„Der Kaiser von Vahrym lädt zur Verlobung ein“
Zur Verdeutlichung meiner Worte hielt ich Tahn den Brief entgegen.
„Oh, eine Verlobung?“, kam es von Tahn. Ich war mir sicher, dass er sich nicht an den Kaiser erinnern konnte.
„Da, gehen wir nach Wolkenturm in Vahrym. Wo wir Lord Cecil immer treffen.“, versuchte ich Tahn zu erklären, was ich mit ‚Vahrym‘ meinte.
„Ah, Lord Cici?“, fragte Tahn, woraufhin ich die Augen verdrehte. Das durfte er sich nicht angewöhnen. „Lord Cecil“, wiederholte ich streng.
„Lord Cecil“, wiederholte Tahn.
Manchmal benahm er sich wie ein Kind.

Von meinen Eltern hatten wir uns bereits verabschiedet. Es war traurig, aber ich wusste, dass ich stets zurückkehren konnte, wenn mir danach war. Und Arbeit gab es sowieso immer.

Der Weg bis nach Vahrym war weit und wir rasteten an vielen verschiedenen Orten. Natürlich quengelte Tahn immer, wenn wir im Wald schlafen mussten, weil keine Taverne oder Hütte zu finden war.
Umso erfreulicher fand Tahn dafür unseren Besuch im Drei-Länder-Eck, an das auch ich gerne zurückdenke:

Diese Insel war uns fremd und doch sagte man uns, dass es der schnellste Weg nach Vahrym sei. Falkenhain lag schon lange hinter uns und so langsam wurde es spürbar wärmer. Da sich auch Vahrym von meiner Heimat aus im Süden befindet, wusste ich, dass wir zumindest in die richtige Richtung unterwegs waren.

Die anstehende Verlobungsfeier des Kaisers von Vahrym ging mir nicht aus dem Kopf. Der Gedanke daran machte mich nervös. Wie verhielt man sich? Ich selbst kannte keine klassischen Hochzeiten. Im Norden war alles anders. Und selbst in meiner Heimat hatte ich noch keine Hochzeit miterlebt. Was würde mich also erwarten?

Der Anteil an Laubbäumen nahm zu, dafür gab es viel weniger Nadelbäume. Ein weiteres Zeichen dafür, dass wir uns immer weiter in Richtung Süden bewegten. Dort waren Nadelbäume eine Seltenheit.

„Müssen wir im Wald schlafen?“, fragte Tahn. Ich sah ihn an und warf anschließend einen Blick gen Himmel. „Weiß nicht“, erwiderte ich. Es würde bald dunkel werden. Vielleicht würden wir einen Unterschlupf finden, aber ich wollte Tahn keine falschen Hoffnungen machen.
Ich war mir noch nicht sicher, wie ich ihn auf seine Frau und seine Tochter ansprechen sollte. Dann war da ja auch noch Rashkaar und das anstehende Ritual. Die Orchidee befand sich mittlerweile an meinem neuen Rucksack, dafür hatte ich meine alte Tasche in Falkenhain gelassen.

Die Sonne näherte sich immer mehr dem Horizont. Es wurde Zeit, eine Bleibe für die Nacht zu finden. Hier war es zwar nicht mehr so kalt wie in Falkenhain, dennoch würde die Nacht nicht warm werden.
Als ich mich gerade im Wald nach einem Schlafplatz umschauen wollte, entdeckten wir einen Weg, der zu einer Lichtung führte.

Es war ein malerischer Ort mit einer Hütte und einem wunderbar rauschenden Fluss, der mich an meine Heimat erinnerte.
Eine hölzerne Brücke führte über den Fluss. Auf der anderen Seite konnte ich Zelte erkennen. Wir waren also nicht allein.

Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, wie gut die Idee war, einfach über die Brücke zu spazieren. Schon kam ein junger Mann auf mich zu, den ich natürlich nicht kannte.
„Wer seid Ihr?“, fragte er und sah mich an. Er zog seine Waffen.
Auf mich wirkte er nicht fremdländisch. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Mit meinem Namen würde er nicht viel anfangen können.

Während ich an einer Antwort überlegte, kam ein weiterer Mann dazu, der mir bekannt vorkam. Er trug einen roten Bart und sah mich an. In seinem Blick las ich, dass ich ihm ebenfalls bekannt vorkam.

Es dauerte einen Augenblick, dann erinnerte ich mich. Ich hatte ihn auf der Taverne im Nebel kennengelernt. Er kam ebenfalls aus nördlichen Landen und verehrte die gleichen Götter wie ich. Wir hatten uns damals auch über die Götter und ihre Geschichten unterhalten, während wir Wache für ein Ritual hielten.

„Wie viele Söhne hat Loki?“, fragte er mich. Eine blöde Frage. Wollte er auf Lokis ‚besondere‘ Söhne heraus?
„Meinst Du normale Söhne oder besondere?“, stellte ich die Gegenfrage. „Besondere ist vier: Schlange, Wolf, Pferd und Hel“, zählte ich auf. Es dauerte einen Augenblick, bis er verstand.

Er begrüßte uns und lud uns ein, über Nacht zu bleiben. Der Wald sei besonders in der Nacht gefährlich, da sich dort Trolle und andere Wesen aufhielten. Was für ein seltsamer Ort, denn Trolle waren mir noch nie zuvor begegnet. Das konnte aber gerne so bleiben, also entschieden wir, mit der Gruppe zu lagern.
„Also müssen wir nicht im Wald schlafen?“, fragte Tahn. Das freute ihn natürlich.

Bei unserem Gastgeber handelte es sich um Jarl Halvdan Havenarson, der Mann, der uns als erstes gesehen hatte, stellte sich uns als Sarolf vor.

Wir setzten uns an einen großen, hölzernen Tisch, der unter einem Zelt stand. Ihr Lager bestand aus vielen verschiedenen, beeindruckenden Zelten und war wirklich groß.
Am Tisch saßen noch zwei weitere Personen: Ein Nordmann namens Thorsteyn und eine Frau namens Tilda. Sie wirkten ganz freundlich, verhielten sich aber eher ruhig.

Jarl Halvdan wollte wissen, was uns an diesen Ort verschlagen hatte. Ich überlegte kurz und erzählte ihm dann kurz von der Verlobungsfeier in Vahrym. Es stellte sich heraus, dass auch er bereits in Vahrym war.
Die Gruppe befand sich wegen eines Jagdausfluges an diesem Ort und waren am Vortag angereist. Da hatten Tahn und ich ja wirklich Glück gehabt.

Wir unterhielten uns und genossen die Ruhe. Der plätschernde Fluss beruhigte mich. Odin war bei uns, das konnte ich spüren. Es war ein perfekter Ort, um mit ihm zu sprechen.
Doch noch bevor ich meine Gedanken abschließen konnte, ertönte ein Jagdhorn. Ich sah mich um, blickte fragend zu den Männern, die sofort aufsprangen. Das Geräusch kam aus dem Wald.

Ich nahm meinen Bogen in die Hand, zog mir die Kapuze ins Gesicht und schlich um ein Zelt herum in Richtung Wald. Wenn die Gruppe noch Jemanden erwartete, war dieser vielleicht in Schwierigkeiten. Wie war das noch mit den Trollen, von denen der Jarl gesprochen hatte?

Doch noch bevor ich etwas im Wald erkennen konnte, hörte ich schon laute Gespräche von der anderen Seite. Ich sah mich um. Tahn deutete hinter sich. „Die haben ihre Waffen weggeworfen“, erklärte er mir.
Also keine Gefahr. Ich atmete aus und ließ den Bogen sinken. So ein Glück.

Zwei Neuankömmlige setzten sich zu der Gruppe an den Tisch. Beide kamen mir nicht bekannt vor. Vorsichtig näherte ich mich und beobachtete das Geschehen aufmerksam.
„Das ist mein Bruder Aegir Havenarson“, erklärte der Jarl uns. Keine Gefahr. Das war beruhigend.
Bei dem anderen Mann handelte es sich um den Huskarl des Jarls, der den Namen „Fjol“ trug.

Die beiden Brüder unterhielten sich über das Land, in dem wir uns momentan befanden. Es trug den Namen Swetland und wurde von verschiedenen Königen beherrscht.
Sie führten Gespräche über die Einnahme der verschiedenen Reiche. Aegir hatte sogar eine Karte bei sich, die er auf dem Tisch ausbreitete.
So konnten Tahn und ich auch sehen, wo wir uns gerade eigentlich befanden.

Es klang ganz so, als seien die Ländereien von Swetland stark umkämpft. Die einzelnen Könige gönnten sich nichts. Während die Brüder Pläne schmiedeten, unterhielt ich mich mit Tahn über Könige. Er war ziemlich gesprächig und erzählte von dem König, der sie ins heilige Land geführt hatte.

Wenig später unterhielten sich Aegir und Halvdan über Vahrym. Es klang ganz so, als würden sie uns nach Vahrym begleiten wollen.

„Lasst uns das Nagelspiel spielen. Wer hat Lust?“
Sie rollten einen Hauklotz nahe an den Tisch und stellten einen Zinnkrug mit Nägeln auf den Tisch.
Verständnislos blickte ich von Tahn zum Jarl und zurück. Was für ein Spiel sollte das sein?

Es erklärte sich wenig später, als sie eine Axt nahmen, die Nägel leicht ins Holz schlugen und anschließend reihum versuchten, mit dem Axtblatt den Nagel zu treffen, um ihn im Holz zu versenken. Dabei hatte jeder einen eigenen Nagel. Derjenige, der seinen Nagel am Schnellsten im Holz verschwinden ließ, war der Sieger.
Es war interessant anzusehen und ich beschloss, dieses Spiel meinen Brüdern zu zeigen. Das würde ihnen sicherlich auch gefallen.

Es vergingen einige Runden, dann unterhielten sich die Brüder über ihre Huskarls und überlegten, welcher von ihnen wohl der Stärkere sein mochte. Daraus wurde wenig später ein Duell: Fjol und Sarolf traten gegeneinander an.
Fjol, der Huskarl von Aegir, ging siegreich aus dem Duell hervor.
Die Waffenwahl der Gruppe war interessant, sie kämpften größtenteils mit Axt und Schild.

Aegir stellte mir Fragen über Vahrym.
Da ich ihn nicht gut kannte, wusste ich nicht, ob ich diesem Mann vertrauen konnte. Mit manchen seiner Fragen konnte ich nichts anfangen, auf andere antwortete ich einfach nicht.
Mich wunderte, was er alles wissen wollte. Das meiste davon hatte mich nie interessiert. Ich wusste nicht, wie groß das Kaiserreich Vahrym genau war und auch die Fragen über den Kaiser beantwortete ich nicht.
Dennoch beschloss der Mann, mit uns nach Vahrym zu reisen. Er erhoffte sich Partner zum Handeln und Kämpfen.

Ich war froh, als er mir keine direkten Fragen mehr stellte, denn es hatte sich wie ein Verhör angefühlt. Stattdessen wechselte das Thema jetzt zu dem Huskarl Sarolf und Tilda, die auch eine Hochzeit planen wollten. Der Jarl Halvdan wirkte darüber nicht besonders erfreut und er diskutierte mit seinem Brüder das Für und Wider dieser Verbindung. Offenbar fürchtete der Jarl, dass sein Huskarl ihm dann nicht mehr treu sein würde.
Ich selbst hielt das für Unsinn, was hatte Treue denn mit einer Hochzeit zu tun? Aber ich sagte nichts dazu, sondern hörte nur zu.

Sie beschlossen, Sarolf am nächsten Tag gegen Tahn, Fjol und Thorsteyn antreten zu lassen. Wenn er siegreich war, würde er Tilda heiraten dürfen. Ich blickte zu Tahn. Das würde ein interessanter Kampf werden.

Als es zunehmend dunkler und kälter wurde, schlug der Jarl vor, zur Feuerstelle zu gehen.
Wir setzten uns ans Feuer und die Männer stimmten ein paar Lieder an. Ich genoss die Wärme des Feuers und die Gesellschaft der Gruppe. Sie waren noch immer Fremde, aber sie waren immerhin freundlich zu uns.

Jarl Halvdan erinnerte sich an meine Runen und sprach mich darauf an. Ich erklärte ihm, dass ich ihm im Namen der Götter Fragen beantworten konnte, sofern die Götter ihm wohlgesinnt waren.
Er war interessiert daran, dachte aber noch darüber nach, was er fragen würde.

Meine Gedanken blieben bei den Runen und ich dachte an Odin. Der Ort war doch perfekt, um zu Odin zu sprechen.
Ich entfernte mich also von den anderen und suchte mir einen ruhigen Ort am Wasser.
Da ich die Runen stets bei mir trug, setzte ich mich an den plätschernden Fluss und sprach zu Odin. Ich legte mir selbst die Runen und fragte, was es mit dieser Rast auf sich hatte und inwiefern ich der Gruppe trauen konnte.

Ich legte mein Runenkreuz und drehte die Runen nacheinander um.
Not in der Vergangenheit, körperlicher Schutz in der Gegenwart, Naturgewalten als Problem, geistiger Schutz als Weg. Als Lösung zog ich ein umgedrehtes Ehwaz, was für Fortbewegung steht. Keine Fortbewegung also? Ich überlegte und drehte die letzte Rune um: Für die Zukunft hatte ich Wunjo gelegt. Freude also.

„Odin, willst du sagen ich soll nicht abreisen, sondern bleiben bei Lager von Nordgruppe?“, überlegte ich laut. „Danke ich dir, Odin. Werde ich weiterhin sein deine Dienerin und handeln in deinem Sinne.“
Damit legte ich meine Runen zurück in den Beutel und kehrte zum Feuer zurück.

Wir saßen noch eine Weile am Feuer, dann kam Aegir mit einer Frau dazu, die nicht Tilda war. Ich musterte die Frau, aber es war zu dunkel, um sie gut zu erkennen.

Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Sklavin handelte, die Aegir mitgebracht hatte.
Er bot sie seinem Bruder regelrecht an und verhandelte mit ihm über einen Preis.
Ich wusste nicht recht, wie ich damit umgehen sollte. Sklaverei war nichts neues für mich, aber irgendwie missfiel es mir. Ich mochte nicht, dass sich Frauen so unterdrücken ließen.

„Woher kommt ihr?“, fragte ich die Frau. Sie war von großer Gestalt und wirkte hübsch. Immerhin trug sie Kleidung am Leib und würde nicht in der Nacht erfrieren.
Sie wirkte verunsichert und gab mir keine Antwort.
„Sie ist eine Sklavin, woher soll sie schon kommen?“, fragte mich Jarl Halvdan. Ich sah ihn an.
„Kann sie doch trotzdem Herkunft haben, auch, wenn sie ist Sklavin“, sagte ich. Das gefiel mir nicht. Doch die Frau äußerte sich auch nicht weiter dazu. So konnte ich ihr nicht weiterhelfen.
„Ja, sie kommt auch aus dem Norden“, sagte Halvdan knapp. Das sollte seine Antwort auf meine Frage gewesen sein.

Ich seufzte und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken.

Der Mond erstrahlte über uns und war hell und voll. Wir verweilten am Feuer, bis wir zu müde wurden und uns schlafen legten. So endete unser erster Tag im Drei-Länder-Eck von Swetland.

Der nächste Tag

Am nächsten Morgen erwachten Tahn und ich recht spät – wir hatten wirklich gut geschlafen!
Die Gruppe um Jarl Halvdan war bereits wach und sie sprachen von einem Überfall in der Nacht. Einige Waffen wurden entwendet, doch der Dieb hatte sich wohl in den Klingen geschnitten und Blut verloren. Allerdings war es keine rote Blutspur, sondern eine grünlich-blaue. Mir fiel kein Wesen ein, das so blutete.

Sie zeigten uns die Spur, sie führte vom großen, offenen Zelt bis in den Wald hinein. Wir beschlossen, uns erst zu stärken und dann die Spur zu verfolgen.
Tahn näherte sich dem Wald. Wollte er etwa allein gehen?
„Tahn! Nicht alleine gehen in Wald“, rief ich ihn zurück. Das war viel zu gefährlich.

Nach dem Essen rüsteten sich Männer und auch Tilda wollte mit in den Wald kommen. Lediglich Sarolf erklärte sich bereit, am Lager zu bleiben, um es zu bewachen. Wir konnten nur hoffen, dass diese Wesen nicht erneut das Lager angreifen würde – er allein konnte nicht viel gegen eine Gruppe von unbekannten Wesen ausrichten.

Bei dem Wald handelte es sich um eine Mischung aus Laub- und Nadelbäumen, wobei die Laubbäume überwogen. Die herabgefallenen Blätter und das Unterholz machten ein leises Durchqueren des Waldes unmöglich. Aber ich musste mir ohnehin keine Mühe geben, denn die Kettenhemden und Lederteile der Männer lärmten mehr als ein Rascheln der Blätter es je könnte.

Der Waldweg mündete in einer etwas offeneren Kreuzung. Hier endeten die Spuren. Es gab drei verschiedene Wege, zwei davon waren eher offen, der dritte war von Büschen und Bäumen gesäumt. Ich vermutete, dass sich so ein fremdes Wesen eher verstecken würde, doch die Gruppe schlug schon einen der offeneren Wege ein. Seufzend folgte ich. Sie waren wirklich laut unterwegs und das störte mich. Verglichen mit ihnen war Tahn beinahe lautlos unterwegs und das sollte schon was heißen.

Es hatte keinen Zweck, das war sicher der falsche Weg. Ich drehte um und lief zurück. Warum sollten wir hier unsere Zeit verschwenden?
Schnellen Schrittes bog ich ab und verfolgte den versteckteren Weg. Ich sah mich um, warf einen genauen Blick in die Büsche und das Unterholz. Nichts zu erkennen. Keinerlei Spuren.
Das konnte auch nicht sein. Doch der andere Weg?

Ich bekam nicht ganz mit, wann der Jarl zurück zum Lager lief, aber die anderen erzählten davon. Als Jarl Halvdan zurückkam vermeldete er, dass Sarolf weg war und neue Spuren aus dem Lager heraus führten. So ein Mist!

„Wohin führen Spuren?“, fragte ich den Jarl, doch er lief schon voran und folgte dem versteckten Weg durchs Gestrüpp. Die Gruppe folgte ihm.
„Wohin führen Spuren?“, versuchte ich es noch einmal. Konnte oder wollte er mich nicht hören? Bewegten sie sich wirklich so laut?
„WOHIN FÜHREN SPUREN, VERDAMMT?“, schrie ich dann, woraufhin alle stehenblieben, um mich anzusehen.
„Vom Lager aus hierher“, antwortete er mir endlich. War das denn so schwierig?

Tahn und ich bildeten die Nachhut, ich sah mich immer wieder aufmerksam um. Der Weg führte uns in ein etwas steileres und dichteres Waldstück.

„Da ist etwas!“, schrie einer unserer Leute. Sie rannten los.
Ich versuchte, ihren Blicken zu folgen und bog um die Ecke. Den ersten Pfeil legte ich schon an die Bogensehne, um schnell schießen zu können. Wenig später sah ich das Wesen auch. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Leider war es zu weit weg und es ging steil bergauf, der Schuss würde es nicht treffen. Also blieb mir nur, zu der Gruppe aufzuschließen. Tahn und ich liefen los.

Währenddessen erreichten die anderen das Wesen bereits und kämpften. Sie schafften es, das Vieh zu Boden zu ringen und festzuhalten. Es war noch nicht tot und versuchte, die Männer zu beißen.
Aus der Nähe betrachtet sah das Wesen nicht schöner aus, doch ich hatte keine Ahnung, worum es sich handelte.

„Unsere Waffen haben wir auch gefunden“, rief Jemand. Ich sah mich um und erblickte Tahn bei einer Art Lager im Wald. Dort schien das Wesen alles gehortet zu haben. Dann war ja jetzt alles gut.

Tilda fesselte die Beine des Wesens. Als wir auch die Arme zusammenbinden wollten, wurde das Wesen zu wild und biss und schlug um sich. Jarl Aegir wurde gebissen und ich erklärte mich bereit, ihm die Wunde auszuwaschen. Zum Glück hatte ich Metka aus der Heimat dabei.
Von dem Wesen selbst sammelte ich etwas Blut ein. Das würde ich Batras zeigen, vielleicht konnte er mir etwas dazu sagen. Falls der Biss giftig oder ansteckend war, konnte er uns wohl auch helfen. Zumindest hatte ich Hoffnungen. Wenn nicht Batras, wer dann?

Tahn sammelte die Waffen aus dem Hort. Jarl Halvdan nahm die Waffe der Kreatur in die Hand. Irgendetwas stimmte damit nicht, das spürte ich sofort. Mit verfluchten Waffen war nicht zu spaßen.
„Fasst es nicht zu lange an“, kommentierte ich das und deutete auch auf die Klinge, die das Wesen direkt an seinem Arm getragen hatte. So eine Waffe habe ich auch noch nie zuvor gesehen.
Dummerweise bestätigte sich mein Verdacht und Jarl Halvdan konnte das Schwert nicht mehr loslassen. Es klebte regelrecht an ihm. „Wir sollten ihn nicht aus den Augen lassen“, ermahnte ich die anderen. Dafür hatte ich schon zu viele Geschichten gehört.

Wir machten uns auf den Rückweg und Tahn und ich bildeten wieder einmal die Nachhut. Als wir schon fast beim Lager waren, bemerkte ich eine Bewegung im Unterholz. Ich hielt in der Bewegung inne und sah mich um. Tatsächlich, da hockte eines dieser Wesen im Unterholz und wartete auf seine Chance, uns anzugreifen.
„Tahn, LAUF!“, rief ich ihm zu und schob ihn voran. „Hier ist noch so eins!“, machte ich die anderen auf mich aufmerksam. Zum Glück bemerkten sie es und kamen zurück.
Ich schoss einen Pfeil ab, traf aber nicht und wehrte einen Angriff mit meinem Dolch ab.
Eine grässliche Grimasse tauchte im Gesicht des Wesens auf. Es wurde noch grauenhafter als vorher und ich musste den Blick abwenden und mich im Unterholz verstecken. Ich hasste diese Tricks.

Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, kam ich aus meinem Versteck hervor und griff das Wesen an. Gemeinsam schafften wir es, es zu Boden zu ringen. Jarl Aegir wurde erneut gebissen und ich half ihm beim Auswaschen und Verbinden. Ich gab Tahn den Metka und den Verband, damit er sich um Fjol, den Huskarl des Jarls, kümmern konnte.

Thorsteyn wollte das Wesen mit seiner Axt köpfen, doch mitten in der Bewegung schloss er die Augen und fiel zurück. Zum Glück wurde er aufgefangen. Das Wesen war auf jeden Fall magisch begabt. Keine gute Voraussetzung.
Trotzdem töteten wir es dann mit unseren Waffen.

Zurück beim Lager fanden wir nun auch Sarolf vor. Er war einigermaßen unversehrt, erzählte aber von einem Feuerball, dem er ausgewichen war. Ein paar Prellungen waren die Folge.

Ich überlegte, ob ich ihm die Schmerzen mit Hilfe von kühlenden Runen lindern sollte, doch mir fiel der Fluss ein, der ihn ebenfalls kühlen konnte. Wer wusste schon, was noch passieren würde? Vielleicht würde ich meine Kräfte noch brauchen.

Ich kletterte auf einen Baum, dessen Äste über den Fluss ragten. Das Plätschern beruhigte mich und ich sprach zu Odin und widmete ihm ein paar gesungene Lieder.
Von dort aus beobachtete ich auch, wie sie Jarl Halvdan bewusstlos schlugen und es so schafften, das Schwert von ihm zu lösen. Gar keine schlechte Idee.

Es verging eine Weile und erst, als verkündet wurde, dass die Beute aufgeteilt wird, kletterte ich wieder vom Baum herunter und gesellte mich zu den anderen. Das Wesen hatte fremdartige Münzen bei sich, die wir gerecht unter uns aufteilten. Bei den Waffen beschlossen wir, die fremdartigen mit nach Vahrym zu nehmen. Vielleicht konnte Lord Cecil etwas damit anfangen.

Am Tisch spielten wir einige Runden Kutsche Pferd und setzten die soeben erbeuteten Münzen als Einsatz.
Die Runde löste sich nach und nach auf und jeder ging eigenen Tätigkeiten nach. Ich kletterte wieder auf einen Baum und widmete meine Gedanken Odin und Rashkaar. Die Zeilen auf dem Blatt las ich wieder und wieder und wieder. Ich wusste nicht, was zu tun war und das störte mich, immerhin wollte ich Rashkaar doch helfen.

Ein paar der Männer begaben sich in den Fluss, um sich abzukühlen. Der Tag war wirklich sehr warm.

Der angekündigte Kampf von Sarolf gegen Fjol, Tahn und Thorsteyn stand bevor. Wir versammelten uns beim auserkorenen Kampfplatz. Es gab sogar eine Trommel, deren rhythmische Klänge das Spektakel noch interessanter machten.

Fjol gewann gegen Sarolf, bei Tahn endete der Kampf in einer Art Nahkampf, dennoch siegte Sarolf. Die beiden Jarls-Brüder entschieden, dass Sarolf es sich dennoch verdient habe, Tilda zu heiraten und das Ergebnis der Kämpfe nicht entschied.

Es folgten ein paar Prügeleien mit Holzknüppeln, die nicht besonders schmerzhaft erschienen. Wir hatten ziemlich viel Spaß beim Zuschauen. Ich fragte mich, ob ich das auch konnte.

Kurze Zeit später fand ich mich mit Nudelholz und Holzknüppel bewaffnet auf dem Kampfplatz wieder. Vor mir Tahn mit einem Schild und einem weiteren Holzknüppel. Es war ein sehr lustiger Kampf und irgendwie tat es gut, sich mal ordentlich zu prügeln. Es endete damit, dass ich Tahn unter seinem eigenen Schild begrub. Das zählte ich als Sieg.

Tahn und ich halfen Fjol beim Vorbereiten des Essens. Wir schälten und schnitten Gemüse und Kartoffeln. Tahn erzählte dabei von ‚Früher‘, es war also umso wichtiger, ihm genau zuzuhören. Er war nicht immer so redselig. Interessant, dass er sich daran erinnern konnte.

Aegir und Halvdan zogen los, um zu jagen. Ein bisschen Fleisch konnten wir für das Essen sicher noch gebrauchen.

Als das Essen soweit vorbereitet war, erkundete ich mit Tahn zusammen den Wald. Ich sprach über die Verlobung und überlegte, was man einer Frau bei einer Verlobung schenken konnte. Tahn hatte zum Glück ein paar Ideen, immerhin war er als Ritter wohl schon bei einigen Verlobungen und Hochzeiten anwesend… Und bei seiner eigenen.

Später am Feuer sprachen wir über die Götter. Jarl Halvdan war von der Jagd zurückgekehrt und bat mich, die Geschichte von Thors Hammer zu erzählen. So saßen wir eine Weile da und sprachen über Thor und seine Frau Sif und natürlich über Loki und die Zwerge.

Danach nutzte ich die Zeit, um in meinem Runenbuch weiter zu kommen. Dabei nahm ich auch noch einmal den Zettel von Rashkaar in die Hand und las die Worte. Ich hoffte einfach, dass es noch nicht zu spät war.

Mit dem Buch kam ich zumindest etwas weiter, doch es wurde auch schnell dunkel und der Tag neigte sich dem Ende zu.
Am nächsten Tag würde unsere Schiffsreise nach Vahrym beginnen. Ich war gespannt, wie ihr Schiff wohl aussah…

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