[Teil 1 findet ihr hier]

Einzelne Sonnenstrahlen weckten mich. Ich erhob mich und lief zum Fenster. Zur zehnten Stunde wollten wir uns zum þing treffen.

Dem Stand der Sonne nach zu urteilen war es schon recht spät, doch im Steinkreis waren noch nicht viele Menschen zugegen.
Also zog ich mir schnell die Lederrüstung an, nahm die Waffen und den Köcher an mich und lief los; das þing wollte ich schließlich nicht verpassen.

Bjorn und ich liefen direkt zum Steinkreis, an dem wir uns zum þing treffen wollten. Nach einigen Augenblicken kam Hagen, der Schamane zu uns und teilte uns mit, dass die þing-Leiter noch schliefen. Ich konnte nicht nachvollziehen, wie man bei einer solch hohen Gefahr so lange schlafen konnte. Wir mussten etwas tun.

Hagen schlug vor, das þing in den Innenhoft zu verschieben und so folgten wir ihm zurück. Ich hätte mich also nicht so beeilen müssen.

Im Innenhof angekommen versammelten sich einige Leute und Hagen begann zu erzählen. Es stellte sich heraus, dass man nicht lange in dem Pestturm verweilen konnte. Dort sollten sich Leichenteile befinden und ein weiterer abgeschlossener Raum. Außerdem entzog dieser Turm den Magiern ihre magische Kraft. Keine Möglichkeit also, die Zeit im Turm magisch zu verlängern. Es schien so, als hätten sie es schon versucht. Ich wollte zwar wissen, was in dem Turm war, doch dafür zu sterben schien mir nicht richtig. Helheim war kein schöner Ort.

Danach erzählte Hagen von dem Brief der heilenden Hände, doch er vergaß und verwechselte ein paar Dinge. Also mischte ich mich ein und erzählte von dem Inhalt des Briefes. Es wirkte so, als wäre ich die einzige gewesen, die den Brief gelesen hat. Immerhin hatte ich ihn vorgelesen. Vielleicht sollten wir uns den Brief noch einmal durchlesen.

Auf jeden Fall war klar, dass wir Anlage 4 finden mussten.

Dazu kam, dass es Kartenteile gab. Einer von Dreien wurde allem Anschein nach gefunden. Also mussten wir auch diese suchen.

Halfdan stand neben mir und schrieb sich einzelne Dinge auf. Ich wusste, dass er nur die Runenschrift beherrschte und als ich rüber sah, erkannte ich, dass er tatsächlich in Runen schrieb. Seit ich weiter in den Süden gereist war, gab es immer weniger Personen, die diese Schrift lesen oder gar schreiben konnten. Es eignete sich deshalb ganz gut als Geheimschrift im Süden. Zumindest unter Nordleuten.

Hagen sprach außerdem das Heilmittel der heilenden Hände an. Niemand konnte sagen, ob es half oder ob es zu diesen Angriffen führte. Doch die meisten sahen es sehr misstrauisch.

Nachdem ein paar weitere Meinungen geäußert wurden, beendete Hagen das Þing. Bald wollten wir uns wieder treffen.

Wir wollten erst mal zu den helfenden Händen gehen. Wie besprochen wollten wir die beiden Gruppen zusammenbringen. Gemeinsam konnten sie vermutlich besser die Krankheit heilen.

Also liefen wir wieder die Treppen der Burg hinauf bis zum Tempel der helfenden Hände. Die Leiterin war nicht mehr dort. Doch zwei andere Mitglieder standen vorne. Wir liefen zu ihnen.

„Hallo. Wo ist Eure Leiterin?“, fragten wir sie. „Seid gegrüßt.“, antwortete der Größere von beiden. „Sie ist heute unterwegs. Sie wird wohl erst gegen Abend wieder zugegen sein.“

„Ah. Dann einer von euch soll mitkommen zu heilende Hände.“, erwiderte ich und blickte vom einen zum anderen. „Oder beide. War abgesprochen mit Leiterin.“
Die beiden nickten. „Ja.“ Sie wechselten Blicke und entschieden dann, dass der Größere von ihnen mitkommen würde.
Die beiden waren mir nicht wirklich geheuer, ich traute ihnen nicht. Aber auch den heilenden Händen traute ich nicht.
Die anderen schienen es ähnlich zu sehen, also begleiteten wir den Mann von den helfenden Händen zum äußeren Hof der Burg.

Dort angekommen sprachen sie miteinander.
Die Leiterin der heilenden Hände verhielt sich wie immer sehr abweisend, doch sie schienen trotzdem zu einem Kompromiss zu kommen: Die helfenden Hände würden nun Hilfsgüter für die heilenden Hände besorgen. Damit war ihnen zumindest etwas geholfen.

Als wir gerade zurück laufen wollten, kamen ein paar Personen durch das Tor gerannt… Und hinter ihnen. Ein Wesen. Es sah auf seltsame Art und Weise aus wie eine Spinne. Nur viel zu groß.
Was auch immer es war, es griff uns an.
Wir schnappten uns unsere Waffen und taten unser Bestes, dieses Wesen zu besiegen.
Ich versuchte so gut wie möglich, den Schlägen dieses Dings auszuweichen. Es gelang mir ganz gut, doch direkt vor mir wurde Bjorn von den Beinen dieses Viehs getroffen.
Ich konnte nur hoffen, dass das Wesen nicht giftig war.

Während wir weiter gemeinsam gegen das Ding kämpften, kamen mehr und mehr Krieger dazu, die halfen. Wir schlugen es in die Flucht. Doch woher war es gekommen?
Die Heiler und heil-begabten Magier kamen, um sich um die Verletzten zu kümmern. So wie es aussah, waren die meisten Krieger leicht bis schwer verletzt; glücklicherweise gab es keine Toten.

Am Steinkreis sammelten sich langsam einige Personen; das nächste Þing stand bevor.
Bjorn und ich setzten uns dazu. Einige der Magier hatten sich erneut in den Turm gewagt, außerdem hatten wir das Problem der heilenden und helfenden Hände gelöst. Zumindest glaubten wir das.
Außerdem wollten wir Antworten über das Spinnenwesen. Wo war es her gekommen? Was wollte es von uns?

Hagen stellte sich in die Mitte des Steinkreises und leitete das Þing ein.
„Wir treffen uns erneut zum nächsten Þing. Es gibt einige Dinge zu besprechen.“, begann er.
Plötzlich Schreie und Rufe von unten, vom Tor. Gegner. Angriff.
Wir sprangen auf, liefen hinab zum Turm.

Eine Horde von Menschen liefen herein. Sie trugen Waffen bei sich und waren ansonsten meist in Lumpen gekleidet. Manche hatten auch Rüstungsteile.
Sie griffen uns an.
„Die haben einen Bogenschützen!“, rief Jemand und die ersten Pfeile flogen… und trafen ihre Ziele.
Unsere Krieger gingen nach und nach zu Boden.
Wir mussten diesen Bogenschützen ausschalten!
Bjorn und ich nickten uns zu.
Wir umrundeten die gegnerische Gruppe und sprangen von der steinernen Erhöhung hinab.

Schnell rannten wir auf den Bogenschützen zu, doch einer der Feinde hatte es bemerkt. Er trug einen Flegel bei sich und kam direkt auf uns zu. Auch die übrige Gruppe wurde darauf aufmerksam, nur unsere eigenen Krieger bekamen es nicht mit.
Er schlug auf mich ein, schlug mich zu Boden. Bjorn stand auf dem Abhang und versuchte, den Gegner abzuwehren. Doch auch er wurde bald niedergeschlagen.

Ich verlor das Bewusstsein.

Das nächste, an das ich mich erinnere, war, dass ich am Boden lag. Eine Magierin kniete über mir. Die Verletzungen brannten. Sie murmelte irgendetwas. Ich bekam es nicht richtig mit, doch es schien zu helfen. Auch, wenn es brannte, die Blutung hatte aufgehört. Scheinbar hatte sie die Wunde ausgebrannt. Immerhin lebte ich. Ich drehte den Kopf und sah auch Bjorn am Boden liegen. Sie hatte sich scheinbar auch um ihn gekümmert.

„Habt Dank.“, murmelte ich und bemerkte erst dann, wie schwach meine Stimme klang. Ich musste mich wohl ausruhen.

Doch vor uns tobte der Kampf noch immer. Es waren nicht mehr viele Feinde übrig, doch immer noch reichlich. Wie lange war ich ohnmächtig gewesen? Ich konnte mir diese Frage nicht beantworten.
Als die Gegner endlich besiegt waren, wurden auch die übrigen Verletzten versorgt.

„Fortsetzung des Þing in fünfzehn Augenblicken!“, rief Hagen aus und begab sich schon zum Steinkreis. Ich war nicht sicher, ob ich bis dahin wieder fähig war, zu laufen. Ich fühlte mich nicht gut. Und auch seitens der anderen Verletzten war ein unzufriedenes Murren zu hören. Doch es half nichts. Wir mussten dieses Problem lösen, bevor wir alle sterben würden. Wenn dieses Spinnenwesen wiederkam… Nicht auszudenken.

Wir schleppten uns also zum Steinkreis für das nächste Þing.

Es gab ein paar Fortschritte im Turm, in den Leichenteilen soll sich der Schlüssel zu dem anderen Raum befinden. Die Vermutung lag nahe, dass hinter der verschlossenen Tür eine Bibliothek war. Abgesehen davon gab es Gerüchte, dass in der Burg heilende Orte lagen, mit deren Hilfe diese Krankheit geheilt werden konnte. Doch niemand konnte sagen, wo sich diese Orte befinden sollen. Die Frage, woher das Spinnenwesen kam, konnte allerdings geklärt werden: Zuvor hatten sich einige Personen in den Burggraben begeben, in den die ganzen Leichen der Pestkranken geworfen wurden. Die Rattenwesen, die von allen Skaven genannt wurden, hatten dort eine kleine Spinne gefangen, woraufhin die große Spinne kam. Vielleicht wollte sie Rache nehmen.

Was genau dort sonst gefunden wurde, war nicht ganz klar. Allerdings stellten wir noch fest, dass unsere Angreifer immer besser ausgerüstet waren. Im ersten Angriff kämpften die Feinde mit bloßen Händen und in Lumpen. Mittlerweile hatten sie sogar einen Bogenschützen und teilweise Rüstung. Was ging hier nur vor sich?

Wir setzten uns in die Nähe des Turms, um zu beobachten, was dort passierte.

Jin überlegte, in den Turm zu gehen. Ich wusste nicht, ob ich ihn aufhalten sollte. Immerhin war es möglich, dass er dort etwas entdeckte.

Während er noch am Überlegen war, entdeckte ich etwas in der Nähe des Turms. Es sah von Weitem aus wie ein Fuß.

Verwirrt und neugierig zugleich näherte ich mich dem Ding. Und je näher ich kam, desto klarer wurde es: Es war tatsächlich ein Fuß. Abgetrennt. Der Rest des Körpers war nicht zu sehen.

„Hier ist ein Fuß!“, rief ich zu Bjorn, Kirren und Jin. Sie schienen mir nicht wirklich zu glauben und kamen ebenfalls näher. Wir wollten das Ding jedoch nicht anfassen. Vielleicht übertrug er ja Krankheiten.

Der Fuß befand sich in der Nähe des Lazaretts der heilenden Hände und ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Pestturms. Er war also entweder aus dem Turm gefallen, oder aber einer der heilenden Hände hatten einen Patienten verstümmelt.

Ich lief zum Lazarett und fragte, ob sie einen Fuß verloren hatten. Sie sahen nur zu ihren Füßen und meinten, dass sie ihre beiden noch haben. Das war nicht, was ich wissen wollte.
Doch sie konnten mir nichts zu dem Fuß sagen.

Ich erinnerte mich an die Personen, die den Turm bereits betreten hatten.
Sie hatten etwas von einer Leiche erwähnt und wollten die Körperteile mitnehmen. Vielleicht konnten sie den Fuß auch gebrauchen. Also lief ich zu verschiedenen Personen und fragte sie.
Es konnte niemand etwas damit anfangen. Schade.
Also kehrte ich zurück zu Bjorn, Kirren und Jin, die noch immer vor dem Turm in der Wiese saßen.

Zwei Druiden kamen gerade zum Lazarett und so entschied ich, sie mal zu fragen.
Die weibliche Druidin nahm sich dem Fuß an und murmelte etwas. Wahrscheinlich war sie auch so etwas wie magisch.
Nachdem sie fertig war, kam sie zurück und meinte, dass der Fuß einfach nur ein Fuß sei. Nicht giftig, nicht magisch, nicht ansteckend. Immerhin.
Ich hoffte, dass die restlichen Körperteile nicht folgen würden. Nicht, dass wir einen Kopf auf den Kopf bekamen.

Wenig später kam ein Magier auf uns zu. Er fragte uns, ob wir wissen, wer den Schlüssel zum Turm hat. Ich wusste nicht einmal, dass der Schlüssel gefunden wurde.
Er beschrieb uns die Frau, die den Schlüssel gefunden hat.
„Eine kleine, schwarzhaarige Frau mit einer Narbe an der Wange.“
Ich überlegte, ob ich solch eine Person bereits gesehen hatte und erinnerte mich.
„Da. Habt Dank. Ich werde Frau suchen.“, erwiderte ich und erhob mich wieder von der Wiese.

An einer hölzernen Bank am äußeren Burghof fand ich sie dann. Sie saß bei ein paar Magiern, die etwas vorzubereiten schienen. Es wurde bereits ein großer Kreis gezogen, doch ich wusste nicht, wieso.
Ich ging also zu der Frau und sprach sie auf den Schlüssel an. Der Magier folgte mir.
Wir fragten, wann sie in den Turm gehen wollten und erfuhren, dass ihr eine Lichtquelle fehlt. Im Turm sei es sehr dunkel und Magie schien nicht zu funktionieren.
Außerdem brauchte sie jemanden, der sie begleitete. Jemanden, der nicht zu groß war.

Ich blickte zu dem Turm, dann wieder zu der jungen Frau.
„Da. Kann ich mitkommen.“, entschied ich dann. „Habe ich auch eine Laterne. Kann ich mitbringen.“
Die Frau musterte mich einen Augenblick. „Es ist sehr eng dort.“, gab sie zu Bedenken. „Dann musst du alles ablegen, was stören kann.“
Ich nickte. „Da, werde ich ablegen Mantel, Köcher und Bogen und nur mitnehmen Schwert und Axt.“
Sie war einverstanden.
„Ich muss mich noch vorbereiten. Du musst dein Mundtuch mit Essig tränken und dir Handschuhe besorgen.“, fügte sie dann noch hinzu.
Ich nickte. „Da. Und ich hole Laterne. Dann komme ich wieder hierher zurück.“

Damit ging ich zurück zu dem Zimmer, das Bjorn und ich uns einfach genommen hatten.
Ich legte meinen Köcher, den Bogen und einen der Gürtel ab. Dann schnappte ich mir die Laterne, die ich auf meiner letzten Reise zur Taverne gekauft hatte und ging wieder zurück.
Wo ich Handschuhe herbekommen sollte, wusste ich allerdings nicht.
Ich überreichte der Frau die Laterne und fragte nach Essig und Handschuhen.
Ein anderer Mann, der bei ihr stand, überreichte mir seine Handschuhe und gab mir einen grünlich aussehenden Trank.
„Das ist zwar kein Essig, aber es hat eine ähnliche Wirkung. Tränke einfach dein Mundtuch darin.“, erklärte er mir.
„Habt Dank.“, bedankte ich mich höflich und kniete mich hin, um das Mundtuch zu tränken. Die grünliche Flüssigkeit roch seltsam, doch wenn sie helfen würde, war es mir recht.

Dann begaben wir uns zum Turm.

Wir brauchten noch jemanden, der das Türschloss öffnen konnte und jemanden, der die schwere Tür geöffnet hielt. Schließlich mussten wir schnell rein und schnell auch wieder raus. Ich war etwas aufgeregt, aber auch entschlossen. Wir würden es schaffen!

Ich erfuhr, dass die Frau „Nessa“ hieß. Und sie riet mir, einfach alles, was ich finden kann, schnell einzupacken und den Turm sehr schnell wieder zu verlassen. Der Geruch sei grauenhaft.

Die Skaven erklärten sich bereit, die Tür offen zu halten. Einer der Magier ging zur Tür, um sie zu öffnen. Es dauerte eine ganze Weile, dann gelang es ihm. Die Skaven hielten die Tür auf und Nessa trat ein. Ich wollte folgen, doch ich kam nicht weiter. Etwas versperrte den Weg.

Nessa drehte sich zu mir um. „Kommst du?“, rief sie zurück. „Kann ich nicht! Komme ich nicht weiter!“, rief ich zurück. Sie schien mich hören zu können, doch ihr blieb auch nicht viel Zeit. Sie musste also alleine weiter.

Der Gestank war schon hier furchtbar und wir standen ja vor dem Turm und nicht darin. Ich hoffte, dass sich hinter der Tür, die sie öffnen wollte, nichts befand, was sie töten wollte.
Soweit ich das richtig gesehen hatte, hatte sie nämlich keine Waffe dabei.
Nach einigen Augenblicken kam sie wieder heraus, röchelnd, hustend und nach Luft schnappend. Sie stützte sich an der Mauer ab und wir halfen ihr, die Treppe zum Turm herunter zu kommen.

Ich wollte sie zurück zu ihren Begleitern bringen, doch die Skaven hielten sie fest. Sie wollten die Gegenstände haben, die sie gefunden hatte.
„Loslassen!“, rief ich entschlossen der Ratte zu und hielt mein Schwert etwas höher. Mir kamen diese Rattenwesen vorher eigentlich recht freundlich vor. Doch sie durften die Frau nicht einfach festhalten.
Zum Glück hörten sie auf mich und ließen sie los. Einer ihrer Begleiter stand schon dort und ich brachte sie zu ihm.
Ich erfuhr von Bjorn, dass die Personen in dem Kreis einen Exorzismus vornehmen wollten. Einer der herumlaufenden Jungen war angeblich von einem Dämon besessen. Von einem Pestdämon, um genau zu sein.
Doch ich hielt nicht besonders viel von Exorzismus und wollte außerdem meinen Gürtel, den Köcher und den Bogen wieder holen.

Zuerst schnappte ich mir meinen Mantel und gab dem Mann seine Handschuhe zurück.
Dann lief ich zusammen mit Bjorn zu dem Zimmer.

Während ich mir den Köcher und den Gürtel wieder anlegte, vernahmen wir eindeutige Stimmen von draußen.
Wir blickten hinaus und stellten fest, dass der Exorzismus in vollem Gange war.
Mehrere Magier knieten in dem Kreis. In ihrer Mitte lag ein kleiner Junge – das musste wohl der Besessene sein.
Ich sah eine Weile zu, doch ich verstand nicht besonders viel davon. Ein Exorzismus machte mir Angst und ich erinnerte mich sofort an den Moment, als sie den Exorzismus an Bjorn durchgeführt hatten. Seine Schreie. Es war furchtbar.

Wir beschlossen, zurück zum äußeren Hof zu gehen. Ich war gespannt, was mit dem Jungen passierte. Ich hatte ihn vorher nicht gesehen, also war mir auch egal, ob er stirbt oder nicht. Solange wir danach den Ort endlich wieder verlassen durften…

Wieder einmal wurden wir von den Bettlern angesprochen. Sie zerrten sogar an meinem Mantel. Das war zu viel. Ich drehte mich zu ihnen um. „Nicht anfassen!“, schrie ich einen der Bettler an und lief dann schnellen Schrittes weiter. Was fiel ihnen überhaupt ein?

Auf dem Weg zum äußeren Hof kamen uns wieder Kämpfer entgegen. Das Spinnenwesen war wieder da, allerdings nicht allein. Halb gerüstete, menschlich aussehende Gegner waren dabei. Sie kämpften zusammen.
Wir sammelten uns und versuchten, die Gegner wieder in die Flucht zu schlagen.
Bjorn wurde verletzt.
Irgendwie schafften wir es, die Gegner zu besiegen. Das Spinnenwesen lief wieder weg.
Bjorn lag an einer Mauer gelehnt. Sein Bein war verletzt.

Ich reinigte seine Wunde und verband sie, doch ich hatte meine Runen im Zimmer gelassen. Er konnte sein Bein nicht bewegen und falls wir wieder angegriffen werden würden, musste er doch kämpfen können. Ich lief also los und holte die Runen aus meinem Zimmer. Dann lief ich zurück. Zum Glück waren in der Zeit nicht noch mehr Gegner dazu gekommen.
Ich gab ihm drei Runen in die Hand. Er sollte sie festhalten.
Zwar musste ich meine Runen danach reinigen und erneut aufladen, doch wenn es Bjorn danach besser ging und er wieder kämpfen konnte, sollte es mir recht sein.

Also begann ich:
„Heil Dir Odin, der du so viele Masken trägst. Sieh auf diesen Krieger. Er ist ein Krieger Odins und hat an meiner Seite gekämpft. Ich bin deine Dienerin, Odin und ich kämpfe und sterbe in deinem Willen. Also nimm Isa, die Rune des Eises-„, ich schrieb die Rune Isa auf den Verband. „und stille die Blutung. Lasse das Blut an dieser Stelle gefrieren, sodass es nicht weiter austreten kann. Nimm dann Algiz, die Rune des Schutzes-“ Ich schrieb die Rune Algiz auf den Verband. „und schließe die Wunde. Füge die Haut wieder zusammen-“ Bjorn schrie auf. „, um das Blut darunter zu schützen. Zum Schluss nimm Laguz, die Rune des Flusses-“ Ich schrieb die Rune Laguz auf den Verband. „und bringe alles wieder in Einklang. Lasse das Blut wieder fließen, damit dieser Krieger weiter kämpfen kann. Für Odin!“

Bjorn beklagte sich wieder über das Jucken, doch ansonsten schien es funktioniert zu haben. Ich hielt für einen Augenblick seine Hände fest, damit er die Wunde nicht aufkratzte. Dann ließ ich ihn den Verband abwickeln. Wieder war die Wunde fort.

Wir begaben uns dann zum Steinkreis, schließlich musste ich meine Runen reinigen und neu aufladen. Ich setzte mich also auf einen Stein und zündete eine Kerze an. Kirren und Jin gesellten sich zu Bjorn und mir.

Während sich der Rauch immer mehr ausbreitete, begann ich, die Runen zu reinigen. Zum Glück hatte ich im Voraus Quellwasser abgefüllt. Denn hier gab es keinen Fluss, den ich erreichen konnte.
Die Runen, die Bjorn in der Hand gehalten hatte, reinigte ich also.
Dann folgte die Aufladung.
Ich legte das Fläschchen mit Quellwasser und das Meersalz vor mich. Die Kerze brannte ja schon und so war auch das Räucherwerk bereit.

Ich begann mit dem Element des Wassers, darauf folgte Erde, dann Feuer und dann Luft. Während ich in die Flamme starrte, spürte ich die Kraft Odins. Er war bei mir. Ich kämpfte für ihn und er war bei mir. Was sollte mir schon passieren? Er würde mich zu sich nach Walhalla holen, wenn er das für richtig hielt. Doch solange kämpfte ich für ihn. Die Welt um mich herum verschwamm, doch irgendwann wurde das Bild wieder klarer. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch Kirren, Jin und Bjorn saßen noch immer auf den Steinen neben mir.

Doch Kirren schien über Schmerzen zu klagen. Er hatte eine Verletzung am Bein, die nicht ordentlich versorgt wurde.
„Anastasya kann Wunden heilen.“, kommentierte Bjorn dann. Ich seufzte und war mir nicht sicher. Bei Bjorn hatte es bisher funktioniert.
„Da. Kann ich versuchen.“, erwiderte ich. Hatte ich nicht gerade erst meine Runen gereinigt?
Ich ließ Kerze, Meersalz, Quellwasser und Räucherwerk auf dem Stein liegen und nahm nur die Runen wieder an mich.

Am Bein von Kirren war ein Verband angebracht, doch genäht war die Wunde nicht. Ich fragte mich, welcher unaufmerksame Heiler das war, aber es half nichts. Da musste ich wohl helfen.
Ich sprach erneut zu Odin, doch Kirren schrie eindeutig lauter als Bjorn. Waren die Schmerzen wirklich schlimmer? Reagierte jeder anders auf diese Heilung? Musste er dafür auch an Odin glauben? Reichte es nicht, wenn ich Odin diente? Ich war mir nicht sicher.
Nach der Behandlung klagte er allerdings noch immer über Schmerzen – und über unglaublichen Juckreiz. Ich zweifelte schon fast an mir. „Glaubst du an einen Gott?“, fragte ich Kirren, doch er schüttelte den Kopf. Also kein Gott, der nicht zu Odins Ansichten passte. Es war doch sowieso immer Odin. Konnte das Problem überhaupt dort liegen?

„Passiert dir das öfter?“, fragte ich Kirren und er schüttelte den Kopf. „Ist also erste Mal so schlimm, eh?“
Er nickte und wollte die Wunde kratzen.
„Njet! Nicht kratzen!“, fuhr ich ihn an und hielt seine Hände fest. So würde er alles nur noch schlimmer machen oder sogar meine Arbeit zunichte machen.
Ich fühlte mich ziemlich schwach, doch das durfte ich nicht zulassen. Noch war die Heilung nicht fertig. Er musste ruhig bleiben.

Es dauerte einige Augenblicke, dann gab ich ihm die Erlaubnis, den Verband abzuwickeln. Ich erschrak. Eine Narbe. Eine ziemlich seltsame dazu. Es sah nicht gesund aus. Was hatte ich falsch gemacht?

„Immerhin ist Wunde zu.“, murmelte ich, wunderte mich aber dennoch.
Dann sackte ich etwas zusammen. Es war zu viel. Mir war schwindelig.
Als ich mich etwas erholt hatte, liefen Bjorn und ich zurück zum Innenhof. Dort fiel uns eine Tür auf, die unterhalb von Quintus Zimmer im Turm war. Sie war offensichtlich verschlossen. Hatte noch niemand den Schlüssel gefunden? „Ich will wissen, was hinter Tür ist. Vielleicht ist Anlage 4 versteckt“, überlegte ich neugierig. Bjorn deutete auf seine Axt. „Ist Tür. Habe ich Axt. Kann ich Tür einschlagen.“, erklärte Bjorn. Ich nickte. Diesmal konnte Axt Lösung sein.

Wir gingen also ein paar der steinernen Stufen hinab zu der Holztür. Sie war massiv; er würde einige Schläge brauchen, doch ich glaubte an ihn.

Bjorn holte aus und schlug mit voller Kraft gegen die Tür.
Und noch einmal.
Und noch einmal.
Und noch einmal. – Die Tür rührte sich kaum.

„Musst du fester hauen!“, ermutigte ich ihn und das tat er auch.
Er schlug mit sehr viel Kraft auf die Tür ein.
Und tat es erneut.
Auf einmal hörten wir eine aufgebrachte Stimme und Schritte.
Quintus.
Den konnten wir gar nicht gebrauchen.
„Was macht ihr da mit dem Eigentum der Burg?!“, rief er aufgebracht. „Ihr könnt doch nicht einfach eine Tür einschlagen!“
„Habt ihr Schlüssel für diese Tür?“, fragte Bjorn direkt und Quintus schüttelte den Kopf. „Nein, ich weiß nicht, wer den Schlüssel hat.“
„Da. Dann Ihr seid sehr schlechter Verwalter von Burg.“, erwiderte Bjorn.
„Also das. Das muss ich mir nicht anhören!“
Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Zimmer.

Wir fürchteten uns, dass er die Stadtwache holen würde, wenn wir weitermachten, also ließen wir es sein. Wir brauchten einen anderen Plan.

Wir fanden eine Frau, die in der Lage war, Schlösser zu knacken. Sie war mit den Paladin-Rittern, die überall „die Sechste“ genannt wurden befreundet und so hörten sie auch von unserem Plan. Sie begleiteten uns zu der Tür, denn auch sie wollten wissen, was hinter dieser Tür war.

Dann kam uns noch Hagen entgegen. Wir brauchten jemanden, der Quintus ablenkt.
„Hagen. Ihr könnt gut reden. Könnt Ihr Quintus ablenken?“, sprach Bjorn ihn an.
„Quintus ablenken? Das kann ich!“, erwiderte er sofort und stürmte fröhlich in Quintus Zimmer.
„Hallo Quintus, alte Socke, na?“, rief er sofort und ich musste lachen. Wir hatten die perfekte Ablenkung gefunden.
Die Frau knackte das Schloss und Bjorn und ich standen mit gezogenen Waffen bereit. Man konnte ja nie wissen, was sich hinter geschlossenen Türen befand.

Doch es war nur eine kleine Kammer mit einem Schrank darin. Der Schrank war leer.
Der ganze Aufwand umsonst.

Seufzend verließen wir den Turm wieder. Hagen kam später dazu und erzählte uns von seinen neusten Erkenntnissen.
Er wollte zu der Stadtwache gehen, da sie einen Teil dieser Karten hatten, über die alle sprachen. Außerdem gab es in der Bibliothek von Quintus eine Tür, von der niemand wusste, wohin sie führte. Das wollten wir also auch herausfinden.

Zuerst besuchten wir die Stadtwache und baten darum, ihre Karte abzumalen. Sie ließen es nicht zu. Sie erlaubten uns lediglich, die Zuordnungen abzuschreiben. Ich schnappte mir also Stift und Zettel aus der Tasche im Zimmer und lief zurück. Sie legten die Karte vor mich und er versuchte gemeinsam mit mir die Zuordnung zu machen. Auf der Karte waren an der oberen Kante Zahlen und an der linken Kante Buchstaben verzeichnet. Kombinierte man diese, konnte man die einzelnen Räume bestimmen.

Er kannte die meisten Räume und ich schrieb mit, was er sagte. Außerdem fragte ich ihn nach Räumen in der Burg, in denen er lange nicht mehr gewesen ist, doch er kannte keine neuen Räume, die uns verborgen geblieben waren.

Während ich weiter die Zuordnungen niederschrieb, kamen zwei weitere Personen der Stadtwache herein. Sie wirkten aufgebracht.
„Quintus wurde von diesen Skaven niedergeschlagen!“, riefen sie.
„Was?“, erwiderte der Mann, der neben mir am Tisch saß. „Was macht ihr dann hier? Lauft schnell wieder hin.“
Dann wandt er sich mir zu. „Es tut mir Leid, aber ich muss dort hin und das Problem klären.“
Ich nickte. „Da, ich verstehe. Habt Dank.“
Sie verließen den Raum und er nahm die Karte mit.
Ein gutes Werk der Skaven. Quintus hatte es verdient. So, wie er sich aufführte.
Ich musste mir das Grinsen verkneifen.

Wir liefen zurück zum äußeren Hof der Burg, an dem sich der Steinkreis befand. Kirren und Jin waren noch dort. Am Steinkreis angekommen, wurden wir wieder angegriffen. Ich trug mein Runenbuch noch bei mir, doch ich musste mitkämpfen. Schnell legte ich es auf einem der Steine ab und hoffte, dass es niemand mitnehmen würde. Schließlich war es wichtig für mich.

Bei den Kämpfern war diesmal ein seltsames Wesen dabei, das grünlich-blau aussah. Wie von einer anderen Welt. Ich sah es nur von Weitem.

Es waren genügend Schergen zugegen. Viele. Viel zu viele. Und sie waren mittlerweile ziemlich gut gerüstet. Die Waffen waren teilweise Stangenwaffen, Doppeläxte und Ähnliches.

Wie sollte ich mit Axt und Schwert dagegen ankommen? Oder Bogen? Ich war mir nicht sicher.
Ich sah mich hektisch um. Ich fand keine gute Position zum Schießen und die Erfahrung hatte mich gelehrt, lieber nicht zu schießen, wenn die Position nicht optimal war. Also lieber doch Axt und Schwert.

Also unterstützte ich die Kämpfer und griff einige der Schergen an. Sie fielen nicht. Es dauerte ewig. Sie trafen mich am Bein. Ich ging zu Boden. Ich war nicht vorsichtig genug gewesen. Wieso passierte mir das dauernd?

Ich kann mich nicht erinnern, wie, doch ich wachte auf einer hölzernen Bank auf der Wiese wieder auf. Im äußeren Hof. Ich lag auf der Bank. Die Wunden taten weh, doch es schien einigermaßen in Ordnung zu sein. Diese Frau – Nessa – war bei mir. Als ich meinen Kopf ein wenig drehte, sah ich, dass auch Bjorn direkt neben mir in der Wiese lag. Auch um ihn hatte sie sich wohl gekümmert. Doch er wirkte noch immer sehr schwach. Es sah nicht gut aus. Ich hoffte, dass es ihm bald besser gehen würde.

Ich konnte mir nicht erklären, woher dieses seltsame grünlich-blaue Wesen wieder hergekommen war. Wie konnte das passieren? Wer war dafür verantwortlich? Dieser Pestdämon, von dem alle sprachen?
Ich wusste auch nicht, was genau Nessa eigentlich in dem Turm gefunden hatte.
Bei allem, was passiert war und was wichtig war, fiel es mir schwer, den Überblick zu behalten.
Nachdem es uns wieder einigermaßen besser ging, holte ich mein Buch vom Steinkreis zurück. Glücklicherweise lag es noch unversehrt dort.Ich beschloss, es zurück zum Zimmer zu bringen.

Im Innenhof überlegten wir, noch einmal mit Quintus zu reden. Vielleicht hatte er ja wirklich diese Anlage 4, die wir brauchten.
„Wir fragen ihn, was er will. Jeder will etwas.“, überlegte Bjorn und wieder einmal wunderte ich mich über seine Entwicklung. Er lernte wirklich dazu.
Ich nickte und wir liefen in Richtung des Turms.
Auf einmal Schreie.

Einige Personen kamen durch den Gang in Richtung Innenhof gerannt.
Und direkt hinter ihnen.
Feinde.
Viele von ihnen.
Unfassbar viele.

Zuerst überlegte ich, zu schießen, doch der Innenhof war zu klein. Es gab keine gute Position, um geschützt zu schießen. Also legte ich schnell den Bogen und den Köcher ab und stürzte mich in den Kampf.
Es war ein erbitterter Kampf und wir waren ganz klar unterlegen. Es waren zu viele.

Ich fragte mich, wo die anderen Krieger vom äußeren Hof blieben? Warum halfen sie uns nicht?
Es dauerte nicht lange, bis fast alle unserer Krieger zu Boden gingen.

Ich nahm meinen Verband und wickelte ihn mir um mein Bein. Da mein Arm auch verletzt war, nutzte ich den verbleibenden Arm und meine Zähne, um den Verband festzuziehen.
Eine magische Heilerin kam auf mich zu und betete zu ihrem Gott, um mir meine Wunden zu schließen. Ich wusste, dass sie Odin meinte.

Bald ging es mir besser und ich erhob mich.
Magische Heilung war so viel schneller als Verbände…

Als ich mich umsah, musste ich feststellen, dass wirklich fast alle lagen. Auch Bjorn.
Doch auch die Feinde waren weniger geworden.
Eine junge Kriegerin rannte gerade durch das Tor.
Ich musste die Verletzten beschützen.

Sie trug ein Schwert und ein Schild bei sich. Das sollte machbar sein.
Doch mir war schon zuvor aufgefallen, dass diese Gegner mehr aushielten als normale Menschen. Lag auch das an diesem Pestdämon?

Egal, ich hatte keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Ich lief auf sie zu.

Wir blickten uns in die Augen, umkreisten uns für einen Augenblick. Dann der erste Schlag. Ich erwischte sie an der Seite, versuchte auszuweichen, traf sie noch einmal.

Doch ich konnte dem nächsten Schlag von ihr nicht ausweichen. Sie traf mein Bein. Ich ging zu Boden, holte kriechend noch einmal mit dem Schwert aus, traf auch ihr Bein, doch so richtig zu stören schien es sie nicht. Dann noch ein Schlag mit der Axt, bis ich endgültig am Boden liegen blieb.

Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass mich jemand ansprach. Dann hob diese Person mich auf die Schulter und trug mich irgendwohin. Erst später stellte ich fest, dass es ein Heilkreis war.

Eine Magierin, die komplett in blau gekleidet war, hatte diesen Heilkreis errichtet. Es lagen viele unserer Krieger darin. Die Frau trug eine große Kette mit Perlen in verschiedenen Blautönen bei sich und nutzte diese für ihre Heilung.

Ich weiß nicht wie, doch es schien zu funktionieren.
Nach und nach erhoben sich immer mehr der Krieger aus dem Heilkreis und bald konnte auch ich wieder aufstehen.

Ich beschloss, noch mehr Verbände mitzunehmen.

Wenn die Feinde sich in diesem Ausmaß vermehrten, dann würden wir es nicht mehr lange schaffen. Die Heilerin war auch zu Boden gegangen. Es war zu viel gewesen, das kannte ich ja selbst sehr gut.

Bjorn folgte mir zum Zimmer und als wir hinaus zum äußeren Hof sahen, wussten wir auf einmal, warum keiner der anderen Krieger zum Helfen gekommen waren: Der Kampf tobte dort noch immer.

„Ich gehe schon helfen!“, rief Bjorn und lief schon los.
Ich holte zunächst mehr Verbände, packte sie ein und folgte dann.
Doch ich sah Bjorn nicht mehr. Er hatte es schon zum äußeren Hof geschafft.

Ein dunkel gekleideter Mann mit Armbrust und ein Magier mit einem langen Stab kamen zu mir. „Eine Bogenschützin. Das ist gut. Ich halte die Feinde von euch ab und ihr schießt auf sie, in Ordnung?“, schlug der Magier vor. Es klang nach einem guten Plan, also willigte ich ein. So konne man auch ohne gute Position mit dem Bogen schießen.

Ich positionierte mich und zog den ersten Pfeil auf den Bogen und spannte ihn. Die Gegner kamen angerannt. Gerade, als ich schießen wollte, rannten sowohl Magier als auch der Mann mit Armbrust nach hinten. So stand nur noch ich dort. Die Feinde kamen direkt auf mich zu. Und sie waren schnell.

Ich schmiss den Bogen und den Pfeil hinter mich auf die Wiese und zog Schwert und Axt. Doch ich kam nicht mehr dazu, einen Schlag auszuführen. Ich war zu langsam. Sie schlugen mich nieder und ich blieb neben einer Säule, an der Zettel angebracht waren, liegen.

Bald vernahm ich Stimmen, die mir bekannt vorkamen. Jin und Nessa kamen zu mir. Sie zogen mich an die Seite zu einer Mauer, an der auch einige andere Krieger lehnten, die verletzt worden waren. Eine Heilerin kam zu mir. Sie hatte einen Weidenkorb dabei und schlug vor, meine Wunde zu reinigen und zu nähen. Ich stimmte zu, auch, wenn ich die Schmerzen hasste. Besser, als zu sterben war es allemal.

Sie reinigte also meine Wunde am Arm mit Alkohol und begann dann, sie zu nähen. Jeder Stich schmerzte schlimmer als der nächste, doch ich musste es aushalten. Zum Schluss verband sie die Stelle und ermahnte mich, in einigen Stunden erneut zu mir zu kommen, um den Verband wechseln zu lassen.

„Habt Dank.“, bedankte ich mich ehrlich und sie zog weiter, um nach den anderen Verletzten zu sehen. Ich fragte mich, wo Bjorn war.
Jin holte meinen Bogen, die Axt und das Schwert von der Stelle, an der ich gefallen war und brachte sie zu mir.

„War nicht schön, anzusehen.“, murmelte er.
Innerlich verfluchte ich diesen Magier, der einfach weggelaufen war.
Eigentlich wusste ich doch, dass ich fremden Personen nicht vertrauen sollte.
Wieso hatte ich es getan?
Ich konnte es mir nicht erklären.
„Da. Dieser Magier wollte sie abhalten… Hat er nicht gemacht.“, erwiderte ich. „Weißt du, wo Bjorn ist?“
Seit er voraus gelaufen war, um zu kämpfen hatte ich ihn nicht mehr gesehen.
„Ich glaube, er liegt hinten. Halfdan auch.“, erwiderte er, doch ich konnte Bjorn nicht sehen.

Jin erhob sich und lief kurz rüber zu der Stelle, an der er Halfdan und Bjorn vermutete.
Kirren hatte ich auch länger nicht gesehen.
Neben mir lagen noch ein paar andere Krieger, die ich jedoch nicht kannte.
Ein paar Magier liefen vorbei und fragten jeden der Verletzten, ob er ausreichend versorgt worden war. Als alle nickten zogen sie weiter.
Wenn es so weiterging würde es uns jedoch nicht mehr lange gut gehen.

Das dritte þing stand bald an und so sammelten wir uns.
Hagen erklärte, dass ein weiterer Exorzismus durchgeführt werden müsse, um den Pestdämon endlich aus dem Jungen zu vertreiben. Er nannte den Jungen „Lord“. Ich verstand nicht ganz, wieso. War er der eigentliche Herr der Burg?

Dadurch, dass der Exorzismus am Steinkreis stattfinden musste, weil sich dort irgendwelche Energieströme trafen, verlegten wir das þing auf die Wiese darüber.
Wir besprachen kurz den Exorzismus, den die zuständigen Personen bereits vorbereiteten und klärten dann, was im Turm eigentlich gefunden wurde.
Einige Kräuter hingen wohl von der Decke, weitere Körperteile wurden gefunden und noch einige alchemistische Zutaten. Diese sollten wohl von den Alchemisten untersucht werden. Außerdem wurde das Problem der heilenden und helfenden Händen endlich gelöst. Sie standen gemeinsam am Lazarett der heilenden Hände.
Nur diese Zettel, sowohl Anlage 4 als auch die fehlenden Kartenteile waren nicht aufzufinden. Darüber gab es keine Neuigkeiten.

Nachdem das þing beendet war, setzten wir uns an den Rand des Steinkreises und beobachteten die Vorbereitung des Exorzismus.
Dann brachten sie den Jungen in die Mitte des Kreises und begannen, Geschichten zu erzählen. Geschichten über Schlachten, die aussichtslos aussahen und dennoch gewonnen wurden.

Geschichten über Angst.
Geschichten über Dämonen und Dunkelheit.

Wir hörten interessiert zu während der Mann in der Mitte mit dem Jungen redete.
Es waren bewegende Geschichten und sie gefielen mir.

Der Mann schien dem Jungen Mut machen zu wollen.
Sie sagten ihm, dass es nicht schlimm ist, Angst zu haben.
Sie ermutigten ihn, gegen seine eigenen Dämonen zu kämpfen.
Der kleine Junge schien mehr und mehr Mut zu fassen.
Ihm wurde bewusst, wer er war. Und er schrie es laut heraus.
Er war der Herr dieser Burg.
Er wollte sich nicht mehr unterkriegen lassen von dem Dämon, der Besitz von ihm ergriffen hatte.

Die Gruppe kniete sich im Kreis um den Jungen herum.
Bjorn und ich kamen dazu und knieten uns auch hin.
Mehr und mehr der Personen taten es uns gleich.

Doch ich konnte spüren, dass noch etwas Schlimmes passieren würde.
Es war nicht vorbei.
Der Junge musste gegen seinen Dämon kämpfen.
Und wir?
Die Feinde erschienen.
Stark gerüstet.
Stark bewaffnet.
Und es waren viele.
Es war bereits dunkel geworden und einzelne Regentropfen fielen herab.
War das ein Zeichen Odins?

„Odin. Lass uns diesen Kampf gewinnen. Dieser Junge ist der Herr dieser Burg. Odin. Nimm uns nach Walhalla, wenn du uns hier nicht mehr brauchst.“, murmelte ich leise.
Die Feinde kamen näher, doch die Schildreihe hielt stand.
Ich sicherte zuerst eine der Flanken ab, damit der Feind nicht durchbrechen konnte.
Bjorn stand gemeinsam mit den Kriegern der „Sechsten“ um den Jungen herum, um ihn zu schützen.
Als sie näher kamen, lösten sie sich vom Jungen und griffen ebenfalls an.

Bjorn und ich kämpften gemeinsam gegen einen Feind mit einem riesigen Hammer. Während Bjorn die Aufmerksamkeit von diesem auf sich lenkte, schlug ich abwechselnd mit Axt und Schwert auf ihn ein. Er ging zu Boden.
Diese seltsamen Wesen, die uns zuvor bereits angegriffen hatten, tauchten auch in den Reihen der Gegner auf.
Zuerst schien es so, als würden es nicht weniger werden.
Immer mehr kamen durch das Tor herein.
Doch wir schlugen uns tapfer.
Ich konnte allen Angriffen ausweichen und unterstützte die Krieger um mich herum so gut es ging.

Dann kam der Dämon.
War es kälter geworden?
Mein Blut schien zu gefrieren.
Dieser Dämon sah schrecklich aus.

Das musste der Dämon sein, der uns und alle anderen so lange schon gequält hatte. Und vor allem natürlich diesen Jungen.
„Macht Platz für den Burgherren!“, riefen sie auf einmal aus und wir ließen ihn durch.
Der Junge schritt mutig auf den Dämon zu, das Schwert fest in der Hand. Während wir die Schergen weiter angriffen und vom Jungen weg hielten, bekämpfte er den Dämon.
Er kämpfte wie ein echter Krieger.
Und er trieb den Dämon fort, trieb ihn nach draußen, aus der Burg heraus.

Wir folgten ihm hinaus, besiegten weitere Schergen.
Und der Junge erschlug den Dämon.
Er besiegte ihn.
Und die Schergen verschwanden.
Hatten wir es geschafft
War er endgültig besiegt?
War die Krankheit überstanden?
Ein Glücksgefühl schien jeden von uns zu überkommen.

War es der Sieg?
Ich sah mich noch einmal um.
Keine Feinde mehr.
Es kamen auch keine mehr.
Wir hatten es geschafft.
Endlich durften wir Burg Grenzstein wieder verlassen.
Wir hatten überlebt!

Ein Mitglied der heilenden Hände, Moira, gesellte sich zu uns. Wir wollten Othila spielen und feiern. Doch da in der Taverne alles voll war, holten wir uns lediglich Met und setzten uns in die Burg. Moira, Bjorn, Jin und ich setzten uns hin und spielten Othila. Wir spielten sehr lange Othila. Wir leerten meine Flasche Metka und mehrere Krüge Met.

Später kamen noch Halfdan und Kirren dazu, doch Jin beschloss, schon an diesem Tag abzureisen. Bjorn und ich wollten noch eine Nacht in der Burg schlafen und danach abreisen. Schließlich hatten wir viel gekämpft und waren müde.
Die Nacht war noch lang, doch irgendwann ging auch ich zu Bett. Ich war einfach müde.

Am nächsten Tag verließen wir Burg Grenzstein.

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