinse und nicke. „Da, kannst du am Besten reden mit Wachen.“
Der Wachmann will sich uns in den Weg stellen, doch er scheint Artjom zu erkennen.
„Ahh, hallo. Weißt du, habe ich interessante Geschichte gehört von Carmen, eh? Was wohl passiert, wenn das weiß Frau von dir, hm? Frauen aus dem Süden…“
Artjom lacht und der Wachmann wird rot. Es scheint ihm sehr unangenehm zu sein.
„Ich… Ich… Njet, geht ihr… Weiter. Da?“
Immer noch lachend führt Artjom uns aus Bärenfels heraus.
„Keine Sorge, bleibt bestimmt unser kleines Geheimnis!“, ruft er hinter sich.
Mit Artjom kann man sehr gut Geld sparen.

Der Weg führt uns an einigen verschneiten Feldern vorbei, doch das Gebäude der Metka Brennerei ist schon in Sicht.
Meine Gedanken schweifen wieder ab zu Rashkaar. Ich weiß, dass ich mich um seinen Text kümmern muss.
In einer ruhigen Minute werde ich mich darum kümmern. Am besten dann, wenn meine Brüder nicht dabei sind.

Der süße Duft von Honig erreicht uns als wir die schwere Tür der Brennerei öffnen. Es lenkt mich ein bisschen ab.
Wir betreten das hölzerne Bauwerk und der alte Mann bei den Fässern hebt den Blick.
„Oh, Artjom Solowjow und Anastasya Solowjowa?“, begrüßt er uns.
Als er Tahn sieht, verändert sich der Ausdruck in seinem Gesicht zu Verwirrung. Natürlich, denn er kennt ihn ja gar nicht.
Ich schaue zu Tahn an, sein Ausdruck gleicht dem Ausdruck des alten Mannes. Beide verwirrt.
„Ahh, hallo, würden wir gern kaufen Metka.“, sagt mein Bruder und grinst den Mann an. „Weißt du, brauchen wir Metka, braucht Mutter Metka… Drei Flaschen auf jeden Fall also, da?“
Der Mann nickt und mir fällt auf, dass ich seinen Namen gar nicht kenne. Er macht sich an die Arbeit, um uns drei Flaschen abzufüllen.

Ich nutze die Wartezeit, um mich weiter im Gebäude umzuschauen. Meine Eltern haben dem alten Mann damals beim Bau geholfen und nach wie vor wirkt es auf mich wie ein richtiges Kunstwerk aus Holz. Auch, wenn ich nicht viel von Kunst verstehe.
„Es riecht gut.“, sagt Tahn. Damit hat er auch Recht. Die Mischung aus Honig und Alkohol, zusammen mit einem leichten Geruch nach Holz ist schon interessant.

Der Mann bringt uns die drei Flaschen und mein Bruder kramt einen Kupfer-Beutel aus seiner Tasche.
Tahn scheint nun begriffen zu haben, wo wir sind, denn er sagt: „Ah, damit putzt du Wunden.“ und zeigt in Richtung der Flaschen. Ich nicke. „Da, ist Metka. Ist lecker. Kennst du doch.“
„Ja, aber Apfel ist besser.“, sagt Tahn. Wie hätte ich etwas anderes erwarten können?
Der alte Mann hingegen schaut Tahn an. „Oh, möchtest du lieber Apfel-Schnaps haben?“, fragt er.
Artjom lacht.
„Apfel-Schnaps? Ist das gut?“, fragt Tahn.
Ich seufze. Der Mann schaut ihn etwas verwundert an. „Hast du nicht das gesagt vorhin, eh? Apfel besser als Honig?“
„Ja.“, sagt Tahn.
Der Mann legt den Kopf schief. Natürlich versteht er nicht.
„Ah, Tahn, njet, Metka besser als Apfel-Schnaps.“, sage ich, um den armen Mann nicht noch mehr zu verwirren.
„Hm.“, kommt es nur von Tahn. Keine weiteren Fragen.

Mein Bruder nimmt einige Münzen aus seinem Beutel und bezahlt die drei Metka-Flaschen. „Ah, danke!“, bedanke ich mich bei ihm, bevor wir uns verabschieden und die Metka-Brennerei verlassen.
Einzelne Sonnenstrahlen reflektieren sich im Schnee auf den Feldern als wir an ihnen vorbei zurück nach Bärenfels gehen.

Zurück am Haus meiner Brüder wartet Alvaris schon auf Artjom und wirkt genervt.
„Denke ich müssen wir langsam zurück zu Eltern in Falkenhain.“, sage ich und deute in Richtung Himmel. Allzu lange wird es nicht mehr hell bleiben.
Artjom wirkt etwas enttäuscht. „Ah, schade, aber kannst du immer wieder vorbei kommen, wenn du möchtest.“, sagt er und drückt mir zwei Flaschen Metka in die Hand.
„Danke! Werde ich bestimmt bald nochmal vorbei kommen!“, erwidere ich.
Dann schaut Artjom zu Tahn.
„Da, und du auch, dann bekommst du nächstes Mal auch Apfel von uns.“, sagt er und lacht.
„Oh, das ist schön.“, antwortet Tahn.
„Mach’s gut, Alvaris!“, rufe ich nun auch dem Jüngeren der beiden Brüder zu. Er grummelt etwas als Antwort, wirkt aber sehr beschäftigt mit seiner Arbeit.
Ich nicke Artjom zu, dann drehen wir uns um und machen uns auf den Weg zurück nach Falkenhain.

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