[Link zu Teil 1]

Es gibt wesentlich schönere Arten aufzuwachen, als mit Metallgeschmack im Mund und Schmerzen beim Atmen.

Ich blinzle, sehe kurz den Himmel, dann schiebt sich das Gesicht einer Frau in mein Blickfeld. Sie sieht hübsch aus, aber da ich immer noch schlecht Luft bekomme, ist das nebensächlich.

Sie spricht mit mir, vermutlich über meine Verletzungen und was sie tun kann. Ich kann ihr kaum zuhören. Mein Mund schmeckt nach Blut und das ist immer ein schlechtes Zeichen. Und wo ist überhaupt Miguel? Ich sehe ihn nicht und den Kopf drehen kommt mir wie eine schlechte Idee vor. Scheiße.

Ich versuche mich zu erinnern, was war.
Oger.
Dieser verfluchte Oger lag auf mir und offenbar hat er mir ein paar Rippen gebrochen.

“Ein paar Knochensplitter sind in deiner Lunge gelandet”, bestätigt die Heilerin mir meinen Verdacht. Das klingt so, als würde es nicht besonders schnell heilen. Und leider spüre ich das auch. Bei jedem Atemzug sticht es in der Brust. Flach atmen tut weniger weh, aber toll ist das auch nicht.

“Hast du etwas gegen magische Heilung?”, fragt sie dann. Ich schaue sie verwirrt an, schüttle langsam den Kopf. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet. In NeHemar gibt es sowas nicht – zumindest nicht außerhalb vom Urwald. Aber ich erinnere mich an unsere Kämpfe in Vahrym – dort hat auch jemand magisch geheilt und ich weiß noch, dass das ein seltsames Gefühl war. Egal jetzt, Hauptsache ich werde bald wieder heil.

Sie spricht seltsame Worte aus, ich verstehe nicht, was sie sagt. Eine fremde Sprache?
Mir bleibt keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn brennender Schmerz durchfährt meine Brust. Ich schreie auf – das kam so unerwartet. Meine Finger krallen sich in meine Handflächen, mein Atem beschleunigt sich und ich muss schnell atmen, aber das verstärkt die Schmerzen. Scheiße, was passiert hier?
Ich versuche, mit dem Schreien aufzuhören. Wie schlimm können die Schmerzen sein? Ich habe Schlimmeres erlebt, rede ich mir ein. Das stimmt wohl auch, aber trotzdem gewöhnt man sich wohl nie ganz an die Schmerzen.

Und als ich gerade versuche, die Schmerzen auszublenden, klingen sie ab. Es wird angenehmer, ich merke, dass ich besser atmen kann. Es ist nicht perfekt, aber es tut viel weniger weh. Erleichtert atme ich endlich wieder tiefer.
“Danke”
Die Heilerin schaut mich an. “Ruht euch noch etwas aus und trinkt genug Wasser”, sagt sie. Sie wendet sich einem weiteren Verletzten zu und als ich meinen Kopf etwas drehe, sehe ich, dass es Miguel ist.
“Miguel!”, rufe ich. Er reagiert nicht. Ich spüre, wie sich mein Magen verkrampft. Verdammt! Es scheint ihm noch beschissener zu gehen als mir.

“Wie geht es ihm?”
Ein Mann dreht sich zu mir um.
„Der Heiler sagt, er kommt durch“, erwidert der Mann – seine Stimme klingt rau, aber ehrlich.
Na immerhin.
Typisch Miguel, predigt mir, vorsichtig zu sein und wird dann mehr verletzt als ich.
Ich sehe, wie sie ihn aufrichten. Überall an ihm klebt Blut. Ich beobachte, wie das Blut von seinem Gesicht auf sein braunes Hemd tropft. Aber er lebt. Blut und Dreck sind fester Bestandteil der Monsterjagd.

Ich bleibe noch etwas liegen. Mein Mund schmeckt immer noch metallisch. Wahrscheinlich sollte ich etwas trinken, aber aufstehen ist keine Option… Zumindest vorerst.
Nach ein paar Jahren bei GRIMM weiß jeder Monsterjäger, dass Ausruh-Zeit selten und wichtig ist, also nutze ich den Moment und schließe die Augen.
Die Goblins scheinen sich zurückgezogen zu haben – jedenfalls höre ich keinen Kampflärm.

Ich drehe den Kopf zur Seite und sehe im Gras hinter mir die Metallplatte von meinem Oberschenkel, die sich beim Kämpfen vom Mantel gelöst hat. Wieder etwas, das ich reparieren muss.
Einer von den Männern, mit denen wir gegen die Goblins gekämpft haben, kommt zu mir.
Er fragt, ob ich etwas brauche.
“Könnt ihr euch mal meine Rüstung am Rücken anschauen? Ich glaub, da ist was kaputt.”
Ich drehe mich etwas zur Seite, damit er meinen Rücken sieht. Das ist der einzige Rüstungsteil, den ich selber nicht sehen kann und gemessen daran, wie oft ich mich heute über den Rücken gerollt habe, ist das Teil vermutlich auch kaputt.

Er klopft gegen die Metallplatte. “Hm, ein bisschen verbeult”, ist sein erster Kommentar. Ergibt Sinn – das Teil hat heute auch einige Schläge abgefangen.
“Ein Riemen ist ab”, stellt er dann fest. “Ist wahrscheinlich nicht so gut, die Teile nur an dem Mantel dran zu haben.”
“Mh”, erwidere ich. Bisher hat mein Mantel eigentlich gute Dienste geleistet… Bis auf die ein oder andere Reparatur.
Ich richte mich etwas auf und schiebe mir den Rüst-Mantel von den Schultern. Er verspricht zwar Sicherheit, ist aber auch verdammt schwer. Ohne ihn kann ich etwas besser liegen.

Meine Gedanken schweifen zu den Tagen meiner Ausbildung. Habe ich viel Dreck gefressen zu der Zeit. Und den Teil mit den Ausruh-Zeiten habe ich komplett vernachlässigt, was sich stets gerächt hat.

Miguel ist wieder bei Bewusstsein und setzt sich auf.
“Miguel, wie geht’s?”, frage ich ihn. Mein Mund fühlt sich trocken an. Ihm wird es vermutlich nicht viel besser gehen.
Er antwortet nicht. Braucht er auch nicht. Ich weiß, dass es ihm dreckig geht – das ist in Ordnung. Solange er lebt. Er wird schon wieder. Wie immer.

“Hat uns beide hart erwischt, hm?”
Miguel grinst schief und klopft mir mit einer Hand auf die Schulter.
„Aber nicht so schlimm wie damals bei der Herzflamme“, sagt er plötzlich.
Ich sehe ihn an. Oh ja. Das war eine andere Liga.
Die Herzflamme. Ich denke nicht gern daran zurück.

Drei Tage Schmerz, Fieber, Halluzinationen. Ich konnte mich kaum bewegen, kaum atmen. Mein Körper war am Ende – und diese verdammte Tempelheilung hat ihn langsam wieder zusammengesetzt. Nicht sanft. Nicht angenehm. Aber wirksam.
Seitdem weiß ich, wie es sich anfühlt, völlig hilflos zu sein.
Und dass ich das nie wieder sein will.

“Stimmt”, murre ich. “Das war eine beschissene Zeit.”

Wir beide nutzen die Zeit und ruhen uns weiter aus. Wortlos. Wir brauchen nicht zu sprechen.
Einer der Mitstreiter im Kampf bringt uns Wasser. Endlich etwas, um den Metall-Geschmack im Mund loszuwerden.
Ich trinke gierig einen Schluck und reiche den Krug dann an Miguel weiter. So wie er aussieht, schmeckt sein Mund auch nach Blut.

Die Heilerin kommt wieder zu uns, fragt uns, wie es uns geht.
“Wird schon”, erwidere ich. “Aber ich habe gar nicht gefragt, wie Ihr heißt”
“Nandini”, sagt sie. “Aber wenn Ihr nach der ‘Heilerin in Grün’ fragt, wissen die meisten, wer gemeint ist.”
“Versuch’ ich mir zu merken”, verspreche ich.

Wenig später kommt Oleg – unser Auftraggeber für diese Mission – zu uns. Er händigt Miguel und mir persönlich die Kupfermünzen aus. Unsere Bezahlung. Ein guter Auftraggeber hält sich an sein Wort und bezahlt seine Jäger – und genau das macht er auch.

Es dauert noch einige Zeit, bis wir uns wieder erholt genug fühlen, um aufzustehen. Die Schmerzen sind noch präsent. Es dauert, bis Wunden verheilen. Aber meine Beine tragen mich wieder. Ich hole mehr Trinken für Miguel und mich. Setze mich dann wieder hin.

“Ich glaube, ich muss meine Rüstung reparieren”, sage ich.
Miguel schaut mich fragend an. Sein Ausdruck fragt, ob ich wieder übertrieben habe. Aber das spricht er nicht aus – muss er nicht.
“Mh. Sie hat mich echt gut geschützt. Aber jetzt sind zwei Schnallen ab”
Ich zucke mit den Schultern. “Wenn ich sie eh flicken muss, kann ich sie auch verbessern. Ist doch immer so.”
Miguel nickt. Tulio wäre wahrscheinlich besser darin, aber er ist nun einmal nicht hier, sondern in der Heimat – in NeHemar.

Zeit vergeht, Miguel und ich sitzen, meist schweigend. Manchmal reden wir über NeHemar und überlegen, wie dort der Zustand ist. Hoffen, dass es bei GRIMM allen gut geht. Warten auf eine Antwort von Ricarda, unserer Anführerin.

Oleg ruft die Kämpfer zusammen. Es ist schon längst mehr als dunkel draußen. Was ist los? Mehr Goblins?
Miguel und ich stehen auf, hören zu. Es geht um ein Gespräch mit einem Waldgeist. Sie brauchen Geleitschutz. Das ist alles, was ich wissen muss.
Ich ziehe meinen Rüstmantel wieder an. Auch wenn ihm Teile fehlen, bietet er mir Schutz. Dann gehen wir los.


Dort, wo Magie flüstert und Schatten Gestalt annehmen, wartet eine Begegnung, die mehr verändert als ein Kampf.
Teil 3 erscheint in Kürze.

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