Ich erinnere mich noch gut an die Zeit im Frühling, zu der wir der Göttin Ostara gedankt haben…

Sobald in Falkenhain die ersten kleinen Blumen durch den Schnee an das Tageslicht gekommen sind und auch die Hasen schon häufiger gesichtet wurden war es so weit: Ostara.

Für meine Eltern war es ein wirklich wichtiges Fest und so versuchten sie stets, es auch uns Kindern nahe zu bringen.
Und auch ich habe früh verstanden, wie wichtig dieses Fest und diese Göttin für uns ist: Wenn die ewig langen Winternächte endlich wieder kürzer werden und auch die Sonne wieder häufiger hervorkommt, dann verdanken wir das Ostara.

Meine drei älteren Brüder waren froh, weil sie ab da nicht mehr in der Eiseskälte des Winters arbeiten mussten und ich als Kind freute mich über die Hasen, die Vögel und alles Leben, das erwacht war.
Auch jetzt und hier – nach all dem, was ich an Dunkelheit gesehen habe – freue ich mich immer, wenn die Sonne öfter auftaucht.

Mein Vater hat immer eine Schale mit Holzkohle, Baumharz und Kräutern hingestellt und die ganze Familie versammelte sich stets um diese Schale.
Der Geruch war natürlich gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile erinnert es mich immer an eine schöne Zeit.

Wenn wir uns auf den schneebedeckten Boden setzten, wussten wir sofort, dass die Erde unter uns nah war.
Es fühlte sich irgendwie beruhigend an.
Dann wurden die Arme in den Himmel gestreckt. Nach oben, zu allem… Und zu Odin, der alles geschaffen hat.
Wir dankten der Erde dafür, dass sie uns immer trägt.
Dann dankten wir Odin, der über uns wacht.
Auch für Freya, der Göttin der Fruchtbarkeit. Und natürlich Ostara, die der Welt im Kampf gegen die Dunkelheit ihre Kraft gegeben hat. Eindeutig, denn wir konnten den Frühling eindeutig sehen.

Ich habe oft versucht, mir die Positionen der wachsenden Blumen zu merken, doch sie kamen jedes Jahr aus einer anderen Stelle im Schnee.
Bis heute fasziniert mich die Kraft der kleinen Pflanzen, wenn sie der Kälte trotzen.

Jetzt, wo ich an die Blume denke, schaue ich mir die Blume von Rashkaar an… Ob auch sie durch Ostaras Kraft entstanden ist?
Ich bin immer noch nicht viel weitergekommen.
„Ach Odin… Verzeih mir.“
Ich werfe einen kurzen Blick zum schlafenden Tahn… Auch mit ihm werde ich noch reden müssen.
Doch dann widme ich mich wieder meinen Ostara Erinnerungen.

Während des kleinen Rituals am Boden hielten wir immer die Augen geschlossen.
Oft habe ich vor meinen Augen die kleinen weißen Blumen gesehen. Manchmal war da aber auch etwas anderes, doch ich konnte es mir nie erklären.
Man sagt, dass die Bilder, die man sieht, den eigenen Weg zeigen… Manche sagen auch, dass sie zeigen, wohin einen der eigene Herzenswunsch trägt.
Zu Blumen? Vielleicht haben mich diese kleinen und doch starken Blumen damals einfach beeindruckt.

Doch an die eine Aufgabe, die nur ich erledigen konnte, erinnere ich mich auch noch sehr gut: Das Wasser.
Meine Eltern wiesen mich an, schweigend zur nächsten Quelle zu laufen und von dort Wasser zu holen. Allerdings liegt die nächste Quelle in Falkenhain sozusagen am anderen Ende des Dorfes…
Diese Aufgabe konnte nur ich erledigen, weil es ein junges Mädchen sein musste, das zur Quelle geht.
Als einzige Tochter kam also immer nur ich in Frage.
Das ging auch in den folgenden Jahren immer so weiter, aber wenigstens kannte ich meine Aufgabe dann schon.
Ich frage mich, woher meine Eltern jetzt das Wasser bekommen, das angeblich heilende Kräfte besitzt. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, aber ich bin mittlerweile ja auch kein „junges Mädchen“ mehr.

Mein erster Weg zu dieser Quelle war für mich wirklich komisch… Ich habe damals sogar meinen Bogen und meine kleine Axt mitgenommen!
Trotz allem wusste ich, dass es für meine Familie wichtig war und auch, dass es für Odin wichtig war.
Endlich am Sternensee angekommen konnte ich die Reflexion der Sonne im Wasser bestaunen… Es war ein wirklich wunderschöner Moment und ich brach das Schweigen nicht.

Ich schöpfte also das Wasser aus der Quelle und machte mich auf den Rückweg. Das Singen der Vögel brachte mich damals zum Lächeln und noch heute fühle ich mich wohl, wenn ich in der Nähe Vögel höre… Der Winter war immer so bedrohlich.

Wieder Zuhause angekommen hatte mein Vater bereits das große Ostara-Essen vorbereitet: Es gab Fisch und Rehfleisch, sogar mit teurem Salz und Eiern, die meine Mutter beim Markt in Bärenfels gekauft hatte.
Dieses Festmahl war ein weiterer Grund für mich, die Göttin Ostara zu ehren… So ein leckeres Essen und das alles haben wir ihr zu verdanken!

Manchmal denke ich über diese Zeiten nach. Auch jetzt. Denn Ostara findet statt. Ich möchte Tahn nicht wecken.
Leise zünde ich ein bisschen Kohle an und lege Kräuter darauf.
„Danke, Ostara.“
Ich hoffe, dass sie es mir nicht übel nimmt.
„Heil dir, Odin. Ich danke dir, dass du da bist und über mich wachst. Bitte wach weiterhin auch über Tahn.“

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